Politischer Aschermittwoch ist aus der Zeit gefallen

6.3.2019, 12:57 Uhr

Auch Markus Söder teilt beim Politischen Aschermittwoch aus. © Peter Kneffel, dpa

In Zeiten, in denen die Demokratie schwächelt, in denen das Ansehen der Politik im Allgemeinen und der Politiker im Speziellen schwindet, in solche Zeiten passt es nicht mehr wirklich, wenn eben diese Politiker aufeinander eindreschen, als seien sie andernorts nicht gemeinsam in einer Regierung, müssten sie nicht miteinander um Lösungen ringen in zunehmend schwierigeren Verhältnissen.

Das zeigt sich auch in Passau, Vilshofen und an all den anderen Orten, an denen die Politprominenz wieder einmal in die Schlacht gezogen ist. All die markigen Sprüche können nicht darüber hinwegtäuschen, wie vorsichtig die Protagonisten tatsächlich agiert haben. Keiner will das politische Gegenüber tatsächlich ernsthaft angreifen, von der AfD vielleicht einmal abgesehen. Die lebt ausschließlich von der Provokation, ohne sie wäre sie längst erledigt als Protestpartei.

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Alle anderen aber wissen, dass sie sich am nächsten Tag wieder begegnen werden in Regierungsbündnissen (CDU, CSU und SPD, CSU und Freie Wähler, CDU und Grüne, SPD und Grüne) oder in informelleren Runden (CSU und Grüne und FDP). Weil sie gemeinsam nach Lösungen suchen müssen und wollen. Auch deshalb nutzen sie den Aschermittwoch mittlerweile weniger als Krawallbühne und mehr als Ort der versteckten Botschaften. Kein Wunder. In München muss sich die CSU mit den Freien Wählern arrangieren, weil sie ohne die keine Mehrheit mehr im Landtag hat. In Berlin quälen sich CSU, CDU und SPD durch eine große Koalition, deren Ende die drei fast noch mehr fürchten als ihren Fortbestand. Und in Europa sehen sich die etablierten Parteien zunehmend bedroht durch Populisten, denen herzlich egal ist, ob die so überlebenswichtige europäische Idee in einer zerfallenden Weltgemeinschaft fortbesteht oder nicht.

Wenig Spielraum für Krawallveranstaltungen

Das aber lässt wenig Spielraum für Krawallveranstaltungen wie den politischen Aschermittwoch. Wer darauf gehofft hatte – und viele, die nach Passau angereist waren, haben das – sie könnten eine Neuauflage Strauß‘scher Poltereien erleben, der wurde enttäuscht. Markus Söder als Ministerpräsident und neuerdings auch CSU-Chef setzt eine ganz andere Tonlage. Er bleibt moderat, in der Wortwahl wie im Inhalt. Dahinter steckt seit der Bundestagswahl, spätestens aber seit der Bayernwahl auch die Erkenntnis, dass die Wähler allzu große Härte im politischen Geschäft nicht schätzen, nicht mehr schätzen. Und die, die sie gutheißen, wählen ohnehin nicht die etablierten Parteien.



Es mag die Bierseligen in den Hallen enttäuschen, dass der große Krach, dass der Eklat ausgeblieben ist. Ein Fehler ist es dennoch nicht. Wenn Politiker erwarten, dass die Menschen ihnen respektvoll begegnen, dies zu recht erwarten können, dann müssen sie umgekehrt diesen Respekt vorleben in der Art, wie sie miteinander umgehen. Der politische Aschermittwoch hat sich zwar schleichend, aber dennoch tiefgreifend verändert, ist weit entfernt von dem, was er einmal war.

Er hat sich überlebt, ist ein Schatten seiner selbst, das Relikt einer anderen, einer vergangenen Zeit, die niemand wirklich zurück haben will. Das aber macht ihn so quälend für alle, weil er den Erwartungen der einen und den Ansprüchen der anderen kaum mehr gerecht werden kann.