Bahnvorstand Huber: "78 Prozent der Kunden sind zufrieden"

23.5.2019, 05:55 Uhr

Der letzte große Staatskonzern mit über 300.000 Mitarbeitern ist im Krisenmodus, die schlechten Pünktlichkeitswerte der letzten Jahre haben am Image des Unternehmens gekratzt. © Stefan Hippel

Herr Huber, Ihr Urgroßvater war Eisenbahnpionier und hat die Strecke Murnau–Oberammergau elektrifiziert. Was würde er heute zur Deutschen Bahn sagen?

Berthold Huber: Ich glaube, er wäre in erster Linie fasziniert. Erstens, weil er sich freuen würde, dass sich der elektrische Antrieb durchgesetzt hat. Zweitens wäre er wohl wahnsinnig begeistert von der Komplexität der heutigen Eisenbahn und den Herausforderungen, die das mit sich bringt.

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Und wie fände er die vielen Verspätungen? Warum haben Sie es als Verantwortlicher in all den Jahren nicht geschafft, das Thema in den Griff zu bekommen?

Huber: Das stimmt so nicht. Wir sind ja 2016 und 2017 pünktlicher geworden, dann gab es einen Rückschlag . . .

. . . aber es ist doch ein Dauerthema, unter jedem Bahnchef gab es ein Programm zur Verbesserung der Pünktlichkeit . . .

Huber: Die Herausforderung, die Pünktlichkeit trotz steigender Fahrgastzahlen und einer Bautätigkeit auf Rekordniveau weiter zu verbessern, ist aber auch größer denn je. Für das hohe Verkehrsaufkommen ist zu wenig Platz auf der Schiene, wir haben Nachholbedarf bei der Fahrzeugflotte und brauchen zusätzliches Personal, um die gestiegenen Anforderungen durch den Mehrverkehr zu bewältigen. Das alles gehen wir aber konsequent an. Das sieht man auch am Pünktlichkeitsverlauf in diesem Jahr. Wir liegen jetzt im bisherigen Jahresdurchschnitt für den Fernverkehr besser als im Vorjahr und deutlich über dem anvisierten Ziel von 76,5 Prozent für 2019.

Wann wird es der DB Ihrer Meinung nach gelingen, das "Wir können es einfach nicht"-Image in der Öffentlichkeit abzustreifen? Die 2016 mit dem Programm "Zukunft Bahn" ausgerufenen Ziele wie "Ärgernisse beseitigen" oder "verlässliche Reiseketten" wurden doch alle verfehlt.

Huber: Das mag Ihre Wahrnehmung sein. Wenn ich mir die von uns regelmäßig abgefragte Kundenzufriedenheit im Fernverkehr anschaue, bekomme ich eine andere Rückmeldung. 78 Prozent unserer Kunden gaben zuletzt an, sie seien zufrieden oder sehr zufrieden. Viele Ärgernisse wurden ja bereits von uns beseitigt: Die tatsächliche Wagenreihung wird inzwischen verlässlich angezeigt, das WLAN in allen ICE und bald auch in den IC-Zügen ist besser geworden, die neue Auslastungsanzeige informiert schon vor der Buchung, wie voll die Züge werden. Das sind doch echte Fortschritte! Gleichzeitig ist uns völlig klar, dass sich unser Image erst dann bessert, wenn wir den Ansprüchen der Kunden dauerhaft gerecht werden.

Der letzte große Staatskonzern mit über 300.000 Mitarbeitern ist im Krisenmodus, die schlechten Pünktlichkeitswerte der letzten Jahre haben am Image des Unternehmens gekratzt. © Foto: Eduard Weigert

Auf viel Geduld kann die DB dabei aber nicht mehr hoffen. 25 Jahre nach der Überführung der Bundesbahn in die DB AG steht die Forderung nach einer 2.Bahnreform im Raum.Wie konnte es eigentlich angesichts der vielen und gut bezahlten DB-Manager so weit kommen?

Huber: Wie schon gesagt: In den letzten 25 Jahren ist die Bahn auf vielen Gebieten besser geworden. Da wird im Rückblick auch oft einiges nostalgisch verklärt. Die wenigsten wünschen sich doch wirklich die Bahnrealität von 1994 zurück. Was wir aber wieder stärker in den Mittelpunkt stellen müssen, ist das gemeinsame Verständnis vom Eisenbahnfahren als integrierten Prozess. Wir haben vielleicht in den letzten Jahren zu stark in den einzelnen Unternehmenssparten gedacht und auf das jeweilige Ergebnis geschaut. Darüber ist bisweilen die Notwendigkeit zu kurz gekommen, das System als Ganzes und aus Kundenperspektive zu betrachten. Und wir haben in der Vergangenheit unser Marktpotenzial und die daraus resultierenden Kapazitätsherausforderungen unterschätzt. Aber deshalb müssen wir keinesfalls die vielen Errungenschaften infrage stellen.

Aber was schiefläuft und wie man es besser machen könnte, weiß man doch nicht erst seit gestern, oder?

