Außenseiterrolle? Anja Ruff kennt das beim Kleeblatt nicht

8.3.2019, 16:00 Uhr

"Ich finde, Inhalt und Qualität der Arbeit sind wichtig und nicht das Geschlecht", sagt Anja Ruff von der SpVgg. © Foto: Tim Händel/Bildbearbeitung: Harald Weiß

 Frauen im Männer-Profifußball, noch dazu in leitenden Positionen? Gab es lange kaum. Doch auch diese Branche beginnt, sich zu öffnen, wenn auch langsam.  

Frau Ruff, spielen Sie Fußball?

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Ruff: Nein. Ich muss zugeben, ich habe eher andere Talente (lacht). Fußball habe ich nie gespielt, mein Ding war eher Basketball.

 

Die Frage zielt natürlich darauf ab: Profi-Fußball gilt als sehr abgeschottete Welt. Dort arbeiten hauptsächlich Männer, und viele davon haben früher selbst Fußball gespielt. Sie sind also eine doppelte Außenseiterin.

Ruff: Wenn man es so bezeichnen will. Ich bin seit 2007 bei der Spielvereinigung und habe mich nie in einer Außenseiterrolle gefühlt. Es kommt auch immer darauf an, wie man sich selbst verhält. Für mich sind Frauen im Fußball kein groß zu diskutierendes Thema. Ich finde Inhalt und Qualität der Arbeit sind wichtig und nicht das Geschlecht.

 

Das heißt, das mit der abgeschotteten Welt ist nur ein Klischee?

Ruff: Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann kann man das natürlich so bestätigen. Es ist Fakt, dass relativ wenige Frauen vor allem in Führungspositionen vertreten sind.

 

Nur 3,7 Prozent im europäischen Fussball.

Ruff: Das stimmt. Aber ich erlebe, dass auch der Profifußball sich Frauen nach und nach öffnet. In beiden Bundesligen gibt es einige Frauen in der Team-Management-Funktion. Die Bayern haben zum Beispiel schon länger Kathleen Krüger, die früher selbst Fußball gespielt hat. Vielleicht sind die Kolleginnen öffentlich nicht so stark wahrnehmbar, da sie als Team-Managerinnen eher im Hintergrund arbeiten.

 

Wie sind Sie selbst in diese Fußball-Welt gekommen?

Ruff: Ich bin gebürtige Fürtherin und war lange Zeit mit Dauerkarte im Stadion. Ich habe nach dem Abi ein Praktikum bei der Spielvereinigung gemacht, da war sie noch wesentlich kleiner als heute. Es gab nur zehn Angestellte, Rachid (Azzouzi, Anm. d. Red.) war damals Teammanager. Ich habe dann eine Ausbildung als Kauffrau für Bürokommunikation an das Praktikum angeschlossen.

Warum sind Sie dabei geblieben?

Ruff: Für mich war das eine tolle Möglichkeit, dass sich diese Türen in den Profifußball für mich öffnen. Ursprünglich wollte ich noch studieren, jetzt habe ich parallel zum Beruf am Kleeblatt-Campus einen Bachelor in Business Administration gemacht. Und auch da war auffällig, dass viele Frauen diesen Studiengang mit hohem Sport- und Fußballbezug wählen.

 

Es ändert sich also etwas?

Ruff: Ich empfinde es schon so. Bei der Spielvereinigung haben wir in nahezu jeder Abteilung eine Frau. Geschätzt sind es mittlerweile rund 30 Prozent. Aber es ist firmenintern kein großes Thema, weil es normal ist. Ich wurde deswegen nie bevorzugt oder benachteiligt.

Ist es nicht auch wieder typisch, dass Frauen eher im Hintergrund arbeiten, statt öffentlich den Ton anzugeben?

Ruff: Das Wichtigste ist, dass man sich in seiner Rolle wohlfühlt. Es gibt Menschen, die sind eher Alphatiere und stehen gerne an der Spitze. Und es gibt solche, die ihre Aufgaben im Hintergrund erledigen. Ich denke nicht, dass das eine Geschlechterfrage ist, sondern eher eine Charakterfrage.

 

Wie muss man sich denn die Arbeit einer Team-Managerin vorstellen?

Ruff: Meine Kollegin Nadine Mikolajetz, ein Trainee und ich sind zuständig für die operative Betreuung von Spielern, Trainern und dem ganzen Funktionsteam. Es herrscht das Vorurteil, dass wir den Jungs alles hinterhertragen. Aber so ist das nicht. Die Bürotür steht immer offen. Aber es wird den Jungs nicht alles abgenommen.

 

Mit welchen Anliegen kommen die Spieler?

Ruff: Integration ist ein großes Thema. Von 18 bis 35 Jahren hat man im Team einen Querschnitt an Alterstufen und je nachdem haben die auch andere Themen. Der 18-Jährige ist vielleicht das erste Mal weg von zuhause und hat ganz einfache Fragen zum Leben. Zum Beispiel: Könnt ihr mal den Mietvertrag anschauen? Da nimmt man fast eine mütterliche oder väterliche Rolle ein.

