Schützen-Bundestrainerin aus Ramsberg mit Hoffnung auf Olympia

10.11.2020, 08:10 Uhr

Frau Georgi, wie ist das Sportjahr für Sie als Bundestrainerin und für Ihren Kader mit den besten Pistolenschützen Deutschlands verlaufen?

Barbara Georgi: Wie in allen Sportarten so war auch bei uns das Sportjahr 2020 von Corona geprägt. Der letzte Wettkampf, den wir vor dem ersten Lockdown hatten, war die Luftdruck-Europameisterschaft Anfang März in Wroclaw. Bis Ende Juli herrschte ein genereller Stopp, zumindest durften die Stützpunkte aber schon früher ab Mitte Mai wieder anfangen. Ab August ging es dann wieder mit Lehrgängen los, im September und Oktober folgten Sichtungen, also kleinere nationale Wettkämpfe.

Schießen ist Leistungssport, da kann man sich längere Pausen eigentlich nicht leisten.

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Ja, das stimmt. Wir haben eine Mischung aus Amateuren und Profis, die beispielsweise im Polizeidienst oder Sportsoldaten sind. Die Sportlerinnen und Sportler haben die Zeit genutzt, um individuell viel Athletik zu machen. Auch das gehört zu unserem Sport, und wir haben hier Defizite gut aufgearbeitet. Auch das Training ohne scharfen Schuss und mit Trockenübungen war möglich.

Das geplante Highlight, die Olympischen Spiele in Tokio, fielen aber aus.

Ja, leider. Das war für unsere Schützen, die fast vier Jahre darauf hintrainiert hatten, natürlich ein kleiner Motivationsdämpfer. Wichtig war aber, dass die Spiele nur verlegt und nicht abgesagt wurden. Wir haben daran gearbeitet, dass sich alle wieder aufraffen. Das ist uns gut gelungen. Die Sportler, mit denen auch unsere Psychologin viel gesprochen hat, haben das gut weggesteckt. Wir versuchen es auch positiv zu sehen: Jetzt haben wir ein Jahr mehr Vorbereitungszeit.

Es könnte aber durchaus sein, dass die Spiele, die nun vom 23. Juli bis 8. August 2021 geplant sind, aufgrund der Pandemie erneut nicht stattfinden können.

Wenn wir Trainer schon mit wenn und vielleicht anfangen, dann wird es schwierig, die Sportler für das Training zu motivieren. Solange das Ereignis nicht abgesagt ist, gehen wir davon aus, dass es stattfindet. Wir bereiten uns mit 100 Prozent darauf vor, sonst würden wir den anderen Nationen hinterherhinken. Wir wollen auf jeden Fall fit sein für Olympia.

Sie waren beim Deutschen Schützenbund (DSB) 26 Jahre lang im Jugend- und Juniorenbereich tätig und sind inzwischen seit zwei Jahren für die Erwachsenen verantwortlich. Wo liegen für Sie die Unterschiede in der Arbeit?

Bei den Junioren hat man mehr an der Technik gefeilt und war außer Trainer auch Elternersatz, mal Krankenschwester oder Kummerkastentante und hat in vielen Bereichen des Lebens noch beratend zur Seite gestanden. Jetzt steht das Leistungstraining im Vordergrund. Erwachsene gehen vom Kopf her anders an die Sache heran, sie hinterfragen alles viel mehr und die Zusammenarbeit ist mehr auf Augenhöhe, da sie viel mehr Erfahrung haben, Zusammenhänge verstehen und einige Sportler zum Teil auch schon eine Trainerausbildung haben. Man steht auch ganz anders im Fokus: Es geht um wichtigere Wettkämpfe, auch sportpolitisch hat das einen anderen Stellenwert. Insgesamt hat die Arbeit eine höhere Wertigkeit. Nur ein Beispiel: Bei den Junioren gibt es einen Weltcup im Jahr, bei den Senioren sind es vier. Auch eine Jugendolympiade ist mit den olympischen Spielen in der Außenwirkung natürlich nicht zu vergleichen. Das ist bei den Erwachsenen natürlich auch zeitlich ein weitaus größerer Aufwand.

Was waren bislang für Sie die Höhepunkte als Bundestrainerin im Seniorenbereich?