Huber: Schaut man sich die Fakten nüchtern an, wird schnell klar: Eine Infrastruktur, auf der immer mehr Verkehr abgewickelt wird und auf der auch deswegen immer mehr gebaut werden muss, beeinflusst die Qualität. Daher haben wir die "Agenda für eine bessere Bahn" in Angriff genommen und deshalb sind mehr Investitionen in die Infrastruktur und in die Fahrzeugflotte ja auch so wichtig. Das wird aber anstrengend und auch mit Wachstumsschmerzen verbunden sein.

Der Bundesverkehrsminister hat Anfang des Jahres die DB-Führung mehrfach zum Rapport einbestellt und den Eindruck erzeugt, mit genügend politischem Druck ließen sich sehr schnell Verbesserungen erzielen.Ist das so?

Huber: Die Gespräche beim Minister waren ausgesprochen konstruktiv. Im Übrigen empfand ich es als hilfreich, dass wir direkt mit dem Eigentümer diskutieren und gemeinsam überlegen konnten, wer was bewegen muss, um nachhaltig besser zu werden. Wir sind uns alle einig, dass man ein solch vielschichtiges System wie die Bahn nicht von einem Tag auf den anderen Tag fundamental verändert bekommt. Aber der gemeinsame Fokus auf das Ziel, am kurzen Rand spürbar besser zu werden und mittel- bis langfristig in Infrastruktur, Züge und Werkstätten zu investieren, ist zweifelsohne da.

Ist mit Blick auf das Kapazitätsproblem das politische Ziel, bis 2030 die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene zu verdoppeln, überhaupt zu erreichen?

Huber: Wir haben 2015 die Fernverkehrsoffensive begonnen und lagen damals bei 130 Millionen Fahrgästen pro Jahr. Seitdem haben wir 20 Millionen mehr Fahrgäste geschafft und entwickeln uns schneller, als wir ursprünglich gedacht hatten. Was ich damit sagen will: Der Markt für die Verdopplung der Fahrgäste ist absolut da. Das hat zwei ganz einfache Gründe: Die großen Metropolen in Deutschland wachsen schnell und die Straße hat einen massiven strukturellen Nachteil, denn der Verkehr wird dort bis 2030 bestimmt nicht weniger und schon gar nicht schneller. Mit dem nötigen Ausbau der Infrastruktur gibt es tatsächlich die Chance, die Fahrgastzahlen zu verdoppeln.

Und woher kommt das Geld?Die wirtschaftliche Lage des DB-Konzerns ist ja – Stichwort Schienengüterverkehr und Schulden – sehr angespannt.

Huber: Über die Finanzierung der Infrastruktur verhandeln wir ja gerade mit dem Bund. Die Investitionen in Fahrzeuge im Fernverkehr trägt die Bahn selber und das Geschäftsfeld erwirtschaftet die dazu notwendigen Mittel auch zu 100 Prozent. Wir hatten in den vergangenen Jahren im Fernverkehr wirtschaftliche Ergebnisse wie nie zuvor und steuern in diesem Jahr zum fünften Mal hintereinander auf einen neuen Fahrgastrekord zu. Deshalb haben wir Investitionen im Umfang von sieben Milliarden Euro auf den Weg gebracht: vom ICE 4 über den Doppelstock-IC und die neuen Talgo-Züge bis zur Modernisierung der alten ICE-Flotte. Insgesamt werden wir 200 neue Züge bis 2024 zur Verfügung haben, allein die ICE-Flotte wird von heute 280 auf über 400 Fahrzeuge wachsen. Und mit der weiter steigenden Nachfrage werden wir im Fernverkehr auch künftig in der Lage sein, zusätzlich notwendige Investitionen zu tragen.

Ihr Vorstandskollege Ronald Pofalla, der bei der DB für die Infrastruktur verantwortlich ist, will zusätzliche Milliarden für die Digitalisierung der Schiene.Was erwarten Sie sich davon?

Huber: Das Potenzial ist riesig und wird uns enorm helfen. Weil wir damit schlicht und einfach mehr Verkehr auf der bereits bestehenden Infrastruktur fahren können. Das Gleiche gilt für den Schienengüterverkehr, wo beispielsweise in der Zugbildung noch sehr arbeits- und zeitintensive Prozesse ablaufen. Nur durch konsequente Automatisierung werden wir konkurrenzfähiger zum Lkw. Und für die Fahrgäste wird sich die Qualität der Reise in Zukunft weiter verbessern. Wir entwickeln zum Beispiel unseren DB-Navigator gerade zu einer echten Mobilitätsplattform und damit zu einem Reisebegleiter weiter, der Unterstützung in jeder Lage bietet.

Vor vier Jahren haben Sie gesagt, sie wollten "die beste Bahn in Europa" sein. Trauen Sie sich noch, derart optimistisch in die Zukunft zu schauen?

Huber: Ich finde den Ehrgeiz, die beste Bahn Europas zu werden, nach wie vor richtig und wenn ich uns das nicht zutrauen würde, säße ich nicht hier. Wir sind die größte und in Bezug auf die Rahmenbedingungen anspruchsvollste Bahn in Europa. Wir müssen Verhältnisse beherrschen, die kein anderer beherrschen muss. Und um künftig Verkehr von der Straße zu holen und die Klimaziele zu erreichen, gibt es keine Alternative zur Bahn.


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