Bezahltes Sabbatical: Was soll der Staat noch alles leisten?

1.4.2019, 10:55 Uhr

Viele Beschäftigte nutzen ein Sabbatjahr zur Entspannung oder für Reisen: Aber sollte wirklich der Staat dafür aufkommen? © Andreas Arnold (dpa)

Die meisten Deutschen haben ein seltsames Verhältnis zu ihrem Staat. Läuft irgendetwas in der Gesellschaft nicht rund, selbst wenn es nur um Belanglosigkeiten geht, wird gleich nach ihm geschrien: "Gesetzliche Regelungen müssen her!", heißt es dann. Kurz: Der Staat soll am besten alle Bereiche des menschlichen Lebens regeln. Wer entgegenhält, dass die Bürger damit Schritt für Schritt ein bisschen mehr Autonomie, ein bisschen mehr Freiheit aufgeben, erntet ähnlich fragende Blicke, als hätter er gerade erzählt, Außerirdische seien auf der Erde gelandet.

Jüngstes Beispiel dieser Mentalität: Linken-Chefin Katja Kipping fordert in einem Papier für die nächste Vorstandssitzung ihrer Partei das Recht auf ein Sabbatjahr: Zweimal in ihrem Berufsleben sollen Arbeitnehmer für bis zu zwölf Monate eine solche Auszeit nehmen können - bezahlt vom Staat, der in dieser Zeit 65 Prozent des Nettolohns (mindestens 1050 und maximal 1800 Euro) überweisen soll.

Werbung
Werbung

Natürlich spricht unendlich viel für ein Sabbatical. Wer daran zweifelt, sollte einfach mal Berichte von Menschen lesen, die eine solche Auszeit genommen haben, Menschen, die vielfach die sinnhafteteste Zeit ihres Lebens verbringen konnten.

 

 

Aber: Wieso um aller Welt soll der Staat und damit die Steuerzahler dafür aufkommen müssen? Dafür gibt es schlicht keine überzeugenden Gründe.

In Deutschland gibt es eine (weitgehend) funktionierende Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Ihnen steht es frei, in Tarifverträgen auszuhandeln, welche Möglichkeiten für Auszeiten einem Arbeitnehmer zustehen. Sie können den Anspruch auf ein Sabbatical also von sich aus verankern - ganz ohne Händchenhalten vom Staat.

Macht der Arbeitnehmer wächst ohnehin

Ein wenig haben es Gewerkschaften ja schon vorgemacht, zum Beispiel die EVG bei der Bahn und die IG Metall. Sie verhandelten in die Tarifabschlüsse die Möglichkeit für Beschäftigte hinein, mehr Freizeit statt mehr Geld zu wählen. Eine Möglichkeit, die viele Arbeitnehmer nutzten.

Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem Kampf der Unternehmen um Fachkräfte wächst die Macht der Arbeitnehmer - und damit auch die Möglichkeit, Anliegen wie ein Sabbatjahr durchzusetzen. Umso schleierhafter erscheint es, warum der Staat da noch mit Steuergeld in Milliardenhöhe nachhelfen soll.