Ex-Kleeblatt-Kicker Schröck: Späte Berufung zum Star

28.3.2020, 11:58 Uhr

Stephan Schröck steht gerade auf der Dachterrasse des Appartments, das er mit seiner Frau Pinar und den Söhnen Dias (7) und Manilo (3) in dem modernsten Komplex Manilas bewohnt. Der Lärm einer Großstadt, die im Normalfall knapp 20 Millionen Menschen täglich bevölkern, ist hier oben im 53. Stock weit weg. Selbst am Telefon wird klar: Sein Blick schweift in die Ferne, kurze Stille, für einen Moment wirkt Schröck gedankenverloren. Er ist gereift, als Fußballprofi und als Mensch, wenn sich das überhaupt trennen lässt.

Lange stand für den Wirbelwind der Spaß ganz oben auf der Agenda, dazwischen kam wenig bis nichts, ehe sich Ehrgeiz und potenzielle Ziele hinten anstellten. Die Reihenfolge hat sich gedreht, oder Schröck interpretiert die Vokabel Spaß einfach anders. Er ernährt sich nur noch vegan, trinkt keinen Tropfen Alkohol mehr und hat Glimmstengel schon vor Jahren zur Seite gelegt. Früh morgens um kurz nach sechs führt ihn der erste Gang des Tages ins Fitness-Studio, ein Blick auf seinen Oberkörper lässt einen persönlichen Wettstreit mit Mister Sixpack Ronaldo vermuten. Schröck ist extrem definiert, wahrscheinlich ist er so fit wie nie zuvor in seiner Karriere. "Alles Kopfsache", erklärt er. Sein breites Grinsen überwindet gerade spielend 100.000 Kilometer Entfernung. "Ich wünschte, ich hätte Bruno und Buyo schon eher zugehört", sagt er noch.

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"Bruno und Buyo" waren zwei seiner Trainer in acht Jahren und 183 Spielen beim Kleeblatt. Bruno Labbadia stachelte den gelernten Stürmer an, Mike "Buyo" Büskens gelang es dann in der Fürther Fußballmärchensaison 2012, die Einstellung eines Lebemanns in professionelle Bahnen zu lenken. Der Aufstieg mit dem Kleeblatt in die Bundesliga war bis dahin Schröcks größter Erfolg. Heute hat er die Spielvereinigung aus den Augen verloren. Die Tabelle kennt er, für die einstigen Mitspieler Mergim Mavraj und Marco Caligiuri findet er liebe Worte. Schöne Erinnerungen, mehr aber nicht.

Viele neue Messlatten legen

Sein Lebensmittelpunkt liegt nun auf den Philippinen, der Inselstaat, auf dem Fußball nur eine Randsportart ist. "Etwas für die Reichen", erklärt Schröck: "Wer seine Kids für 800 Euro im Monat dreimal die Woche zum Training bringt." Abschätzig soll das nicht klingen, nur einordnen. Schröck selbst ist in kleinen Verhältnissen aufgewachsen, womöglich erklärt sich daraus der Ansatz, den er für sich "im Hier und Jetzt" gewählt hat.

Pokale, Pokale, Pokale: Stephan Schröck glänzt auf den Philippinen.

Nicht weniger als "neue Messlatten" will der feine Techniker mit den vielen Tattoos in seiner Wahlheimat legen. "Für seinen Verein" Ceres-Negros FC, mit dem er dreimal in Folge die Meisterschaft gewonnen hat. "Für die Nationalmannschaft", die Straßenhunde genannten "Azkals", die er seit zwei Jahren als Kapitän anführt und mit der er erstmals in der Geschichte des Landes 2019 an den Asien-Meisterschaften teilnahm. "Und für mich selbst" – auch da definiert Schröck immer neue Ziele. In 80 Jahren Fußball auf den Philippinen wurde noch kein Spieler zweimal als "Mister Football" mit dem "Golden boot award" ausgezeichnet – der Schweinfurter schon.

Er ist dankbar für diese Chance, die sich in der Heimat seiner Mutter nach dem nicht ganz freiwilligen Abschied 2017 aus Fürth für ihn bot, hier lieben sie ihn, hier ist er Entwicklungshelfer für den Fußball und privilegierter Star. Schröck ist angekommen in seinem Leben. Der "AFF Award 2019" als der Fußballstar Südostasiens hat seinen Ehrgeiz vielleicht sogar noch ein Stück wachsen lassen. Zufrieden ist er, satt noch lange nicht. "Ich spiele hier solange, bis einer besser ist als ich", kalauert er. Für einen kurzen Moment klingt das nach dem alten "Schröcky".

Corona auch auf den Philippinen präsent

Schweinfurt, Fürth und Deutschland liegen aber weit weg. Aus dem einstigen Junioren-Nationalspieler, der mit Manuel Neuer und Kevin-Prince Boateng kickte, ist ein gereifter Familienvater geworden. Dias bringt er morgens in die erste Klasse, den wilden Manilo versucht er meist vergebens zu bändigen. Die Entlastung für seine Sandkastenliebe Pinar bleibt übersichtlich. Zumal die Corona-Ausgangssperre weit rigoroser als in Deutschland ausfällt. Normal ist auch hier nichts mehr. Einen Termin für den Saisonstart gibt es noch nicht. Schröck joggt notgedrungen in der Tiefgarage des Wohnkomplexes, die nötigen Sprints führen ihn zurück in die 53. Etage. Hier oben liegt dem Mann aus Schweinfurt die Welt zu Füßen.