Kommentar zu Hartz IV: Anreize sind besser als Strafen

15.1.2019, 12:31 Uhr

Ein Schild weist den Weg zur Agentur für Arbeit in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt). (Symbolbild) © Jan Woitas

Gelegentlich möchte man nicht mit Verfassungsrichtern tauschen: Zum Beispiel jetzt, da sie über die Frage urteilen müssen, ob das Kürzen von Leistungen zulässig ist, wenn Hartz-IV-Empfänger keine Bewerbungen schreiben oder ohne ausreichende Entschuldigung einen Termin beim Jobcenter platzen lassen.

Denn, auf der einen Seite: Hartz IV ist bereits das Existenzminimum, jeder Euro, der fehlt, bedroht ein menschenwürdiges Leben. Auf der anderen Seite aber: Fördern und fordern ist das Grundkonzept dieser sozialen Absicherung. Und das funktioniert nicht ohne Sanktionen.

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Wirklich? Der Sozialwissenschaftler und Theologe Gerhard Wegner hat da eine andere Idee: Vielleicht klappt es besser mit Anreizen, sagt der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland. Und meint: Das Jobcenter könnte eine kleine Prämie zahlen, wenn eine Bewerbung geschrieben und abgeschickt wird. Oder auch, wenn der Betroffene pünktlich zum Termin erscheint. Denkbar sind für ihn auch mehr Möglichkeiten zum Hinzuverdienst, ohne dass gleich alles auf die staatliche Unterstützung angerechnet wird.

Eine Utopie? Gewiss nicht, diese Vorschläge entsprechen den Prinzipien moderner Sozialarbeit. Und um nichts anderes handelt es sich bei der Aufgabe, Menschen aus schwierigen Lebenssituationen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Einen Versuch wäre es wert, dem üblichen Schuld-und-Sühne-Denken zu entkommen. Die Politik hat zu einem solch folgenschweren Paradigmenwechsel nicht den Mut. Die Verfassungsrichter könnten aber anregen, ein solches Experiment zu wagen.