Frauenschwarm Gislason: "In erster Linie bin ich Fußballer"

28.7.2018, 05:08 Uhr

Erst der Abschied vom 1. FC Nürnberg ermöglichte Rurik Gislason sein Karriere-Highlight. In Sandhausen entledigte sich der Isländer erfolgreich des Stigmas, nur ein hübscher Dauerreservist zu sein. Unter Trainer Kenan Kocak sammelte der 30-Jährige die nötige Spielpraxis, um für Islands Nationalmannschaft sportlich wieder attraktiv genug zu sein. Bei der WM in Russland passierten dann Dinge, die er sich bis heute nicht wirklich erklären kann – die sein Leben veränderten, ohne aber ihn als Menschen zu verändern. 

Herr Gislason, wie viele Interviews mussten Sie geben seit Ihrer Rückkehr nach Deutschland?

Werbung
Werbung

Rurik Gislason: Ungefähr 20. Aber das mache ich gerne. Es ist doch schöner, wenn sich die Leute für dich und dein Leben interessieren, als wenn es ihnen egal wäre.

Sie antworten auf Deutsch?

Gislason: Ich lebe seit drei Jahren in Deutschland, wenn ich nicht ein bisschen deutsch sprechen könnte, wäre das traurig. Aber ich glaube, es wird ein besseres Interview, wenn ich jetzt auf Englisch weiterrede . . .

Wie beim letzten Mal. Wir haben uns im Januar 2017 im Trainingslager in Spanien schon einmal ausführlich unterhalten.Im Anschluss posteten Sie auf Instagram ein Bild von unserem Gespräch in der Hotellobby. Exakt 6061 Menschen gefiel es. Eines Ihrer letzten Fotos bekam überwältigendes Feedback. Über 500 000 Menschen haben es angeklickt. Sie spielten nun auch bei der WM und nicht mehr für den Club. Hätten Sie sich das damals insgeheim so ausgemalt?

Gislason: Damals hatte ich das Gefühl, dass Nürnberg nicht immer nur fair mit mir umgegangen ist. Aber Fußball ist nun mal ein hartes Business. Manche Trainer stehen auf dich, andere weniger. Aber in meiner ganzen Zeit in Nürnberg habe ich nie das Jammern angefangen. Ich habe immer versucht, mein Bestes zu geben. Ich wollte mich wirklich durchsetzen und ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft sein.

In Sandhausen spürt er Rückhalt 

Exakt ein Jahr später sind Sie dann in der Winterpause 2017/18 doch vorzeitig gewechselt . . .

Gislason: Irgendwann war eben klar, dass es mehr Sinn für mich macht zu gehen. Vor allem, nachdem ich mit dem Trainer von Sandhausen das
erste Mal gesprochen und er mich überzeugt hatte, dass er an mich glaubt. Als Spieler braucht man auch Leute, die hinter einem stehen.

In Nürnberg kamen Sie in zweieinhalb Jahren 30-mal zum Einsatz, meistens nur von der Bank aus. Ein Tor gelang Ihnen nicht. Dafür trafen Sie in 15 Spielen für Sandhausen dreimal . . .

Gislason: Ja, der Trainer stand eben immer hinter mir. Das ist einfach ein großartiges Gefühl. Ich habe das wirklich gespürt, dass er will, dass ich erfolgreich bin. Ohne ihn hätte ich es sicher nicht zur WM geschafft.

Der Wechsel ging also voll auf?

Gislason: Letztendlich schon. Ich hatte zwar immer von der Bundesliga geträumt, aber ich musste eben etwas verändern. Dennoch war es auch ein riskanter Wechsel für mich. Jetzt bin ich natürlich froh darüber, wie sich die Dinge entwickelt haben.

Auf dem Weg zur EM 2016 kam Ihnen noch eine Verletzung dazwischen. Diesmal waren Sie dabei.

Gislason: Ja, diesmal habe ich es tatsächlich geschafft. Und ich war ja nicht nur dabei, ich habe gespielt. Darüber bin ich sehr glücklich. Ich bin immer positiv geblieben. Manchmal klappen die Dinge, manchmal nicht.

Es ist sicherlich Ihr Karriere-Highlight bislang. Was ist hängengeblieben außer über einer Million neuer Follower bei Instagram?

Gislason: Nachdem ich es wegen meiner Verletzung nicht zur EM 2016 geschafft habe, war das so etwas wie ein persönlicher Sieg für mich. Denn ich hatte zwischenzeitlich schon das Gefühl, dass viele nicht mehr richtig an mich geglaubt haben.