Das waren vergangenes Jahr die Europaspiele in Minsk, wo wir vor allem mit der Sportpistole sehr erfolgreich waren. Auch meine ersten Europameisterschaften mit den Erwachsenen 2019 waren ein Höhepunkt, da die Regensburgerin Monika Karsch mit der Sportpistole ihren Europameistertitel verteidigt hat und wir bei den Frauen mit der Luftpistole und der Sportpistole Mannschaftseuropameister wurden.

Solche Highlights fehlten heuer, die Wettkämpfe sind weitgehend ausgefallen. Hatten Sie dadurch mehr Zeit für sich und Ihre Hobbys?

Das auf jeden Fall. Ich habe selbst viel Sport gemacht. Wir haben das Pferd meiner Tochter hergeholt und auf einem Hof bei Abenberg untergebracht. Wenn ich zum Reiten dorthin gefahren bin, habe ich das oft mit dem Fahrrad gemacht. Das sind 45 Kilometer hin und zurück – zum Glück habe ich ein E-Bike (lacht). Ich bin viel geradelt und habe bei uns am Haus auch ein kleines Fitnessstudio aufgebaut, in dem wir unter Einhaltung der Regeln mit den Nachbarn Sport und Aktivitäten gemacht haben.

Sie wohnen nur unweit der Ramsberger Badebucht. Wie haben Sie den Massenansturm im Sommer erlebt?

Wir waren manchmal komplett eingeparkt und konnten kaum noch rausgehen. So viele Autos habe ich in den zehn Jahren, in denen ich inzwischen hier lebe, noch nie in Ramsberg gesehen. So schlimm war es noch nie. Das galt aber vor allem an den Wochenenden. Wenn man hier wohnt, hat man allerdings den Vorteil, dass man die Hauptzeiten meiden und den See morgens und abends – wenn es ruhiger ist – genießen kann.

Sie waren in den vergangenen Jahren viele Wochen und Monate weltweit unterwegs. Haben Sie das Reisen vermisst?

Das war eigentlich meine schlimmste Befürchtung. Anfangs war es schwierig, alles aufrechtzuerhalten. Man wusste zum Beispiel nicht, ob der Weltcup stattfindet. Als alles abgesagt war, konnte ich aber ganz gut runterfahren und habe eine ganz neue Erfahrung gemacht, nämlich dass das Leben auch außer der Arbeit viel Besonderes zu bieten hat.

Wie hart trifft den Schießsport der erneute Lockdown, der im November den Zusatz "light" trägt?

Die Stützpunkte und Kader haben die Genehmigung, das Training weiterzuführen, für die Sportler ist es dennoch nicht einfach, das im Kopf wegzustecken. Wir haben die neue Saisonplanung gemacht, alles ist auf Olympia ausgerichtet. Auch sonst läuft derzeit vieles weiter. Wir haben zahlreiche Videokonferenzen mit dem Deutschen Schützenbund und auch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund. Nächste Woche treffen wir uns online mit dem Trainerrat. Auch mit den Sportlern gilt es intensiv über das neue Jahr zu sprechen. Das alles nimmt viel Zeit am Laptop in Anspruch, da sind viele Dinge zu besprechen, was man sonst bei Wettkämpfen oder Lehrgängen gemacht hat. Und den ganzen Tag am Laptop zu agieren und darüber die Gespräche zu führen, ist immer noch ungewohnt und ist eigentlich nicht das, weshalb ich Trainer geworden bin. Ich liebe den persönlichen Kontakt und die Arbeit am Sportler.

Was erwarten oder erhoffen Sie sich vom nächsten Jahr?

Ganz normal wird es so schnell nicht wieder werden. Ich hoffe aber auf ein halbwegs normales Jahr. Wir werden wieder im März mit der Luftdruck-Europameisterschaft starten, die diesmal in Finnland stattfindet. Danach folgen die Weltcups, und ich hoffe sehr, dass die Olympiade stattfindet. Unter welchen Umständen wird man sehen. Vielleicht gibt es Quarantäne-Maßnahmen oder die Wettkämpfe müssen ohne Publikum stattfinden. In unserer Sportart gibt es ohnehin kaum Besucher. Ein Zuschauerverbot wäre für uns folglich das kleinste Problem.

Zur Person

Barbara "Bärbel" Georgi ist seit Anfang der 1990er-Jahre für den Deutschen Schützenbund tätig. In den 26 Jahren im Juniorenbereich gewannen ihre Schützlinge rund 60 Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Seit zwei Jahren ist die 62-Jährige für die erwachsenen Pistolenschützen verantwortlich. Georgi stammt aus Sachsen und lebt seit zehn Jahren in Ramsberg.