Die Nationalmannschaft "schlug" Amerika

22.6.2011, 23:34 Uhr

NZ: Sie haben zahlreiche Lehrgänge vor der WM absolviert – wann setzt eigentlich das große Kribbeln ein?
Nadine Angerer: Wir sind im Wettkampfstatus, der Lehrgang steht ja auch unter dem Motto „Verfeinerung“. Das heißt, wir gehen mehr und mehr in die Wettkampfsituation, von daher steigt natürlich auch das Kribbeln.

((Platzhalter))NZ: Sie haben Welt- und Europameisterschaften sowie Olympische Spiele mitgemacht – gibt es da Unterschiede?
Angerer: Generell ist natürlich jedes Turnier eine große Herausforderung, aber ich habe meine eigene Prioritätenliste. Ganz oben steht da eine WM, danach kommt eine Europameisterschaft und dann die Olympischen Spiele. Olympia finde ich nicht so spannend, obwohl es immer heißt, es ist für jeden Sportler ein Traum, da teilzunehmen. Mir kommt es manchmal vor wie ein ganz normales Turnier, weil wir mit den Olympischen Spielen an sich nichts zu tun haben. Wir würden 2012, glaube ich, auch in Wales und in Schottland spielen – da bekommt man von Olympia nicht soviel mit. Bei den vergangenen Olympischen Spielen waren wir außerhalb von Peking, von daher haben wir von dem olympischen Flair recht wenig erlebt. Bei einer WM ist der Fokus komplett auf uns gerichtet, da wird unsere Sportart präsentiert, und von daher ist das meine absolute Nummer eins in der Prioritätenliste.

NZ: Die Mannschaft hat mit dem DFB eine Siegprämie von 60000 Euro ausgehandelt – ist das als Motivation nötig?
Angerer: Nein. Geld ist natürlich wichtig, haben wir uns auch verdient, aber viel wichtiger finde ich, das Unmögliche zu schaffen: Das heißt, dreimal hintereinander Weltmeister zu werden. Glücklicherweise ist die WM in Deutschland, denn das ist die einzige Chance, das nochmal zu schaffen, weil wir die Fans im Rücken haben, die wie eine Wand hinter uns stehen, die uns puschen oder auch in schwächeren Phasen mal unterstützen – das werden wir brauchen, denn jede Mannschaft, die gegen uns antreten wird, wird 150 Prozent geben.

NZ: In Herzogenaurach haben Sie bei der Pressekonferenz gesagt, dass dieses eine Jahr, das Sie beim 1. FC Nürnberg gespielt haben, nicht ganz so glücklich gelaufen ist. Inwiefern?
Angerer: Nö, überhaupt nicht. Das hat keinen Spaß gemacht, ich saß da auf der Bank, da war alles noch ziemlich unprofessionell – ich habe 1995/96 dort gespielt, das ist schon ein bisschen her. Und in dem Jahr habe ich mich als Wasserträgerin ganz gut gemacht, aber weiterentwickelt habe ich mich da nicht.

NZ: Aber Sie kommen immer wieder mal nach Nürnberg, um hier mit Michael Fuchs, dem Torwarttrainer der Frauen-Nationalmannschaft, zu trainieren?
Angerer: Genau.

NZ: Beschränken sich diese Besuche dann rein aufs Training, oder kommen Sie auch mal in die Stadt?
Angerer: Nein, ich fahre jede zweite Woche mittwochs nach Nürnberg, um mit Mix zu trainieren. Da trainieren wir, gehen in der Mittagspause was essen, und das war´s dann auch. Von der Stadt kenne ich leider gar nicht soviel.

NZ: Sie haben in dieser Zeit damals auch das Angebot eines US-Colleges abgelehnt – warum?
Angerer: Ich wollte mich erst einmal in Deutschland etablieren. Ich stand damals am Anfang meiner Karriere, und um nicht aus dem Fokus zu geraten, bin ich erst mal hier geblieben und habe hier alles auf eine Karte gesetzt – und das hat sich auch rentiert.