"Bin besser, als man mich in Nürnberg gesehen hat"

Sind Sie mit all den Erfahrungen von der WM jetzt ein viel besserer Spieler?

Gislason: Ich weiß, dass ich nicht der beste Fußballer der Welt bin, davon bin ich weit entfernt. Aber ich habe schon immer geglaubt, ein bisschen besser zu sein, als man mich in Nürnberg gesehen hat.

Einem der beiden Besten sind Sie bei der WM ja begegnet. Wie ist es, gegen Lionel Messi zu spielen?

Gislason: Ich habe schon gegen einige sehr gute Fußballer gespielt, gegen Cristiano Ronaldo oder Luca Modric, der einer meiner Lieblingsspieler ist, aber auf eine Art ist Messi einfach noch besser als alle anderen. Er ist so schnell und hat enorme Qualität. Am Ende ist es aber Fußball und man spielt ja auch elf gegen elf.

Nur so konnte das Kollektiv Island Argentinien ein 1:1 abtrotzen. Dennoch hat es mit dem Achtelfinale nicht geklappt. Also doch unzufrieden?

Gislason: Da habe ich gemischte Gefühle. Natürlich wollten wir ins Achtelfinale, das haben wir nicht geschafft. Aber überhaupt dabei gewesen zu sein, als eine Nation mit nur 340 000 Einwohnern, darauf können wir stolz sein. Und wir arbeiten ja daran, noch besser zu werden, dabei wird uns diese Erfahrung helfen. Deshalb gibt es keinen Grund, über das frühe Aus zu sehr enttäuscht zu sein.

Ein Foto wie gemalt. Gislason gilt inzwischen als Sexsymbol. © privat

Die Bilder nach der EM 2016, als Ihr Team nach dem Viertelfinal-Aus stolz in Island empfangen wurde und diese wunderbaren Huh-Rufe über die Insel schallten, sind unvergessen. Wie verlief die Heimkehr diesmal?

Gislason: Die Feier fiel viel kleiner aus. Wenn wir das Achtelfinale erreicht hätten, wäre es sicher anders gewesen. Aber, um ehrlich zu sein, war auch das Wetter in Island zuletzt eine absolute Katastrophe. Im Mai hat es die ganze Zeit nur geregnet und im Juni war es auch nicht viel besser. Die Atmosphäre war insgesamt recht grau. Wir sind einfach nur zurückgekommen. Am nächsten Tag bin ich dann in den Urlaub nach Miami.

"Muss vorsichtiger sein mit dem, was ich tue"

Und mit Ihnen reiste plötzlich das Sexsymbol Rurik Gislason?

Gislason: Ich als Mensch habe mich sicherlich nicht verändert. Das wäre ja auch völliger Blödsinn; nur weil ich mehr Follower auf Instagram habe. Aber natürlich ist mir bewusst, dass sich mehr Menschen für mein Leben interessieren, mich erkennen oder nach einem Foto mit mir fragen. Egal wohin ich gehe. Aber das alles macht mir nichts aus. Ich liebe es, mit Menschen in Kontakt zu kommen, mit ihnen zu reden. Und die Kommentare, die ich bekomme, sind zu 99 Prozent positiv. Ich bin sehr froh darüber, dass die Leute mögen, was ich mache. Das ist doch auch ein Privileg. Darüber kann man nur glücklich sein.

Gabriela Lopes, ein brasilianischer TV-Star, soll nach dem Spiel gegen Argentinien den Hype mit den Worten "Wie ist es nur möglich, dass man so schön ist?" ausgelöst haben . . .

Gislason: (lacht) Ich habe so etwas Ähnliches auch schon gehört. Aber hundertprozentig sicher, was wirklich passiert ist, bin ich mir nicht. Ich habe plötzlich einen großen Anstieg bei meinen Followern bemerkt. Aber warum, das weiß ich nicht wirklich.

Wie hat sich Ihr Leben verändert?

Gislason: Manchmal passiert es, dass in Island in den Nachrichten kommt, wenn ich es etwas poste oder mache. Ich muss also schon ein bisschen vorsichtiger und verantwortungsvoller mit dem sein, was ich tue. Im Moment würde ich in Island nicht richtig Party machen, weil ich das Gefühl hätte, ich könnte beobachtet werden. Aber das ist in Ordnung für mich. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, erwachsener zu werden und ein bisschen verantwortungsbewusster zu sein.

Gilt die Aufmerksamkeit Ihrem Aussehen oder noch dem Fußballer?

