Steigt nach dem Anschlag in Stockholm die Terrorgefahr in Deutschland?

12.12.2010, 15:30 Uhr

Als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 17. November öffentlich davor warnte, dass islamistische Extremisten bis Ende des Monates einen Terroranschlag in Deutschland verüben könnten, war der Schreck groß. Inzwischen ist der November vergangen und die öffentliche Aufregung wieder etwas abgeflaut. Der rheinland- pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) bezweifelte vergangene Woche gar, ob die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen noch gerechtfertigt sind.

De Maizière hat dies zurückgewiesen: Es dürfe keine Entwarnung geben. Wie recht er damit hatte, zeigte am Samstag der Terroranschlag in Stockholm, bei dem sich ein Selbstmordattentäter mitten im weihnachtlichen Einkaufstrubel in die Luft sprengte. Auch wenn das Bundesinnenministerium derzeit keinen Bezug zu Deutschland sieht - das Attentat folgt genau dem Muster, vor dem sich auch die deutschen Sicherheitsbehörden fürchten. Dennoch erhöhen die Behörden die Sicherheitsstufe in Deutschland nicht.

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Welche Orte gelten in Deutschland als besonders gefährdet?

Im Visier von Islamisten sind nach Erkenntnissen der Geheimdienste vor allem große Menschenansammlungen und Orte mit Symbolwert, die mit typisch westlichem Lebensstil in Verbindung gebracht werden. Experten fürchten, dass etwa Weihnachtsmärkte Zielscheibe sein könnten. Der Mainzer Innenminister Bruch erklärte im November, es gebe «konkrete Hinweise» auf Berlin, München und Hamburg, aber auch das Ruhrgebiet. Die USA befürchten laut Wikileaks, dass auch deutsche Unternehmen, deren Produkte wichtig für die nationale Sicherheit der USA sind, zum Ziel von Terroristen werden könnten.

Worauf gründet sich die Terrorwarnung in Deutschland?

US-Geheimdienste warnen seit Monaten, dass ein Terroranschlag in Deutschland bevorstehen könnte. Konkret wurden die Hinweise laut «Spiegel» Anfang November, als das FBI das Bundeskriminalamt vor einer schiitisch-indischen Gruppe warnte, die bereits ein Kommando in Marsch gesetzt habe. Die beiden Männer, ausgestattet mit Visa für den Schengen-Raum, sollten danach am 22. November in den Vereinigten Arabischen Emiraten ankommen und mit neuen Papieren nach Deutschland reisen. Mitte November soll sich zudem ein deutscher «Gotteskrieger» beim BKA gemeldet haben, der angeblich verschiedene potenzielle Ziele genannt hat, darunter auch den Reichstag.

Wie glaubwürdig sind die Quellen?

Das ist schwer abzuschätzen. Der «Gotteskrieger» will angeblich aus der Terrorszene aussteigen und nach Deutschland zu seiner Familie zurückkehren. Unter welchem Druck oder Einfluss er steht, ist unklar. Ähnlich ist es bei den Informationen der US-Ermittler. FBI und BKA halten die Hinweise auf die schiitisch-indischen Gruppe namens «Saif» («Schwert») laut «Spiegel» für bedeutsam, der US-Auslandsgeheimdienst CIA, der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz sind dagegen skeptisch.

Was tun Polizei und Sicherheitsbehörden?

Bundespolizisten patrouillieren mit Maschinenpistolen und Schutzwesten an Bahnhöfen und Flughäfen. Sie sind für den Fall eines Terrorangriffs angewiesen, sofort das Feuer zu erwidern. Kuppel und Dachterrasse des Reichstags wurden gesperrt, sind inzwischen aber für angemeldete Besucher wieder geöffnet. Die Schleierfahndung an den Grenzen wurde ausgeweitet. Laut «Focus» wurden alle Visa aus Afghanistan, Pakistan, Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Jemen überprüft, die seit dem 1. August ausgestellt wurden. Dabei sollen 30 Verdächtige aufgefallen sein, die genauer überprüft werden.

Was rät die Polizei den Bürgern?

Die Sicherheitsbehörden betonten, dass trotz der Terrorwarnung kein Grund zur Hysterie oder Panik bestehe. Die Polizei ruft die Bürger dazu auf, auf herrenlose Taschen oder Koffer zu achten, die auf öffentlichen Plätzen, in Bussen oder Bahnen stehen. «Fassen Sie verdächtige Gegenstände nicht an!», heißt es in einem Sicherheitshinweis der Berliner Polizei. «Treten Sie nicht von sich aus an die verdächtige Person heran! Handeln Sie nicht unüberlegt! Heldentum ist im Umgang mit terroristischer Bedrohung völlig fehl am Platze!»