Corona-Ausbreitung: Rolle von Kindern ist umstritten

20.5.2020, 05:57 Uhr

Eine Auswertung der Berliner Charité hat gezeigt, dass Kinder die gleiche Menge an Viren im Rachen aufweisen wie Erwachsene. Dem Virologen Christian Drosten zufolge sind sie daher offenbar genau so ansteckend wie Erwachsene. "Diese Studie zeigt aber nicht, ob Kinder auch genauso leicht angesteckt werden können", betont der Erlanger Virologe Bernhard Fleckenstein. "Denn die Untersuchung wurde ja nur mit Kindern gemacht, die bereits infiziert waren. Diese Frage bleibt bei dieser Studie offen."

Der Nürnberger Lungenmediziner Joachim Ficker verweist auf weitere Untersuchungen: "Studien aus China und aus Norditalien zeigen, dass Kinder in einer gleichartigen Situation offenbar genauso häufig infiziert werden wie Erwachsene", berichtet der Chefarzt der Pneumologie am Klinikum Nord. "Die Datenlage zur Rolle der Kinder ist aber insgesamt relativ dünn.

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Denn Kinder werden weniger symptomatisch. Der Anteil derer, die von einer Infektion gar nichts merken, ist sehr hoch." Gerade bei jüngeren Kindern ist das die überwiegende Mehrheit. "Aber ich will es mal so formulieren: Es gibt keinen Beleg dafür, dass von einem infizierten Kind prinzipiell ein geringeres Infektionsrisiko ausgeht als von einem infizierten Erwachsenen."

Waren Schließungen sinnvoll?

Diesen Schluss legen Untersuchungen über die Situation im familiären Zusammenleben nahe. "Da ist genug Nähe da. Aber für den Alltag in Kitas oder Schulen haben wir fast keine Daten." Ficker zufolge ist es daher ziemlich unklar, ob die Schulschließungen ein entscheidender Schritt bei der Pandemiebekämpfung waren oder nicht (siehe unten). "Es sind jetzt einige neue Alltagsstudien angestoßen worden. Die muss man abwarten."

Je jünger die Kinder sind, desto schwieriger ist es jedenfalls, Regeln zum Abstand und Mundschutz einzuhalten. Der Virologe Fleckenstein sieht insbesondere die Situation in Kindertagesstätten kritisch: "Es ist sehr gut möglich, dass das Virus über Kitas weitergegeben wird." Die Kinder tragen keinen Mundschutz – und die Erzieherinnen auch nicht, weil die Mimik hier ein elementares Kommunikationsmittel ist. Es lassen sich auch keine klaren räumlichen Distanzen wie in der Schule schaffen, wo etwa Markierungen oder weit auseinandergerückte Einzeltische für Abstand sorgen können. "Da ist viel mehr Nähe", sagt der Lungenmediziner Ficker, "da ist ein Risiko im Raum".

Ein weiterer Risikofaktor im Raum sind die Aerosole, die jüngsten Untersuchungen zufolge für rund die Hälfte aller Infektionen verantwortlich sein dürften. Diese winzigen Tröpfchen können durch Sprechen, Singen oder bloßem Atmen in die Luft gelangen. Sie schweben in den Klassenzimmern wie im Kindergarten, ebenso im Büro: Aerosole halten sich nicht an die Abstandsregel.

Das tun nur größere Tröpfchen, die vor allem beim Sprechen austreten und vor denen man sich mit Alltagsmasken und Abstand schützen kann. Das Infektionsrisiko durch Aerosole lässt sich reduzieren, indem man die Anzahl der Personen im Raum verringert und regelmäßig lüftet.


Hier finden Sie täglich aktualisiert die Zahl der Corona-Infizierten in der Region. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Über aktuelle Entwicklungen in der Corona-Krise


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