50 Jahre LAC: Der Star, der in der Sauna schlief

23.6.2019, 21:00 Uhr

Die Sache mit Ben Johnson, sie war kurios. So wie viele der Geschichten, die sich um die Sportfeste des LAC Quelle drehen. Sie scheinen aus einer alten, anderen Zeit zu stammen. Als es möglich war, Weltklasse-Sportveranstaltungen auf die Beine zu stellen, ohne dass es fast ausschließlich darum zu gehen schien, einen neuen Schuh oder eine Limonade zu verkaufen. Vielleicht liegt das auch an der Leichtathletik. Daran, dass sie ein nahbarer Sport war und, mit Abstrichen, auch geblieben ist.

Ludwig Franz, einst Geschäftsführer beim LAC, erzählt die Geschichte mit Ben Johnson gerne. Es hatte ihn einige Anstrengungen, Telexe (Kurznachrichten per Fernschreiber) und Anrufe in Kanada gekostet, um den Olympia-Zweiten 1985 nach Fürth zu locken. "Anders ging es nicht, es gab noch keine E-Mails", erinnert er sich.

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Aber Johnson kam und lief in Dambach die 100 Meter. Weil er kurzfristig zu einem Wettkampf in Wien weiterreisen sollte, musste er zwei Nächte länger im Teamhotel bleiben. Nur war das nun ausgebucht. Also bot man Ben Johnson dort aus der Not heraus einen anderen Schlafplatz an. Und so kam es, dass Ben Johnson, das Muskelpaket, der Weltrekordler und spätere Dopingsünder, einmal zwei Nächte in einer Fürther Hotel-Sauna verbrachte.

Ein Hammerwurf in die Nieren

Im Jahr darauf kam Johnson wieder nach Fürth. Freundlich begrüßte er Ludwig Franz am Flughafen. Und sagte: "Es ist alles okay – aber bitte nicht wieder die Sauna."

Auch wenn manchmal improvisiert werden musste – die Stars sind gerne nach Fürth gekommen. Die Bahn war schnell, die Atmosphäre familiär – aber die Bedingungen in Dambach kamen irgendwann an ihre Grenzen. "Es gab keine Tribüne, keine Lautsprecheranlage, es war wenig Platz", erinnert sich Bertram Böhm, ehemaliger LAC-Vorstand. Einmal traf der Griff des Hammers eines Hammerwerfers einen Zuschauer auf der Gegengerade in die Nieren.

Die Organisatoren hatten zwar extra einen Schutzzaun gebaut. Aber sie hatten sich, ganz nach der Anmeldeliste, nur auf solche vorbereitet, die mit rechts abwerfen. Ein italienischer Athlet, der sich kurzfristig angemeldet hatte, warf aber mit links. "Man hat gemerkt, der Platz war irgendwann nicht mehr geeignet", sagt Böhm. 1987 fand das letzte Sportfest in Dambach statt.

Der Wendepunkt ist die 25-Jahr-Feier des LAC – vor nun genau 25 Jahren. Der Vorstand beschließt für das Jahr 1994: "Wir müssen etwas Gescheites machen", erinnert sich Ludwig Franz. Als gescheit empfindet man das Nürnberger Frankenstadion mit seiner Laufbahn und den vielen Zuschauerplätzen.

In Fürth sind viele nicht begeistert, dass das Sportfest, das so sehr in Dambach zuhause war, ausgerechnet in die Nachbarstadt ziehen soll. "Es gab viel Widerstand", erinnert sich Franz. Am Ende war der Umzug aufgrund der Bedingungen in Dambach aber plausibel zu erklären.

Ein Name, der zu den 90ern passt

Doch auch im Frankenstadion ist viel Improvisationstalent gefragt. Wo kriegt man Hürden her? Wie repariert man die Kunststoffbahn, die durch das Feuerwerk feiernder Fußballfans Schaden genommen hat?

In Nürnberg bekommt das Sportfest einen neuen, den 90er Jahren angepassten Namen: Live. Und ein anderes Konzept: "Wir haben die besten Deutschen gegen drei, vier internationale Top-Athleten antreten lassen", erklärt Franz. Andreas Michalek vom LAC hat gute Kontakte zu den internationalen Stars.

Und so entwickeln sich die Live-Sportfeste zu einem der Top-Meetings in Europa. Der Zuspruch ist groß: 1997 kommen 23 000 Zuschauer ins Frankenstadion. Die Veranstaltung ist kurz und knackig gehalten, sie dauert zwei bis zweieinhalb Stunden. "Es ging Schlag auf Schlag mit den Top-Athleten. Für die Zuschauer war das hochattraktiv", sagt Franz. Das ZDF überträgt live, bis zu 1,5 Millionen Menschen schauen am Fernseher zu, wie sich John Akii-Bua, Donovan Bailey, Linford Christie, Haile Gebrselassie oder Dieter Baumann im Frankenstadion messen.

In der Sauna muss niemand übernachten, bis zu zwei Millionen D-Mark beträgt in den Hochzeiten das Budget für die Live-Meetings. Die Hälfte geht an die Athleten. Die Quelle schießt nur anfangs Geld zu, dann tragen sich die Veranstaltungen.

Die Quelle stirbt

2001 kommt das Ende. Sponsoren steigen aus, eine Änderung bei der Besteuerung von Athletengagen lässt deutschlandweit ein Meeting-Sterben einsetzen. Und die Quelle stirbt. Ohne hauptamtliche Mitarbeiter lässt sich eine Veranstaltung wie Live vom LAC nicht mehr stemmen.

2016 gibt es noch ein Sportfest, das der LAC mitorganisiert. Auch zum Adidas Boost Meeting in Herzogenaurach kommen Stars wie Yohan Blake. Auf dem kleinen Adi-Dassler-Sportplatz zeigt sich die Leichtathletik nahbar wie eh und je.

Eigentlich soll das Treffen jedes Jahr stattfinden. Doch dann gibt es bei den Initiatoren von Adidas einen personellen Wechsel, dem Konzern schwebt vor, das Meeting lieber in Paris als "internationale Marke" auszubauen. Die alte, andere Zeit – sie ist wohl vorbei.