Nach Anschlag in Kabul: Abschiebeflug verschoben

31.5.2017, 12:19 Uhr

Am Mittwoch sollte ein Sammelflugzeug mit abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan fliegen. Nach dem brutalen Anschlag in Kabul wurde der Flug verschoben. © dpa

Bisher hat Deutschland in fünf Sammelflügen 106 abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben. Die Abschiebungen sind umstritten, weil sich in Afghanistan der Konflikt zwischen Regierung und radikalislamistischen Taliban verschärft und es landesweit Gefechte und Anschläge gibt. Am Mittwoch sollte ein weiterer Sammelflug nach Afghanistan starten. Er wurde nach dem Anschlag im Botschaftsviertel in Kabul aber verschoben, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr.

Der Flüchtlingsrat kritisierte, in Bayern seien in den vergangenen Tagen abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan in Abschiebehaft genommen worden, so dass nun etwa 20 auf die Rückführung warteten. In Nürnberg versuchten am Vormittag etwa 50 Berufsschüler, die Abschiebung eines 20 Jahre alten Mitschülers zu verhindern. Es habe "unmittelbarer Zwang" angewendet werden müssen, um den Afghanen doch in den Streifenwagen zu bekommen, sagte ein Polizeisprecher.

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Flüchtlingsrat forderte Abschiebestopp

Nach dem verheerenden Anschlag mit Dutzenden Toten forderte der Bayerische Flüchtlingsrat einen sofortigen Abschiebestopp. Es könne nicht sein, dass alle anderen Bundesländer Zurückhaltung übten "und nur Bayern brachial abräumt", sagte der Sprecher des Flüchtlingsrats, Stephan Dünnwald, am Mittwoch in München. "Keinem einigermaßen vernünftigen Menschen ist diese Bedenkenlosigkeit erklärlich." Bei einem der schwersten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul sind am Mittwoch 80 Menschen getötet worden. Die Zahl der Verletzten liege bei 350, erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Ein Selbstmordattentäter brachte den mit Sprengstoff gefüllten Wagen laut Innenministerium im morgendlichen Berufsverkehr zur Explosion, nicht weit entfernt vom Präsidentenpalast, dem Außenministerium und mehreren ausländischen Botschaften, darunter die deutsche. Das Viertel Wasir Akbar Chan gilt eigentlich als das sicherste der afghanischen Hauptstadt.

Bei dem Anschlag wurden nach Angaben von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auch Bedienstete der deutschen Botschaft verletzt. Ein afghanischer Sicherheitsbediensteter, der zum Schutz des Botschaftsgeländes im Einsatz war, sei umgekommen. Gabriel verurteilte den Anschlag "auf das Schärfste" und erklärte, solche Taten änderten nichts an der "Entschlossenheit, die afghanische Regierung bei der Stabilisierung des Landes weiter zu unterstützen". Er berief im Auswärtigen Amt einen Krisenstab ein. Das Gebäude der deutschen Botschaft und die mehrerer anderer Vertretungen in dem Viertel wurden schwer beschädigt, wie auf Fotos der Nachrichtenagentur AP zu sehen war.

Pakistan verurteilte den Anschlag

Zunächst bekannte sich keine Gruppe zu der Tat. Aber die Terrormiliz Islamischer Staat und die Taliban haben in der Vergangenheit bereits ähnliche Anschläge in Kabul verübt. Bei den Opfern handelte es sich nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium überwiegend um Zivilisten. Der afghanische Präsident Aschraf Ghani verurteilte den Anschlag scharf. Selbst im heiligen Fastenmonat Ramadan, "dem Monat der Güte, der Segnung und des Gebets" schreckten die Terroristen nicht davor zurück, Unschuldige zu töten, hieß es in einer vom Büro Ghanis veröffentlichten Erklärung. Bilder in sozialen Netzwerken zeigten eine meterhohe Staubwolke, die über der Stadt aufstieg. Wem der Angriff galt, war zunächst nicht klar. Die meisten Opfer seien Zivilisten, sagte Nadschib Danisch, Vizesprecher des Innenministeriums.

Die Explosion war so massiv, dass mehr als 50 Fahrzeuge zerstört oder beschädigt wurden. Im Umkreis von bis zu einem Kilometer zersprangen Fensterscheiben in Gebäuden. Die Botschaften in Wasir Akbar Chan sind von hohen Schutzmauern umgeben und werden rund um die Uhr von afghanischen Sicherheitskräften bewacht. Auch Pakistan verurteilte den Anschlag, bei dem Wohnhäuser einiger pakistanischer Diplomaten und Mitarbeiter beschädigt worden seien. Einige Pakistaner seien leicht verletzt worden.

Die Taliban hatten im April den Beginn ihrer Frühjahrsoffensive angekündigt, bei der sie jedes Jahr besonders viele Anschläge verüben. Erst am vergangenen Samstag hatte ein Selbstmordattentäter im Osten von Afghanistan 18 Menschen in den Tod gerissen.

Dieser Artikel wurde am Mittwoch gegen 12.13 Uhr aktualisiert.