Football boomt auch bei den Fürthern

25.2.2020, 09:35 Uhr

Das Belohnungssystem in den Gehirnen der Spieler wartet bereits darauf, endlich aktiv werden zu dürfen. Es giert regelrecht nach irgendeinem Erfolgserlebnis, und sei es nur ein ganz kleines. Doch egal, wie sehr sie sich bemühen, nichts scheint zu funktionieren. Sind sie in der Offensive, rutschen ihnen die Bälle durch die Finger. Sind sie in der Defensive, bekommen sie keinen Zugriff auf die gegnerischen Spielzüge. Am Ende verliert das Jugend-Team der Herzo Rhinos mit 0:47.

Einige Minuten später steht Coach Niklas Batz nicht mehr unten vor der Trainerbank, sondern sitzt oben auf der Tribüne, während gerade zwei andere Teams den Tanz um den Raumgewinn zelebrieren. Seit Juni hat sich das Jugendteam der Herzo Rhinos zum Training zusammengefunden. Zum zweiten Mal sind sie bei einem Turnier dabei. Doch obwohl die großen Belohnungen noch ausbleiben, blickt Batz in keine demotivierten Gesichter. "Die Kinder ziehen voll mit", sagt er. Und das ist nicht nur in dieser Mannschaft so.

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Überall sind in den vergangenen Jahren Football-Vereine aus dem Nichts hervorgeschossen. Ein Hype hat Deutschland erfasst. Dieser lange kritisch beäugte Sport aus den USA mit seinen englischen Begriffen, dem verwirrenden Regeldschungel und den komplizierten Spielzügen scheint wild entschlossen, seine Nische Touchdown für Touchdown zu verlassen.

Angefangen hat alles im Fernsehen

Wird ein Football-Verein gegründet, bekommt er zunächst Schonzeit. Zwei Jahre lang, aber spätestens dann ist der Aufstieg in die Landesliga Pflicht und der Verband stellt seine Bedingungen. Zum Beispiel, dass Vereine eine Jugendabteilung vorweisen müssen. Eine Regel, in der mehr Voraussicht als Bürokratie steckt. Denn die große Frage, die jeden Hype begleitet, ist folgende: Was passiert, wenn die Welle wieder bricht?

Wann die Welle anstieg, daran erinnern sich Jens Löschke und Nina Frauendorf noch genau. "Als die Fernsehübertragungen auf ProSieben anfingen", sagt Löschke. "Dann wurde es plötzlich einfacher, Jugendliche zu gewinnen", sagt Frauendorf. Die beiden Coaches trainieren die Spielgemeinschaft der Erlangen-Fürth Titans, die bereits seit 2014 besteht. Und sie wissen: Jugendliche im Zeitalter der steigenden Freizeitmöglichkeiten und der sinkenden Freizeit von einer bestimmten Aktivität zu überzeugen, das ist eine Sache, die einen Hype möglich macht. Diese Spieler dann aber auch langfristig zu binden, das ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung.

"Dazu muss man eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Sportler wohlfühlen", sagt Löschke. "Kontinuität ist wichtig", erklärt Frauendorf. "Dieselben Trainer, dieselben Trainingszeiten." Auch deshalb würden Jugendliche oft aufhören, wenn der Übergang von der U 16 zu den Erwachsenen ansteht. Wenn die Kontinuität bricht. Wie eine gebrochene Welle aussieht, kann man derzeit ausgerechnet dort beobachten, wo das Herz des American Football schlägt: in den USA.

Im vergangenen November veröffentlichte die New York Times eine mehrteilige Reportage über einen Sport, der dabei ist, seine Basis zu verlieren. Denn die Anzahl an aktiven High-School-Spielern ist innerhalb weniger Jahre um über zehn Prozent gesunken. Immer mehr Eltern verbieten ihren Kindern das Footballspielen. Die Debatte über die Langzeitfolgen von Kopfverletzungen hat deutliche Spuren hinterlassen.

In Deutschland ist Tackle Football für Unter-14-Jährige sowieso verboten. Auch deshalb spielen die Jugendmannschaften Flag Football, eine kontaktlose Variante, in der eine Flagge von der Hüfte des Gegner gezogen wird, um diesen zu stoppen. Das beruhigt die Eltern. Und sicherlich auch manche Spieler. Aber steckt darin vielleicht trotzdem das Hauptproblem: Dass Jugendliche vom Super-Bowl-Hype angesteckt werden und sich dann mit Geringerem begnügen müssen?

Nieko Carr ist Jugendtrainer der Nürnberg Hawks, das vor drei Jahren gegründet wurde. Er glaubt, dass sich manche Jungs gedulden müssen. Er glaubt auch, dass der Hype wieder brechen wird. Und er glaubt, dass beides gar kein Problem ist. Aus seiner Sicht geht es um einen viel größeren Zusammenhang. "Der Football ist gewachsen, dadurch sind die Coaches besser geworden", sagt er. "Dadurch ist der Football besser geworden." Ein allgemein besseres Produkt, das sei der Schlüssel für die Zukunft. Während Carr spricht, werfen die jungen Rhinos ihren ersten Touchdown des Tages. Von den Rängen werden sie bejubelt, als hätten sie den Super Bowl gewonnen.