Franken — das war Liebe auf den ersten Blick

23.8.2004, 00:00 Uhr

Eines Tages, da ist sich Fred van Gulik sicher, will er ein Buch über seine Zeit als Baseball-Trainer schreiben. Dann will er noch einmal zu den seiner Ansicht nach dubiosen Machenschaften im Deutschen Baseball- und Softball-Verband Stellung nehmen. Bis dahin will der 46-jährige Bundesliga-Coach der Fürth Pirates über seine vier Jahre als deutscher Nationaltrainer aber schweigen. „Die Sache Verband und van Gulik ist gegessen. Ich sage nichts, und die anderen sagen ständig was. Das zeigt die Schwäche dieser Personen.“ Diese Personen — damit meint Fred van Gulik vor allem den umstrittenen DBV-Vizepräsidenten Jürgen Elsishans, der noch ein Jahr nach der Trennung von van Gulik gegen den Ex-Bundestrainer stänkert. „Der Trainer hat sich durch dubiose Entscheidungen den Respekt verspielt“, hatte Elsishans am Rande der B-Europameisterschaft in Fürth gesagt — während Fred van Gulik mit seiner Freundin und seinen Kindern in Frankreich Urlaub machte.

Eigentlich wollte der Holländer gar nicht mehr in Deutschland bleiben, sondern zu seiner Freundin in die USA ziehen. Dann rief allerdings Georg Barth, Vorsitzender der „Piraten“, beim arbeitslosen Baseball-Trainer an. „Ich habe nicht das Finanzielle gesehen, sondern die Perspektive“, sagt van Gulik heute. „Wir wollen in Bayern tonangebend werden im Baseball.“ Also unterschrieb der Coach in Fürth-Burgfarrnbach bei einem Verein, der bisher immer nur auf Notlösungen auf der Trainerbank gesetzt hatte. Ex-Nationalspieler Michael Weigl war einmal als Spielertrainer ausprobiert worden, aber mit seiner Doppelrolle überfordert gewesen. Deshalb hatte sich Fred van Gulik gerade zur rechten Zeit mit dem Verband überworfen.

Eingestaubt

In Fürth lieben die Zuschauer Fred van Gulik, weil er nicht so ein aalglatter Trainer ist wie sein Nachfolger in der Nationalmannschaft, Gregory Frady, der inzwischen schon wieder die Flucht in die USA angetreten hat. Einmal stellte sich van Gulik in dieser Saison selbst auf den kleinen Hügel und half als Pitcher (Werfer) aus, um die anderen zu schonen. Engagiert steht der 1,61-Meter-kleine Holländer mit seinem Drei-Tage-Bart ansonsten am Spielfeldrand, gibt seinen Spielern zeichen — und empört sich auch mal über die Schiedsrichter. Im Spiel gegen die Mannheim Tornados Mitte Mai war es, als Fred van Gulik zu einem der Schiedsrichter schritt, ihm ein paar harsche Worte sagte, mit den Schuhen Sand aufwirbelte und den Unparteiischen damit einstaubte. Fred van Gulik wurde auf die Zuschauertribüne geschickt. Was den temperamentvollen Trainer freut: „Ich bin in dieser Saison zwei Mal rausgeflogen, aber von meinen Spielern keiner. Die sind sehr diszipliniert.“ Ein seltenes

Lob für sein Team, denn van Gulik packt seine Spieler nicht gerade weich an: „Wenn man seine Rolle nicht spielt, spreche ich die Spieler hart an. Wenn man vier Mal in der Woche trainiert, müssen die Sachen bis in die Perfektion beherrscht werden.“

Rob Mattson ist so ein Spieler, der das Werfen bis zur Perfektion beherrscht. Das meint zumindest sein Trainer, der mit ihm in der Nürnberger Südstadt in einer Wohngemeinschaft lebt und ihn nach Fürth geholt hat. Die Wege der beiden Freunde, die sich seit 14 Jahren kennen, hatten sich schon einmal gekreuzt: Fred van Gulik spielte in seinem letzten Jahr als Aktiver für den PSV Eindhoven mit dem US-Amerikaner Rob Mattson zusammen — bis der Holländer seine Trainerlaufbahn begann.

Dach über dem Kopf

Erst führte van Gulik den holländischen Viertligisten HSCN Nuenen innerhalb von drei Jahren in die Zweite Liga, dann schaffte er mit den Namur Angels den Wiederaufstieg in die Erste Liga und holte mit dem belgischen Verein den Meistertitel, bis er belgischer Nationaltrainer wurde. Bei der Europameisterschaft 1999 in Italien wurde er mit der jüngsten Mannschaft, die je bei einer EM angetreten war, Sechster. Und dann folgte ab dem Jahr 2000 das Engagement als deutscher Bundestrainer.

Dafür hatte der damals 42-Jährige seinen ursprünglichen Beruf als Fotograf für Produkte und Models aufgegeben. „Ich beschäftige mich seitdem während der Saison die ganze Zeit nur mit Baseball“, erklärt van Gulik. „Ich bin ein Mensch mit wenig Ansprüchen. Ich brauche ein Dach über dem Kopf, okay, aber das reicht mir.“ Dann verfällt van Gulik, wie er das ab und zu macht, ins Englische: „I want to have fun and I want to be able to enjoy my life.“ Spaß haben und das Leben genießen — Fred van Gulik ist ohne Allüren nach Fürth gekommen. „In Franken sind die Leute zehn Mal angenehmer als woanders. Das Fränkische zieht mich teilweise an.“ Weil das die Zuschauer spüren, mögen sie den Holländer, der die Fürth Pirates im zweiten Bundesliga-Jahr nicht nur erstmals in die Play-offs, sondern bis ins Finale geführt hat.