Anne Haugs gelungene Metamorphose zum Vollprofi

25.7.2012, 07:00 Uhr

Auf dem Rad verlassen die 55 Frauen vorübergehend den Hyde Park, dann geht die Runde sogar amBuckingham Palast vorbei, wenn sich die Athletinnen über die olympische Kurzdistanz messen. Anne Haug ist neben Svenja Bazlen (Freiburg) und Anja Dittmer (Neubrandenburg) die dritte deutsche Athletin. Nur drei Aktive sind pro Land zugelassen. Anne Haug hat das Olympia-Ticket in der dritten und letzten Nominierungsrunde vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erhalten.

Die Erlanger Triathletin hatte sich Ende Mai mit ihrem vierten Platz bei der WM-Serie in Madrid das Startrecht gesichert. Sie selbst hatte damit gar nicht gerechnet. „Selbst letztes Jahr, meiner ersten Profisaison und Premiere in der WM-Serie, war Olympia nicht mehr als der größte Traum eines jeden Sportlers“, schrieb sie auf ihrer Homepage. „Obwohl es für viele unrealistisch ausgesehen haben mag, hatte ich doch eine ganz tiefe Hoffnung in mir, die mich angetrieben hat, alles diesem Ziel unterzuordnen. Ich habe alles riskiert und habe nun das unglaubliche Glück, dass es aufgegangen ist.“

Es habe einfach alles gepasst. „Mein neuer Trainer (der Australier Darren Smith, Anmerkung der Redaktion) und meine super Trainingsgruppe haben mir die erhoffte Verbesserung im Schwimmen und die Metamorphose zum ,Vollprofi‘ gebracht“, meint Haug, die sich ein Jahr lang in Australien vorbereitet hatte. „Ich war weder krank noch verletzt. Habe mit Psychologen, Mentaltrainern, Ernährungsberatern, Physiotherapeuten, Masseuren, Osteopathen und Ärzten zusammengearbeitet und an jeder möglichen Schraube gedreht, um wirklich alles optimal zu gestalten.“ Diese Schrauben kennt Anne Haug selbst ganz gut, schließlich hat sie an der Technischen Universität München Sportwissenschaften studiert.

Akribisch bereitete sich Haug auf Olympia vor. Nur für den Hamburger Triathlon als letzten Härtetest ist sie aus dem Trainingslager im schweizerischen Davos nach Deutschland gereist. Ansonsten wird sie hermetisch abgeschirmt, um sich auf den Wettkampf ihres Lebens konzentrieren zu können. Für ihren Traum kann sie natürlich am Tag nach dem Olympia-Rennen nicht am traditionellen Erlanger Kurz- und Mitteldistanztriathlon teilnehmen.

Beim TV 48 ist

man richtig stolz

Gesprächsthema Nummer eins wird sie auf dem Vereinsgelände des TV 48 Erlangen am 5.August dennoch sein. „Wir sind stolz auf sie“, meint der langjährige Abteilungsleiter Heinz Rüger. Unter anderem dank ihr wurden die Erlanger Bundesliga-Frauen deutscher Meister. Für diese Saison haben sie allerdings ihr Bundesliga-Startrecht zurückgegeben.

Ein leichtes Unterfangen war die Qualifikation für Anne Haug nicht: Nur dank einer eindrucksvollen Aufholjagd hat sich die gebürtige Bayreutherin das Ticket gesichert. Erst beim vierten Rennen der WM-Serie 2012 in Madrid erfüllte sie nach zweimal Platz sieben in Sydney und San Diego als Viertplatzierte die Norm der Deutschen Triathlon Union (DTU). Nach dem Schwimmen hatte es auch in Madrid ganz und gar nicht nach einem erfolgreichen Rennen ausgesehen: Als 54. hatte Haug mit einem Rückstand von 1:17 Minuten auf die Spitze den See im Casa de Campo Parc nach 1,5km Schwimmen verlassen. Mit einer Energieleistung kämpfte sich die 29-Jährige, die in Bayreuth und München wohnt, auf dem Rad auf 40 km durch das Feld.

Auf der Laufstrecke setzte sie sich in der Spitzengruppe fest. Das hohe Tempo der Führenden ließ die Gruppe sukzessive kleiner werden, und auf den letzten Metern musste Anne Haug im Kampf um die Podestplätze Nicola Spirig (Chile), Aileen Morrison (Irland) und Barbara Riveros Diaz (Chile) ziehen lassen. Doch nach 2:06:42 Stunden Rennzeit waren die acht Sekunden Rückstand auf die Siegerin nur eine Randnotiz für Haug, da der Traum von den Olympischen Spielen in Erfüllung gegangen war. „Ich kann es nicht fassen. Ich bin überglücklich, das ist der Lohn für fünf Jahre Arbeit“, sagte sie, und DTU-Sportdirektor Wolfgang Thiel lobte: „Das war sensationell, vor Anne Haug müsste ich schon zwei Hüte ziehen, das war eine sensationelle Leistung.“

Und der Lohn für viele Stunden harter Arbeit. Regelrecht spartanisch hat Haug im vergangenen Jahr in Australien gelebt. Für ein winziges Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Canberra habe sie stattliche 900 Euro Miete bezahlt. „Zum Glück unterstützen mich meine Eltern finanziell, sonst hätte ich mir das Jahr in Australien nicht leisten können“, sagte sie im Interview mit dem Fachportal „triathlon.de“. „Mein Freund hat sich sogar Urlaub genommen, um mich begleiten zu können.“

Auch wenn Anne Haug bereits Mixed-Weltmeisterin im Indiaca, bayerische Team-Vizemeisterin im Badminton, deutsche Duathlon-Meisterin 2008 und 2009 und deutsche Team-Meisterin im Triathlon im vergangenen Jahr ist: Die Olympischen Spiele in London werden zweifellos ihr Karrierehöhepunkt sein. Ganz egal auf welchem Platz die Athletin des TV 48 Erlangen am Ende dann

landet.

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