Eltern als Querdenker

Riss durch Familien - wenn Verwandte zu Verschwörungstheoretikern werden

29.1.2022, 05:57 Uhr

Wie fühlt es sich an, wenn sich nahe Angehörige zu radikalen Querdenkern entwickeln?  © picture alliance/dpa

In den Tagen vor der Impfung war es besonders schlimm, erinnert sich Christoph Lüdemann. Jeden Tag habe sein Vater ihn damals angerufen, manchmal mehrfach. "Für ihn war klar, wer sich impft, geht unter. Er dachte, man stirbt daran." sagt Lüdemann, ein Mann in seinen Zwanzigern, der im Großraum Nürnberg lebt und eigentlich anders heißt. Sein Vater hat sich im Zuge der Pandemie zu einem Verschwörungsideologen entwickelt. Er glaubt, die Regierung wolle die Kontrolle über die Bevölkerung erlangen, lehnt die Impfung strikt ab.

Thorsten Himmelrath, ein junger Mann, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, erlebt Ähnliches. Schon im April 2020 demonstriert sein Vater gegen die geplante Einführung der Maskenpflicht - aus Protest spannt er sich ein grobmaschiges Obstnetz vor Mund und Nase. Seitdem entfremden sich beide immer mehr voneinander, Diskussionen bleiben fruchtlos. "Ich versuche, meine Argumente logisch zu begründen, aber er kommt dann mit irgendwelchen Dingen, die überhaupt keinen Sinn ergeben", klagt Himmelrath.

Kein Vertrauen mehr in Medizin und Medien

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Es sind Erzählungen die nachdenklich machen und zeigen, wie die Bruchlinien, die die Pandemie und ihre Bekämpfung in der Gesellschaft erzeugt haben, mitten durch Familien gehen. Die Fronten verhärten sich, Familien entfernen sich voneinander. Es gibt viele Parallelen zwischen den Geschichten. Beide Väter leben getrennt von ihren Frauen, zweifeln schon länger an der Schulmedizin, haben kein Vertrauen mehr in klassische Medien. "Er holt sich die Informationen aus sozialen Netzwerken oder irgendwelchen Newslettern von alternativen Ärzten und Heilern", berichtet Lüdemann.

Solche Erzählungen kennt Pia Lamberty zuhauf. Die Sozialpsychologin befasst sich seit einigen Jahren wissenschaftlich mit Verschwörungsideologien. "Im Privaten ist viel zerbrochen durch die Pandemie und die Verschwörungserzählungen, die mit ihr einhergehen", weiß Lamberty. Krisen, sagt sie, wirken bisweilen als Katalysator für derartige Theorien.