"Lebend-Impfung" per Nasenspray

Drosten setzt Hoffnung in neuen Impfstoff: Kommt nächster Corona-Meilenstein aus Franken?

17.1.2022, 11:08 Uhr

Charité-Chefvirologe Christian Drosten sieht als "nächsten Meilenstein" in der Bekämpfung des Coronavirus eine "Lebend-Impfung". So könne etwa ein Spray, mit dem "abgeschwächte Viren oder eine moderne Variante davon" in die Nase gesprüht wird, dort eine Schleimhaut-Immunität schaffen: "Das wäre ein viel besserer Übertragungsschutz, der nächste Meilenstein", sagte Drosten im Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag.

Neben anderen Wissenschaftlern forscht aktuell auch ein Team der Universität Erlangen-Nürnberg an solch einem Impfstoff. Die Virologen erzielten in der Förderphase seit Herbst 2020 bereits erste Erfolge. Mäuse, die eine über die Nase verabreichte Booster-Immunisierung erhielten, entwickelten lokale Antikörper in den Nasenschleimhäuten. Diese Art der Immunisierung könnte vor allem das Infektionsrisiko unter Geimpften deutlich reduzieren.

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Omikron-Variante als "Chance"

Als eine "Chance“ bezeichnete er die Omikron-Variante. Die "abgeschwächte Infektion“ mit der Variante "auf dem Boden der Impfung“, sei "so etwas wie ein fahrender Zug, auf den man aufspringt.“ Es gebe "keine Alternative“, als dass sich früher oder später alle mit Sars-Cov-2 infizieren werden oder müssen.

Man könne "nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten“, sagte der Virologe. „Das muss das Virus machen.“ Drosten betonte jedoch, dass das nur "auf Basis eines in der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes“ möglich sei, sonst würden "zu viele Menschen sterben“.

Optimistischer Ausblick: endemische Phase naht

Die Bevölkerungsimmunität bei Erwachsenen entwickle sich in eine "klare Richtung“: "Die Bevölkerung baut Immunität auf und behält die auch.“ Deutschland sei jetzt "in dem Prozess“, die Pandemie für beendet erklären und die endemische Phase ausrufen zu können. Ob wir jemals wieder so leben werden wie vor der Pandemie? "Ja, absolut. Da bin ich mir komplett sicher“, sagte Drosten dem Tagesspiegel.

Im Hinblick auf die Risikoabwägung der Impfung sagte Drosten: "Es ist Impfung versus Virus, nicht Impfung versus keine Impfung." Und als Virologe könne er sagen, "dass man bei der Impfung einfach besser wegkommt". Dass es zu wenig Erfahrungen mit mRNA-Impfstoffen gäbe, sei angesichts von inzwischen Milliarden mRNA-Impfungen "wirklich Unsinn".

Impfpflicht: Politik muss entscheiden

Die mRNA- und Vektor-Impfstoffe kämen der natürlichen Immunität im Gegenteil am nächsten, so Drosten. "Sie aktivieren die zelluläre Immunreaktion viel besser und leisten damit einen ganz wichtigen Beitrag für den Schutz vor schwerer CoVid-Erkrankung und auch vor Immunflucht-Varianten wie Omikron." Den Protein- und Totimpfstoffen fehle diese Fähigkeit.

Zur Notwendigkeit einer Impfpflicht äußerte sich Drosten nicht. "Das muss die Politik entscheiden, ob sie das über die Impfpflicht machen will oder auf anderen Wegen", sagte er. Drosten betonte aber, "wie wichtig es ist, dass wir die Impflücke möglichst komplett schließen, vor allem in den Altersgruppen, die gefährdet sind". Denn eine "Herdenimmunität" zu erreichen, über die auch Ungeimpfte geschützt wären, sei nicht möglich: "Dafür gibt es wissenschaftliche Evidenz", sagte Drosten dem "Tagesspiegel".