Zwischen Pflastersteinen und Kampfgetöse: Übung der US-Army in Hohenfels

5.11.2020, 10:12 Uhr

Die US-Army in Hohenfels trainiert für den Ernstfall und versucht dabei realistische Bedingungen zu schaffen. © Helmut Sturm, NN

Krieg in der Oberpfalz – jedenfalls sobald man das Tor 5 am NATO-Truppenübungsplatz Hohenfels, dem "Joint Multinational Readiness Center" der US-Army nach Anmeldung und Überprüfung seiner Personalien hinter sich lässt. Kilometerweit fährt man mit dem Bus in das Übungsplatzgelände hinein. Strikte Vorfahrtsregeln gelten und sind dringlichst einzuhalten. Rasselnde Kettenfahrzeuge haben Vorfahrt und ein eingeschränktes Sichtfeld. Das riesige Areal hat eine Gesamtfläche von 160 Quadratkilometern und erreicht die Größe von Lichtenstein.

Im NATO-Truppenübungsplatz in der Oberpfalz werden Kampftruppen der Mitgliedsländer unter Federführung der US-Army für ihre Einsätze im Ausland vorbereitet, trainiert und zu einem funktionierenden Einsatzverband entwickelt und geformt.

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Am Mittwoch wurde folgendes Szenario geübt: In einem künstlich angelegten Ort, diesmal hieß er Mitrovice, bedrängten Aufständische die Regierungsgebäude im Zentrum. Eine Brücke hatten sie bereits überrannt. Der Bürgermeister des Übungsdorfes Wolfgang Trau – gleichzeitig Organisator der Übung - erkannte die sich anbahnende Ausweglosikeit der Situation und forderte die NATO-Truppe KFOR zur Unterstützung an. Die meist jungen Soldaten rückten in Formation an und standen den laut schreienden, johlenden und drohenden Aufständischen hinter zusammengewürfelten Barrikaden gegenüber. Einzelne Aufständische versuchten mit Steinwürfen, Knüppeln und einfacher körperlicher Gewalt die geschlossenen Reihen der Soldaten aufzubrechen und zu überwinden.

Dabei ging es gut zur Sache. Nicht jeder Schmerzensschrei war gespielt. Rauchbomben vernebelten den Marktplatz. Die Sicht ging gegen Null.

Die KFOR-Truppe lies sich von den lautstarken Tumulten nicht beirren. Ihre Reihen schlossen sich schnell wieder und hinter ihren Schilden rückten sie zum Rathaus vor. Durch nichts und niemanden ließen sie sich provozieren. Ihr Auftrag hieß Deeskalation und nicht Provokation.

Immer wieder gelang es den Auf-ständischen, die Schutztruppe zurückzudrängen. Diese zogen sich geordnet zurück, bauten sich neu auf. Dieses Szenario zog sich über mehr als drei Stunden hin. Das lautstarke Kampfgetöse, Trommeln, Schreie und Sirenen zeigte Wirkung. Pflastersteine (gummiummantelt) flogen zu hunderten in Richtung Soldaten, und wieder vernebelte Rauchgas jegliche Sicht. Letztendlich drangen die KFOR-Truppen bis zum Rathaus vor und sicherten es.



Bürgermeister Trau und LtCl Thomas Bearns stellten abschließend fest, dass die territoriale Integrität des Mitgliedslandes, die Gewährleistung der Legitimität der Regierung und somit die interne Stabilität des Ortes Mitrovica im Kosovo erhalten werden konnte.

Eine Besonderheit gibt es im Trainingscenter Hohenfels: Je nach Szenario bewohnen etwa 20 bis 60 Komparsen die Übungsdörfer.

Die Kosovo-Truppe, kurz KFOR genannt, ist eine seit 1999 aufgestellte multinationale militärische Formation unter der Leitung der NATO. Ihre Aufgabe ist es seit mehr als 20 Jahren für die Sicherheit der Bürger im Kosovo zu sorgen. Dazu gehört auch die sichere Rückkehr der Flüchtlinge und die Entmilitarisierung des Kosovo. Das Hauptquartier befindet sich in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Ursprünglich beteiligten sich 40 Staaten – derzeit sind es noch 28.