Söder: "Für Bayern arbeiten zu dürfen, ist eine große Ehre"

17.3.2018, 06:00 Uhr

Erstmals an seinem neuen Arbeitsplatz: Markus Söder sitzt am Schreibtisch in der Münchner Staatskanzlei, umringt von Fotografen. "Aufgeregt" sei er vor der Wahl gewesen, sagt der Nürnberger im Interview. "Das steckt niemand so locker weg", so Söder. © Peter Kneffel/dpa

Herr Söder, wie fühlen Sie sich jetzt, wo Sie hier sind, an dem Ort, an den Sie seit vielen Jahren wollten?

Markus Söder: Erleichtert und dankbar. Erleichtert, dass wir als CSU die einzige Partei sind, die einen Generationswechsel mit Anstand bewältigt haben. Und dankbar, denn für Bayern arbeiten zu dürfen, ist aus meiner Sicht eine große Ehre. Ich weiß aber, dass ich das Vertrauen rechtfertigen muss durch harte Arbeit.

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Als Sie aus dem Wagen ausgestiegen sind, haben Sie einen kurzen Blick auf die Staatskanzlei geworfen. Sie wirkten beeindruckt.

Söder: Ach, ich war schon sehr oft in der Staatskanzlei, schon als junger Abgeordneter. Aber es ist ein besonderer Moment im Leben. Es war mir nicht in die Wiege gelegt, mal in diese Position zu kommen. Ich habe Respekt vor der Aufgabe und gebe zu, dass ich heute schon aufgeregt war. Das steckt niemand so locker weg. Wahrscheinlich werde ich erst viel später begreifen, was passiert ist. Wenn mich jemand als Ministerpräsident anspricht, dann suche ich immer noch nach Horst Seehofer.

Es gibt viele, auch in Ihrer Partei, die Sie für einen kühlen Technokraten halten. Die sagen, jetzt zieht nicht nur in Bayern wieder der Winter ein, sondern auch in der Staatskanzlei.

Söder: Ich habe in den vergangenen Jahren versucht zu beweisen, dass ich mit meiner Arbeit die Bandbreite dessen abdecken kann, was Bayern gut tut. Bayern steht vor der Herausforderung, zwei unterschiedliche Dinge zusammen zu bringen: Wir wollen an der Weltspitze bleiben, wenn es um moderne Technologien geht. Wer glaubt, er kann das Rad zurückdrehen, zwingt dem Land Stillstand und damit Rückschritt auf. Gleichzeitig müssen wir den Charakter des Landes erhalten, seine Liebenswürdigkeit, unsere Natur und die Vielfalt zwischen Altbayern, Schwaben und Franken. All das macht Bayern aus. Und darum werde ich mich auch in der Staatskanzlei kümmern.

Sie wollen die Menschen in der Mitte und rechts davon ansprechen und die CSU neu positionieren. Wie weit nach rechts in Richtung AfD werden Sie die CSU drängen?

Söder: Wir haben eine klare Meinung und Haltung. Wir glauben, dass Bayern ein liberal–konservatives Land ist. Wir wollen die bürgerlichen Kräfte bündeln. Das schließt alle potenzielle Wähler des bürgerlichen Lagers mit ein. Daneben kümmern wir uns auch um die demokratische Rechte. Wir werden die AfD deutlicher stellen. Manche ihrer Funktionäre sind auf dem Weg nach ganz weit rechts außen. Die Innenminister der Länder müssen sehr genau beobachten, was solche Funktionäre der AfD tun und sagen. Da darf es keine falsche Scheu geben. Auf der anderen Seite wollen wir aber Wählern, die sich unsicher fühlen, für die Identität und Zuwanderung eine ganz zentrale Rolle spielen, wieder mehr Heimat geben.

Bürgerlich ist ein schwammiger Begriff. Was verstehen Sie darunter?

Söder: Alles, was sich in der bürgerlichen Mitte bewegt und nicht links ist. So wie es die Herausforderung für Theo Waigel und Edmund Stoiber gewesen ist, die Republikaner zu bekämpfen, ist es heute die Aufgabe von Horst Seehofer und mir, die AfD zu stellen. Deshalb begrüße ich Seehofers harten Kurs in der Islam- und der Zuwanderungsfrage.

Seehofer erklärt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland; Sie wollen das Christentum in die Verfassung aufnehmen. Wo ist das weltoffene Bayern, für das Sie mal gestanden haben?

Söder: Ob wir im Herbst diese Frage zur Abstimmung stellen, müssen wir noch diskutieren. Unabhängig davon: Wir bleiben natürlich weltoffen. Bayern ist ein tolerantes Land mit Religionsfreiheit. Aber bei aller Weltoffenheit braucht es auch Identität. Ein Baum, der nach oben wächst, braucht ein tiefes Wurzelgeflecht. Das ist die christlich-abendländische Prägung mit jüdisch-humanistischen Wurzeln. Unsere Alltagskultur ist davon geprägt. Unsere Bürger wollen keine Kinderehen, keine Mehrfach-Ehen, und sie sind skeptisch gegenüber islamischen Feiertagen.

