Prognose für Corona-Krise: Bald werden Intensivbetten fehlen

26.3.2020, 14:14 Uhr

Intensivbetten stehen in einer Klinik in Nordrhein-Westfalen bereit. © Bernd Thissen, dpa

In einem Schreiben von sieben medizinischen Fachgesellschaften heißt es, trotz Erhöhung der Kapazitäten stünden wahrscheinlich in kurzer Zeit "nicht mehr ausreichend intensivmedizinische Ressourcen" zur Verfügung. Die Ärzte müssten dann Entscheidungen über Leben und Tod treffen. Dazu gibt es laut einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auch einen Katalog mit Handlungsempfehlungen.

Entscheidend müssten medizinischer Befund und Wille des Patienten sein. Weiter heißt es: "Wenn nicht mehr alle kritisch erkrankten Patienten auf die Intensivstation aufgenommen werden können, muss analog der Triage in der Katastrophenmedizin über die Verteilung der begrenzt verfügbaren Ressourcen entschieden werden." Eine Auswahl, wer akut oder intensiv behandelt werde und wer nicht, sei letztlich "unausweichlich".

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In der aktuellen Corona-Pandemie könnten etwa Beatmungsgeräte knapp werden. Dann müssten die Ressourcen an Patienten verteilt werden. Solch ein Verteilungssystem nach festgelegten Kriterien nennt man Triage. Das Wort stammt vom französischen Verb "trier", was "sortieren" oder "aussuchen" bedeutet. Das System kommt ursprünglich aus der Militärmedizin. Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich im "Königlich-Preußischen Feldlazareth-Reglement" erste Angaben, wie Verwundete nach Schweregraden eingeteilt werden sollten.

Transparente Kriterien

Unter Napoleon I. entwickelte der Militärchirurg Dominique Jean Larrey "fliegende Lazarette": Die Verwundeten wurden auf dem Schlachtfeld nach der Schwere ihrer Verletzungen sortiert und, wenn nötig, vor Ort behandelt. Der Begriff "Triage" wurde noch nicht verwendet, er setzte sich erst später durch.

In Deutschland werden Triage-Instrumente in Notaufnahmen angewandt. Beim "Manchester Triage System" etwa wird der Patient nach den Kategorien Lebensgefahr, Bewusstsein, Blutverlust, Schmerzen, Temperatur und Krankheitsdauer einer von fünf Dringlichkeitsstufen zugewiesen. Allerdings geht man im Krankenhaus-Alltag gewöhnlich davon aus, dass alle Patienten bestmöglich behandelt werden können.



Das könnte sich in Deutschland ändern - wie bereits in Italien und Spanien. "Für diesen Fall muss es allgemeingültige, transparente Kriterien für die Triage geben", sagt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Er betont, dass es bei der Einteilung keinesfalls nur auf das Alter ankomme.

Eine solche Entscheidung sei für jene Menschen, die sie treffen müssten, immer belastend, sagt Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. "Wir reden von Bildern, die sich massiv einprägen: der Mensch, den man unbehandelt lässt, gegenüber dem, den man rettet." Deshalb sollte immer im Team entschieden werden - und getrennt von den Personen, die die Konsequenzen der Entscheidung umsetzen.