Corona-Krise: So ergeht es einer Nürnberger Gästeführerin

26.3.2020, 09:22 Uhr

Michaela Hertlein sieht in der Corona-Krise auch etwas Positives. © Christine Dierenbach

Was mir am meisten fehlt? Der Kontakt zu den Menschen, ganz klar. Ich bin seit acht Jahren als Gästeführerin in Nürnberg aktiv, weil ich keine Lust hatte, in meinem Hausverwaltungs-Job den ganzen Tag am Computer zu sitzen. Mir macht das Freude, den Leuten unsere schöne Stadt zu zeigen und ihnen etwas über die Geschichte Nürnbergs zu erzählen. Und mir ist es wichtig, dass man da auch ein wenig Spaß miteinander hat. Die Leute haben schließlich Freizeit und kaufen mit so einer Führung auch ein Erlebnis ein.

Die letzte Führung habe ich irgendwann im Februar gemacht, seitdem ist Schluss. Das ist schon sehr schade. Dabei lebe ich zum Glück nicht davon. Ich habe ein festes Einkommen und mache die Führungen nebenher mit einem als Kleinstunternehmen angemeldeten Gewerbe. So um die 160 Führungen sind es im Jahr. Niemand weiß, wann das wieder weitergeht. Die Unternehmen, die Flusskreuzfahrten veranstalten und hier in Nürnberg anlegen, haben uns schon mitgeteilt, dass sie bis Ende Mai beziehungsweise Ende Juni erst mal aussetzen. Und die Gruppenbuchungen über die Tourismuszentrale sind auch schon bis Ende Juni storniert.

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Ich habe trotzdem die Hoffnung, dass unsere selbst organisierten täglichen Stadtführungen schon etwas früher wieder losgehen können. Ausländische Gäste wird es sicher längere Zeit deutlich weniger geben, aber wenn die Verhaltensvorschriften gelockert werden, könnte ich mir schon vorstellen, dass die Menschen im Inland Urlaub machen und sich mal eine Stadt näher anschauen.

Insgesamt sind wir im Verein rund 140 Gästeführer – wobei es deutlich mehr Frauen als Männer sind. Die Zahl ist stetig angewachsen, weil in den letzten Jahren der Tourismus steil nach oben ging. Und es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die versuchen, von dieser Tätigkeit zu leben. Die trifft das jetzt natürlich extrem hart. Im Vergleich dazu habe ich geringe Sorgen.

Wenn ich ehrlich bin, ich sehe in dieser Corona-Krise auch Positives. Ich finde die Entschleunigung, die wir gerade erleben, sehr angenehm. Wir haben viel weniger Hektik im Alltag, und man kann sich wieder mal auf die Werte besinnen, die im Leben wirklich wichtig sind. Man geht plötzlich mit offenen Augen durch die eigene Wohnung und fragt sich: Hast du die Sachen hier eigentlich wirklich alle gebraucht?

Die meisten von uns haben das Glück, keinen Krieg mitgemacht zu haben, und erleben jetzt erstmals, dass die Welt ein wenig



innehält. Ein Jammer ist nur, dass die großen Online-Händler vermutlich die Profiteure dieser Krise sein werden. Wir haben in der Innenstadt so viele junge Leute, die mit tollen Ideen nette Läden aufgemacht haben. Wenn die diese Krise nicht überstehen, wenn die Innenstadt tot ist und verödet, dann verliert Nürnberg viel von seiner Schönheit.


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