NZ: Später, nach der WM 2007, haben Sie versucht rüberzugehen – das hat aber nicht geklappt?
Angerer: Es hätte schon geklappt, die Sache war nur die – ich hatte vier Angebote, war zu dem Zeitpunkt Nummer eins, hätte aber nicht an allen Lehrgängen zur Vorbereitung auf die EM teilnehmen können. Als Nummer eins hat man nunmal eine andere Verantwortung. Man muss eingespielt sein mit der Mannschaft, und deswegen habe ich mich wieder mal dagegen entschieden, weil ich bei der Mannschaft sein wollte.

NZ: Aber der Traum besteht noch, irgendwann zum Ausklang der Karriere vielleicht doch noch rüberzugehen?
Angerer: Ja, ich würde gerne nochmal im Ausland spielen. Da gibt es verschiedene Optionen – in Schweden war ich schon. Das würde ich, Stand heute, ausschließen. Interessant fände ich es, mal in Australien, England oder den USA zu spielen.

NZ: Wie waren denn die Erfahrungen in Schweden bei Djurgarden?
Angerer: Super! Das war eine wunderbare Erfahrung, aber ich habe schon mal in Schweden gespielt und würde gerne in ein anderes Land gehen. In Schweden habe ich nur positive Eindrücke gesammelt, und diese Zeit möchte ich keine Sekunde missen.

NZ: Sie sagen von sich, multikulti-mäßig aufgewachsen zu sein, fühlen sich nicht als Fränkin, sondern als Weltbürgerin – wie ist das zu verstehen?
Angerer: Meine Oma ist Holländerin, mein Vater Italiener, und generell finde ich es blöd zu sagen, ich komme aus Franken oder aus Bayern oder Deutschland. Ich finde das ein bisschen übertrieben. Heimatverbunden zu sein ist das eine, gut und schön, aber mir ist es wichtig, in diesem Punkt meine Offenheit zu bewahren.

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NZ: Eine Frage, die momentan in jedem Interview gestellt wird, ist die danach, dass Sie bei der letzten WM einen neuen Rekord aufgestellt haben und ohne Gegentor geblieben sind. Das ist nicht mehr zu toppen – schafft so etwas auch Druck?
Angerer: Natürlich. Die Frage muss ich in jedem Interview beantworten – bin ich auch selbst dran schuld (lacht). Das wird nicht mehr zu toppen sein, wird auch nicht mehr passieren. Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut, gar keine Frage. Aber – auch wenn es ein Standardspruch ist – ich würde auf alle individuellen Auszeichnungen verzichten, wenn wir dadurch Weltmeister werden.

NZ: Im Vorfeld der WM herrscht ein Riesenandrang seitens der Medien, die jetzt auf das Thema Frauenfußball einsteigen – wiederholt sich da vieles, was Sie schon für abgehakt gehalten hatten? Zum Beispiel die Frage nach dem Kaffeegeschirr als Prämie …
Angerer: Genau! Generell finde ich es gut, wenn viele Medien das Thema Frauenfußball aufnehmen, klar, freut mich. Ich bin auch bereit, Aufklärungsarbeit zu leisten, aber wenn es um ganz offensichtliche Dinge wie zum 150. Mal Kaffeeservice und zum 150. Mal Vergleich mit dem Männerfußball geht, dann kapituliere ich auch und habe einfach keinen Bock mehr. Von uns erwartet man, dass wir gut vorbereitet sind, und das erwarte ich von Journalisten auch.

NZ: Jetzt steht zwar erst einmal die WM vor der Tür – aber machen Sie sich auch schon mal Gedanken über die Zeit nach der Karriere?
Angerer: Natürlich. Ich mache mir jeden Tag Gedanken. Sie können mich heute so fragen, und morgen kriegen Sie eine andere Antwort. Ich habe keinen klaren Plan, das war bei mir immer so, und damit bin ich immer sehr erfolgreich gefahren. Ich bin der Meinung, es ergibt sich immer was. Ich gehöre nicht zu den großen Planern.

NZ: Aber jetzt erst einmal so lange spielen, wie es der Körper mitmacht?
Angerer: Ich würde jetzt gerne noch ein Jahr in Frankfurt spielen und dann noch einmal ins Ausland gehen. Und Stand heute, wenn ich mich gut fühle, würde ich nach dem Auslandsaufenthalt aufhören.