Sie grenzen ein und damit aus.

Söder: Nein, wir beschreiben unsere Identität. Das erwarten die Menschen von uns. Ein Land ohne Identität ist seelenlos. Geben wir sie auf, überlassen wir das Feld nur anderen, die mit eben diesen Sorgen und Ängsten operieren. Wir schreiben natürlich niemandem vor, ob und wie oft er in die Kirche gehen soll oder ob er überhaupt glaubt. Aber als Land halten wir an unserem christlich geprägten Kalender fest.

Das stellt niemand ernsthaft in Frage.

Söder: Gerade in Bayern haben wir seit 2015 starke Zuwanderung, die viele Fragen aufwirft. Wir werden deshalb auch jetzt aus Halbtags-Übergangsklassen Ganztags-Deutschklassen machen, damit diese jungen Menschen nicht nur unsere Sprache lernen, sondern auch unsere Kultur und Werte. Für mich ist dieses Thema sehr wichtig. Wir wollen, dass Integration gelingt und für alle ein Bildungserfolg sichergestellt ist. Wir werden uns um die Beschleunigung der Asylverfahren kümmern. Dazu gründen wir ein eigenes Landesamt für Asyl – eine Art BayernBAMF. Unser Ziel ist klar: Wer Anspruch auf Asyl hat, bekommt in unserem Land beste Startchancen. Wer rechtsstaatlich abgelehnt ist, muss in seine Heimat zurück. Horst Seehofer und ich werden einen sehr guten Doppelpass spielen.

Doppelpassspieler müssen sich blind aufeinander verlassen können. Sie und Seehofer haben seit Monaten kein Wort miteinander gewechselt.

Söder: Nein, das stimmt nicht. Horst Seehofer und ich wissen um die Verantwortung für Bayern und für die CSU. Wir haben das seit Dezember miteinander sehr gut gestaltet. Das heutige Ergebnis hat das gezeigt. Bei anderen Parteien ging es in den vergangenen Wochen ganz anders zur Sache. Wir haben den Generationswechsel mit Anstand, Stil und Würde geschafft.

Die Realität war eine andere.

Söder: Wäre es anders gewesen, hätten wir heute auch ein anderes Wahlergebnis bekommen. Wir haben viel an Versöhnung erreicht. Die jetzige Aufstellung passt gut mit Erfahrung und Kontinuität in Berlin und mit Erneuerung und Aufbruch in Bayern.

Werden Sie jetzt permanent miteinander telefonieren?

Söder: Das wird auf allen Ebenen laufen. Es wäre falsch, wenn wir als Staatsregierung Politik per se gegen Berlin betreiben würden. Wir sind in der Bundesregierung gut aufgestellt und müssen diese Wege nutzen, damit wir etwas erreichen für Bayern.

Werden Sie folglich häufiger nach Berlin fliegen?

Söder: Zum Bundesrat ja – sonst eher selten. Meine Aufgabe ist hier, ich brenne für Bayern. Ich will hier bei den Menschen im Land sein und werde meine ganze Kraft darauf konzentrieren. Für mich ist wichtig, dass wir Probleme nicht nur beschreiben, sondern auch etwas durchsetzen.

Sie haben maximal zehn Jahre Zeit. Welches Bayern soll am Ende stehen?

Söder: Wir haben drei große gesellschaftliche Herausforderungen: die Digitalisierung, die Zuwanderung und die Demografie. Auf sie müssen wir konzeptionell antworten. Wir müssen die Digitalisierung vorantreiben und für alle nutzbar machen. Das wird Milliarden kosten, aber wir sind auf einem guten Weg und haben schon 40 000 Kilometer Glasfaserkabel in Bayern verlegt. Bei der Zuwanderung müssen wir erreichen, dass wir die Zuwanderung begrenzen und sich die Menschen wirklich integrieren. Und drittens, da Bayern altert, müssen wir den Menschen ein Leben in Respekt und Würde ermöglichen. Das heißt also: Moderner werden, den Charakter des Landes erhalten und sich um die kümmern, denen es nicht so gut geht. Ich finde es übrigens bedauerlich, dass viele dieser Themen im Landtag strittig diskutiert werden.

Wie sollte das stattdessen gehen?

Söder: So, wie es in Nürnberg läuft. Ich habe mit Uli Maly einen sehr guten Draht. Wir helfen uns gegenseitig beim Umsetzen von Ideen zum Wohle Nürnbergs. Wir streiten nicht, sondern suchen immer nach Lösungen. Das halte ich auch für richtig.