 

Also vielleicht kein Zufall, dass viele Frauen Team-Managerinnen sind?

Ruff: Das kann sein. Viel ist organisatorischer Natur. Wir sind für die Reise- und Eventplanung zuständig, wir kümmern uns um die komplette Trainingslagerorganisation, um Reisen zum Auswärtsspiel. Wir planen jeden Schritt und Tritt der Mannschaft. Wir sind die Schnittstelle zwischen Geschäftsstelle und Lizenzbereich. Marketing- und Sponsorentermine werden mit uns abgestimmt. Wir organisieren Gastspieler, Teambuildings und Teamveranstaltungen.

 

Ein sehr weites Themenfeld.

Ruff: Das ist noch nicht alles. Bei mir persönlich liegt noch das Spieler- und Transferwesen, mit Rachid Azzouzi und Dirk Weißert zusammen kümmere ich mich um die vertragliche Umsetzung und um die Kommunikation mit FIFA, DFL oder DFB, aber auch das Organisieren von Transfers von der Angebotserstellung bis zum Vertragsschluss. Nadine macht noch die Scouting-Organisation und unterstützt dabei viel die sportliche Leitung.

 

Klingt nach einem sehr zeitaufwendigen Job.

Ruff: Das allemal. Aber das ist im Fußball allgemein so, dass es keinen Job mit 40 Wochenstunden gibt, bei dem man pünktlich den Stift fallen lässt. Dafür ist der Job vielschichtig. Für mich ist das interessant, weil man viel mitnehmen kann und ein sehr breit gefächertes Aufgabenfeld hat.

 

Müssen Sie viel kommunizieren und vermitteln?

Ruff: Man versucht, alle auf einen Nenner zu bringen. Neben dem Organisatorischen geht es auch um Aufklärung für die verschiedenen Bereiche im Unternehmen. Der Spieler muss zum Beispiel verinnerlichen, was für den Verein wichtig ist, die Geschäftsstelle muss die Belange des Teams verstehen. Da sind wir sicher die Zwischenstelle, die aufklärt und die verschiedenen Geschäftseinheiten zusammenbringt.

 

Also eher kein Job für ein Alphatier, das sich in den Vordergrund drängt?

Ruff: Man muss sicher sehr teamfähig, kommunikativ und sehr organisiert sein. Wobei der Job des Teammanagers in jedem Verein mit anderen Inhalten gefüllt wird – das reicht vom klassischen Zeugwart bis zu Führungskräften.

 

Müssen Sie manchmal die Ellenbogen ausfahren?

Ruff: Nicht bewusst. Ich sage klar heraus, was ich denke. Das wird geschätzt und damit wird man als Person akzeptiert. Das hat nichts mit Ellenbogen zu tun, sondern mit Klarheit und Offenheit.

 

Haben Sie in Ihrer Zeit im Profifußball negative Erfahrungen gemacht?

Ruff: Nein, blöde Sprüche oder Bemerkungen sind mir tatsächlich noch nicht untergekommen. Es mag sein, dass man als Frau etwas mehr auffällt, zum Beispiel als einzige Dame im Kollegenkreis bei Auswärtsspielen. Aber ich möchte kein Alleinstellungsmerkmal haben, ich bin ein Teammitglied wie jedes andere auch.

 

Vielleicht sind manche Spieler ja sogar froh, mit einer Frau zusammenarbeiten zu können?

Ruff: Ich hatte nie das Gefühl, dass die Jungs Berührungsängste haben. Vielleicht gibt es sogar Themen, bei denen man sich bei einer Frau besser aufgehoben fühlt, weil man da unter Männern vielleicht nicht so viel zugeben will. Wir haben wirklich ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Die Zusammenarbeit ist immer respektvoll und auf Augenhöhe.

 

Wie würde der Profifußball davon profitieren, sich auf Funktionärsebene mehr für Frauen zu öffnen?

Ruff: Gleichberechtigung zielt ja auf vieles ab, nicht nur auf das Geschlecht. Ich finde, eigentlich sollte die Gesellschaft so offen sein, dass jede Art von divers akzeptiert wird. Denn diverse Teams arbeiten erfolgreicher als einseitig besetzte. Das ist erwiesen.

 

Würde eine Frauenquote helfen?

Ruff: Meiner Ansicht nach müssen sich beide Seiten öffnen. Zum einen muss es Frauen geben, die diese Rollen gerne einnehmen. Zum anderen muss die Branche eine Offenheit für Frauen im Fußball zeigen. Quoten kann man viele einführen, besser wäre es aber, sie würde sich auf Basis der Inhalte automatisch und ohne Vorgabe entwickeln.

 

Und dann wäre es irgendwann vorstellbar, dass der FC Bayern eine Trainerin hat oder Borussia Dortmund eine Präsidentin?

Ruff: Das wäre doch gut, wenn sie die Inhalte so ausfüllen können, wie es notwendig ist. Warum nicht?