Nach Airbnb-Urteil: Darum wartet Nürnberg noch ab

13.12.2018, 19:33 Uhr

Stadtverwaltungen verschiedener deutscher Städte ärgern sich über Wohnungen, die das ganze Jahr über in der Wohnungsvermittlungsplattform angeboten werden. Sie fehlen dem Wohnungsmarkt, der oft sowieso schon angespannt ist. © dpa/ Jens Kalaene

"Schöne, helle, vollmöblierte Einzimmerwohnung" und in nur fünf Minuten soll man zu Fuß im Englischen Garten sein. So wirbt eine Münchnerin für ihre private Unterkunft auf der Online-Vermittlungsplattform Airbnb und verlangt in der Adventszeit fast 80 Euro pro Nacht. Bisher weiß die Stadt München nicht, wie oft sie - und zahlreiche andere Menschen in der Landeshauptstadt - ihre private Wohnung als Ferienwohnung vermietet. Mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts München kann sich das jetzt ändern: Airbnb muss den Behörden Auskunft über seine Gastgeber geben - sobald das Urteil rechtskräftig ist oder das Unternehmen keine Berufung einlegt.

Wie ein Gerichtssprecher mitteilte, haben die Richter eine Klage von Airbnb gegen eine entsprechende Verordnung der Stadt abgewiesen. Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf die Landeshauptstadt. Die Stadtverwaltung kann somit die Daten aller privaten Unterkünfte bei dem US-amerikanischen Unternehmen anfordern, die länger als acht Wochen im Zeitraum von Januar 2017 bis einschließlich Juli 2018 als Ferienwohnung angeboten worden sind. Dabei geht es um Namen und Adressen der jeweiligen Gastgeber.

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Denn wer seine private Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr als Ferienwohnung vermietet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann in schweren Fällen mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld zur Kasse gebeten werden. Dabei geht es um Zweckentfremdung, weil der im Stadtgebiet knappe Wohnraum gewerblich genutzt wird.

Jede Stadtverwaltung entscheidet selbst darüber, ob die Satzung zur Zweckentfremdung gilt oder nicht. In Nürnberg gibt es eine solche derzeit nicht. Und das obwohl der Bedarf nach Wohnraum da wäre, erklärt der Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg, Michael Fraas. Auch deshalb fordert die SPD-Stadtratsfraktion, die Satzung einzuführen. Weil diese Auskunftspflicht mit sich bringt. 

Dies jedoch lässt sich nicht so einfach verwirklichen: Denn die Satzung macht Arbeit. So erfordert sie laut Fraas einen Außendienst, der die schwarzen Schafe unter den Anbietern entdeckt. Das gehe meist nicht ohne detektivische Arbeit, was wiederum Ressourcen brauche. Es geht etwa um Mitarbeiter, die sich die angebotenen Wohnungen vor Ort anschauen. Außerdem: Die Anbieter gingen dabei oft sehr trickreich vor.  "Wenn man sowas macht, dann braucht es Personal. Sonst bringt es das nicht."

Diese Erfahrung habe die Stadtverwaltung schon einmal gemacht, erklärt Fraas: In den Neunzigern habe es die Zweckentfremdungssatzung bereits in Nürnberg gegeben. Das Thema Airbnb wurde im Stadtplanungsausschuss zuletzt bereits diskutiert. Fraas wird auch in der nächsten Sitzung Ende Januar wieder berichten, wie die hiesige Lage dazu aussieht. Er will jedoch erst einmal abwarten.

600 Wohnungen sind in Nürnberg betroffen. Sie werden das gesamte Jahr über auf der Plattform feilgeboten - acht Wochen sind eigentlich erlaubt. Wohnraum, der dem angespannten Markt fehlt. Das haben Beobachter ermittelt, die von der Stadtverwaltung beauftragt wurden. 

Auch wenn das nur 0,2 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand der Stadt ausmacht - dennoch: "Jede Wohnung, die fehlt, ist eine zu viel." Jede einzelne ist laut Fraas ein Ärgernis. Das Urteil aus München findet der Nürnberger Wirtschaftsreferent deshalb gut - auch wenn es nicht auf Mittelfranken übertragbar sei. "Es schafft Klarheit."

Die Lage in München

Im Juli 2017 hatte der Landtag das neue bayerische Zweckentfremdungsgesetz beschlossen. Daraufhin passte München als einzige Stadt im Freistaat seine Satzung an, erhöhte die Bußgelder und forderte Airbnb auf, Daten zu den Gastgebern preiszugeben. 2017 sind nach Angaben der Behörde 298 bis dahin zweckentfremdete Wohnungen wieder dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt worden - sie sind also wieder von dauerhaften Mietern bewohnt.

 

Die Airbnb-Europazentrale im irischen Dublin hat danach auf ein Schreiben des Münchner Sozialreferats nicht reagiert und ist vor Gericht gezogen. Die irischen Behörden seien rechtlich zuständig und nicht die Münchner Stadtverwaltung, erklärten die Anwälte des Konzerns in der mündlichen Verhandlung. Die Vorsitzende Richterin entgegnete: "Soll die Stadt München nach irischem Recht vorgehen?"

Das Gericht entschied dem Sprecher zufolge, dass weder die Republik Irland für die Überwachung des Zweckentfremdungsrechts in München zuständig sei noch das irisches Recht gelte. Das Auskunftsverlangen des Sozialreferats sei nach EU-Recht zulässig. Kommt das Unternehmen der Aufforderung nicht nach, droht ein Zwangsgeld von 300.000 Euro.

Airbnb bedauert die Entscheidung der Münchner Richter, da der Schutz der Nutzerdaten höchste Priorität habe. "Wir werden weitere Schritte sorgfältig prüfen, sobald uns die schriftliche Begründung des Gerichts vorliegt", teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Airbnb wolle mit der Stadt zusammenarbeiten und sich dafür einsetzen, dass Münchner auch weiterhin ihre Wohnungen an Urlauber vermieten könnten.

Positive Stimmen von allen Seiten

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärte, das Urteil "zeigt, dass sich Airbnb nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung für die Münchnerinnen und Münchner. Darum tun wir alles, um Zweckentfremdung zu verhindern." 

Auch der Deutsche Mieterbund begrüßte das Urteil. "Wenn die schwarzen Schafe, die ihre Wohnung nur für Feriengäste weitervermieten, gefunden werden, kann dieser dringend benötigte Wohnraum wieder dem normalen Mietwohnungsmarkt zugeführt werden und trägt zur Entlastung des Wohnungsmarkts bei", erklärte die Geschäftsführerin des bayerischen Landesverbands, Monika Schmid-Balzert.

Der Deutsche Städtetag sprach sich für eine Registrierungspflicht für Anbieter in Regionen mit Wohnraummangel aus. "Wer seine Wohnung vollständig und wiederholt als Ferienwohnung vermieten möchte, sollte dafür künftig eine Genehmigung beantragen müssen", teilte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy mit - unter anderem mit einer anonymisierten Nummer im Angebot, die zuvor von der Kommune erteilt wurde. Außerdem forderte er Bund und Länder auf, Plattformen zur Auskunft gegenüber den Städten zu verpflichten.

In den Millionenstädten Berlin und Hamburg will die Verwaltung bereits mit einer Registrierungspflicht gegen Zweckentfremdung vorgehen. So sollen dort nur noch registrierte Nutzer ihre Wohnungen auf Airbnb anbieten dürfen.