Informationssatzung per Bürgerentscheid?

21.4.2017, 15:55 Uhr

Stimmt das Bild von der Politik in den Hinterzimmern der Macht? Entschieden mag da Gerrit Manssen nicht widersprechen, zum Beispiel beim Blick auf die vielen Kooperationen von privaten Bauträgern und Kommunen. Der Rechtsprofessor an der Uni Regensburg hat das starke Interesse vieler Unternehmen im Blick, Details solcher Projekte schlicht geheimzuhalten. Aber kann man das aushalten, wenn private Firmen in die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einbezogen werden?

"Gerade da ist es wichtig, dass die Öffentlichkeit umfassend informiert ist, um eventuelle Fehlentwicklungen kritisieren zu können", sagt Manssen. Und er registriert genau, dass Rathaus-Verantwortliche immer wieder die Öffentlichkeit von solchen Entscheidungsprozessen ausschließen.

Der Experte für bayerisches Verwaltungsrecht: "Das ist nicht im Sinne der Gemeindeordnung." Der Mangel an Informationen schafft Misstrauen gegenüber kommunalen Entscheidungsträgern. Das ist eine mögliche Quelle für eine Politikverdrossenheit, die populistisch-radikale Strömungen im In- und Ausland speist. Oder anders: Geschlossene extreme Weltbilder tun sich hart, wenn sie sich gegen die Realität, gegen das Faktische behaupten müssen.

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Transparenz in der Lokalpolitik lässt sich zwar leicht einfordern, aber mit rechtlichen Mitteln nur schwer durchsetzen. Ein Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene gibt es trotz intensiver Bemühungen der Opposition im Maximilianeum bis heute nicht. Deshalb haben die bayerischen Gemeinden die Freiheit, selbst Satzungen zur Informationsfreiheit zu erlassen. 80 Kommunen haben für 40 Prozent der Bayern den Zugang zu Rathaus-Informationen bereits über solche Normen geregelt.

Im Landkreis Neumarkt läuft seit dem Jahreswechsel die Initiative des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV), in den einzelnen Gemeinden die Informationsfreiheit per Satzung zuzulassen — bisher mit bescheidenem Erfolg: Nur die Gemeinde Berg hat bisher eine solche Norm beschlossen (wir berichteten). In den anderen Kommunen ist die Neigung bisher gering, das Thema auch nur auf die Tagesordnung zu setzen. "Bei uns bekommt sowieso jeder sämtliche Informationen", sagen stereotyp Rathausverantwortliche, um ein verbrieftes Bürgerrecht auf Information rundheraus abzublocken.

"Das stimmt nur, solange keine Meinungsverschiedenheiten bestehen", erklärt Rechtsprofessor Manssen den Unterschied zwischen einem wohltätigen "Gewohnheitsrecht" einerseits und einem einklagbaren Recht des Einzelnen andererseits. "Eine Informationsfreiheitssatzung ist für die Durchsetzung des Anspruchs essenziell."

Und es gibt nach Ansicht des Rechtsexperten keinen Grund, warum man den Bürgern dieses Auskunftsrecht nicht gewähren sollte — solange Außenstehende keinen Zugriff auf personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder das Steuergeheimnis hätten. Diese Schranken hat beispielsweise die Gemeinde Berg in ihre Satzung hineingeschrieben.

Die Transparenz als "Grundelement einer demokratischen Gesellschaft" sei auch deshalb gefordert, weil die Menschen ja durch Bürgerentscheide direkt in die Politik eingreifen könnten. "Wenn man den Bürgern das Recht gibt, selbst zu entscheiden, dann muss man ihnen auch die Informationen dazu geben", argumentiert Gerrit Manssen. Unter dem Strich stellt der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht fest: Einen "rechtfertigenden Grund" könne er nicht erkennen, Informationsfreiheitssatzungen zu verweigern.

"Dann bleibt nur der Aspekt, dass sich die Leute nicht auf die Finger gucken lassen wollen, aber das ist als Argument nicht akzeptabel." Es sei aber rechtlich nichts dagegen einzuwenden, in einer Gemeinde eine Informationsfreiheitssatzung per Bürgerentscheid einzuführen.