Aus Fehlern gelernt: Warum es beim Kleeblatt so gut läuft

13.10.2018, 08:02 Uhr

Der 10. August war ein vergleichsweise kühler Tag, der heiße Sommer war gerade abgeflaut. Die SpVgg Greuther Fürth war zu ihrem ersten Auswärtsspiel der Saison zum FC Ingolstadt gereist - und es passierte Bemerkenswertes. In den ersten 35 Minuten hätten die Gastgeber, denen viele zutrauten den Bundesliga-Absteigern aus Hamburg und Köln Konkurrenz zu machen, vier Tore schießen müssen - doch sie trafen nicht. Der schwammige Auftritt der Fürther erinnerte dagegen an die Vorsaison, als sie erst am letzten Spieltag den Klassenverbleib schafften.

Zwei Monate nach jenen 35 Minuten sieht es in der Tabelle der 2. Fußball-Bundesliga so aus: Der FC Ingolstadt ist mit fünf Punkten Letzter, das Kleeblatt mit 16 Punkten Vierter. Was ist passiert? Die Spurensuche beginnt an jenem Sommerabend in Ingolstadt - aber eigentlich noch viel früher.

Werbung
Werbung

Ein Plan B in der Hinterhand: Als die Fürther beim FCI wieder aus der Kabine kommen, macht sich an der Seitenlinie ein schlaksiger Rotschopf bereit. Trainer Damir Buric wechselt Tobias Mohr, vor der Saison aus der Regionalliga gekommen, ein. Der sorgt für ein lebendigeres Offensivspiel, während der ins Zentrum gerückte Sebastian Ernst Stabilität schafft. Mit diesem Plan B, inzwischen zu Plan A geworden, findet Fürth ins Spiel. Im bislang letzten Saisonspiel gegen Regensburg läuft es ähnlich: Nach einer schwachen ersten Hälfte bringt Buric den robusten Shawn Parker im Angriff, der gegen die hochgewachsenen Regensburger Verteidiger besser zurechtkommt.

Alte Fehler korrigiert: Möglich sind solche Planänderungen dank eines breiteren Kaders. In der vergangenen Saison gab es wenig Impulse von der Bank. Es war eine der zentralen Aufgaben, die der erst im November zum Kleeblatt zurückgekehrte Sport-Geschäftsführer Rachid Azzouzi im Sommer angehen musste: für jede Position einen vernünftigen Backup zu finden und die Offensive variabler zu machen. Vor allem bei den Außenverteidigern herrschte Mangel. Mit Mohr (Linksverteidiger) und Maximilian Sauer (Rechtsverteidiger) ist das nun anders. Weder der Ausfall von Maximilian Wittek noch der von Roberto Hilbert fielen entscheidend ins Gewicht. Dazu kommt: Abgesehen von Khaled Narey hat kein echter Leistungsträger die Fürther verlassen.

Eine klare Spielidee: Das Kleeblatt überlässt gerne dem Gegner den Ball (im Schnitt nur 44 Prozent Ballbesitz), kommt aber trotzdem bei eigenen Angriffen bislang sehr effektiv vors Tor. 14,22 Torschüsse pro Partie sind ein Top-Wert in der 2. Liga. Diesen Grundansatz zieht Fürth häufig mit großer Geduld durch. Von 13 Fürther Treffern fielen zwölf erst in der zweiten Halbzeit. Stark ist das Kleeblatt in den ersten zehn Minuten nach der Pause (sechs Tore), wenn es den Gegner teils mit neuen Impulsen überrumpelt. Oder in den letzten zwölf Minuten (sechs Tore), wenn der Gegner selbst ins Risiko geht.

Eine neue Offensive: Denn sowohl offene Räume als auch Fehler bestraft das Kleeblatt gerne. Schnell und technisch stark sind alle Offensivspieler. Doch vor allem die Effektivität ist neu. Musste Buric in der vergangenen Spielzeit noch improvisieren, hat er nun Profis zur Verfügung, die in sein System passen: An gleich zwölf von 13 Saisontoren waren die Neuzugänge Mohr (zwei Tore, zwei Vorlagen), David Atanga (ein Tor, vier Vorlagen) und Daniel Keita-Ruel (sechs Tore) beteiligt. Statt auf große Namen achtete Azzouzi bei den Transfers auf etwas anderes: "Wir wollten Spieler, die gierig sind und weiterkommen wollen."

Wieder gewonnene Leidenschaft: Buric ist voll des Lobes: "Wir haben sehr viel nachgedacht im Sommer. Unserer Führungsetage hat eine hohe Fußballfachkompetenz und gut analysiert, was die Mannschaft braucht. Die Verstärkungen haben uns als Spieler und als Persönlichkeiten geholfen." Stürmer Keita-Ruel, der unermüdlich in der Defensive aushilft, ist ein Beispiel für ein leidenschaftlicheres Team, in dem sich neben Kapitän Marco Caligiuri in der Abstiegskampf-Saison mit Torwart Sascha Burchert und Wittek weitere Führungsfiguren entwickelt haben.

Eine eingespielte Abwehr: Die Viererkette ist gut aufeinander eingestellt, mit Ausnahme von Maximilian Bauer hat sie schon in der vergangenen Saison zusammengespielt. Der seinerzeit noch von Verletzungen zurückgeworfene Richard Magyar hat sich zu einem stabilen Vertreter von Caligiuri entwickelt, auch Burchert spielt bislang eine starke Saison. Das Resultat: Nur acht Gegentore, der zweitbeste Wert der Liga. Grundsätzlich ändert Buric nur sehr sorgsam etwas an Startaufstellung und Grundsystem: Stabilität steht im Vordergrund.

Der Mahner auf der Bank: Niemand mahnt mehr als der Trainer: "Jetzt sind wir in einer richtig guten Verfassung, aber nach der Länderspielpause erwarten uns sechs Auswärtsspiele. Das wird eine schwere Situation, die noch vor uns liegt." Buric und Azzouzi schließen die vergangene Saison ausdrücklich in die Entwicklung mit ein. "Wir sind ruhig geblieben", sagt der Sport-Geschäftsführer: "Dem Trainer kommt ein Hauptanteil zu, er hat beharrlich weitergearbeitet und lebt die Philosophie des Vereins mit."

Langfristig geht es in Fürth darum, wieder etwas aufzubauen, das an die Zeit vor 2012 anknüpfen kann. "Wir sind noch nicht da, wo ich es mir vorstelle", sagt Rachid Azzouzi: "Es ist ein Prozess, diese Stabilität wieder hinzubekommen. Als Mannschaft haben wir sie, als Verein noch nicht."