Wichtige Rückschlüsse

In Berlin und Mecklenburg: Wahlen im Windschatten

9.9.2021, 10:48 Uhr

Franziska Giffey kann es mit den Menschen. Hier besucht sie eine Berliner Kleingartenkolonie. © Jürgen Ritter via www.imago-images.de, imago images/Jürgen Ritter

Wenn wir vom 26. September reden, dann meinen wir so gut wie immer die Bundestagswahl, die an diesem Tag stattfindet. Was dabei etwas in Vergessenheit gerät: Auch in zwei Bundesländern wird gewählt. Und dort geht es kaum weniger spannend zu, wie ein Blick auf die aktuellen Umfragewerte zeigt. Berlin und Mecklenburg-Vorpommern lassen mindestens fünf Rückschlüsse.

Erstens: Die SPD erholt sich. Die überraschende Rückkehr der Sozialdemokraten auf die vorderen Ränge der Politik ist offensichtlich nicht nur eine Angelegenheit auf Bundesebene, sondern wird in den Ländern bestätigt. In der Hauptstadt zum Beispiel galt die angestammte Regierungspartei als fast schon verloren. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller kam bei den Menschen nicht gut an, die Grünen galten als die kommende Partei. Und nun liegt die SPD in Berlin wieder mit vier bis fünf Prozentpunkten vorne. In Mecklenburg-Vorpommern ist das sogar noch deutlicher, da beträgt der Vorsprung vor der nächstfolgenden Partei sogar rund 20 Prozentpunkte.

Manuela Schwesig führt in Mecklenburg-Vorpommern den Umfragen zu Folge mit großem Vorsprung. © via www.imago-images.de, imago images/BildFunkMV

Zweitens: Auf die Personen kommt es an. Wie schon in der Vergangenheit zeigt sich auch jetzt wieder, dass eine beliebte Spitzenkandidatin, ein beliebter Spitzenkandidat mindestens die halbe Miete ausmacht. Das gilt für Olaf Scholz ebenso wie für Franziska Giffey und Manuela Schwesig. Wenn der Mensch überzeugt, dann sind die Wähler offensichtlich sogar bereit, über unschöne Aspekte wie die Cum-Ex-Affäre (Scholz) und einen aberkannten Doktortitel (Giffey) hinwegzusehen. Da mag noch so oft damit argumentiert werden, dass es doch viel mehr auf die Inhalte ankomme.

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Endspurt als Problem

Drittens: das alte Problem der Grünen beim Endspurt. Es war schon oft so, dass die Grünen etliche Monate vor einer Wahl zu überraschenden Höhenflügen ansetzten und dann doch unsanft landeten. Je näher der Gang zur Wahlurne rückt, desto mehr Zweifel an dieser Partei scheinen sich bei den Bürgerinnen und Bürgern einzustellen. Das führt dann am Wahlabend zu Enttäuschungen - selbst dann, wenn das Ergebnis selbst gar nicht so schlecht ist. In Mecklenburg-Vorpommern liegen die Grünen knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, in Berlin bei etwa 17 Prozent.

Viertens: Deutschland bleibt langfristig politisch bunt. Im Bundestag, aber auch in den meisten Landtagen müssen wir dauerhaft mit fünf bis sechs Parteien rechnen. Die entsprechenden Milieus von Linkspartei bis AfD sind zwar mal stärker, mal schwächer, schaffen es aber in aller Regel in die Parlamente. Darauf deuten auch die aktuellen Zahlen in der Hauptstadt und im Küstenland "Meckpomm" hin. Das Regierungsmodell der Zukunft sind also vermutlich Dreierkoalitionen. Das muss nicht unbedingt von Nachteil sein, wenn die Parteien die nötige Kompromissbereitschaft mitbringen.