Gislason: In erster Linie bin ich ein Fußballer. Ob die Leute sich für mich interessieren, weil ich ein guter oder ein schlechter Fußballer bin oder ob sie mich irgendwie für gutaussehend halten, das ist schwer für mich zu sagen. Überhaupt fällt es mir schwer, über mich selbst zu reden.

Solche Fotos lassen Frauenherzen höher schlagen. © privat

Das fiel speziell Ihrem Mitspieler Kári Árnason leichter, der den Hashtag #SexyRurik ins Leben gerufen hat. . . Geschmeichelt?

Gislason: Das ist alles nur Spaß. So geht es nun mal in einer Fußballmannschaft ab. Jeder lacht über jeden. Dahinter stecken nur gute Absichten. Ich bin froh, dass die Jungs was zu lachen haben. Aber wenn man zu lange darüber Späße macht, wird es langweilig. Dann ist es nur noch ein alter Witz.

Fußball steht im Mittelpunkt

Gab es in Sandhausen schon viele Trikotbestellungen mit Ihrem
Namen?

Gislason: Ich weiß es nicht. Um ehrlich zu sein, ich habe auch nicht danach gefragt. Wie ich gesagt habe, in erster Linie will ich als Fußballer wahrgenommen werden. Darauf liegt mein Fokus. Es ist schön, dass mir
viele Leute in den sozialen Netzwerken folgen. Aber ich möchte damit auch Gutes bezwecken.

Wie?

Gislason: Ich habe ein Foto von einem Armband gepostet. Das wird in Island für einen karitativen Zweck verkauft. Mit dem Erlös werden krebskranke Kinder unterstützt. Darin liegt für mich der wahre Vorteil, so viele Menschen zu erreichen, um etwas Gutes tun zu können und zu helfen.

Und nach der Karriere wird dann professionell gemodelt?

Gislason: Ich mache schon lange hin und wieder mal ein paar Fotos. Aber in erster Linie, weil es mir Spaß macht. Wenn nach meiner Karriere in diese Richtung etwas Interessantes passiert, werde ich offen dafür sein. Im Moment aber steht Fußball an erster, zweiter und dritter Stelle.

Hoher Wohlfühlfaktor in Sandhausen

Jetzt sind Sie gerade in Bad Wörishofen im Trainingslager mit Sandhausen. Ein Kulturschock?

Gislason: Es war schön, die Jungs wiederzusehen. Ich hoffe mal, dass sie sich genauso gefreut haben . . .

Hat es der Hype bis nach Sandhausen geschafft?

Gislason: Sandhausen ist ein kleiner und ruhiger Ort. Man kann sich hier wunderbar zurückziehen. Keiner verfolgt dich. Natürlich werde ich nach einem Foto gefragt, wenn ich einkaufen gehe. Aber das mache ich dann ja gerne. In Island oder Miami war das ganz anders. Da war ständig etwas anderes. In Sandhausen ist es eher, als würde man seine Nachbarn treffen.

Sie haben Ihren Vertrag unmittelbar vor der WM um zwei Jahre verlängert. Ungewöhnlich . . .

Gislason: Ich wollte dem Verein etwas zurückgeben. Sandhausen war der größte Grund, warum ich es zur WM geschafft habe. Jetzt bin ich froh,
wieder hier zu sein.

Sie waren auf der ganz großen Fußballbühne, sind gar keine neuen Angebote eingetrudelt?

Gislason: Ich habe eine Klausel im Vertrag, dass ich für 300 000 Euro wechseln darf. Im Moment bin ich ein Spieler von Sandhausen und darauf liegt mein Fokus. Aber im Fußball weiß man ja nie, was alles passiert.

"Habe noch Freunde beim Club"

Und Ihr Traum war ja immer die Bundesliga . . .

Gislason: Man soll immer große Träume haben, das schadet nie. Ich fühle mich jedenfalls sehr fit. Vielleicht liegt eine großartige Saison vor mir. Ich bin aber nach wie vor mit beiden Beinen auf dem Boden.

Cool, cooler Rurik Gislason. © privat

Und zum Saisonstart wartet der Rasen der SpVgg Greuther Fürth . . .

Gislason: Nürnberg ist noch immer in meinem Herzen. Deshalb ist es schon ein wichtigeres Spiel als alle anderen.

Haben Sie denn noch Kontakt zum Club?

Gislason: Ja, mit Hanno Behrens. Er war mein Nachbar, wir sind Freunde geworden. Oder auch Tim Leibold. Es sind viele tolle Jungs.

Also auch wenn Sie beim Club gescheitert sind, haben Sie doch viele gute Erinnerungen?

Gislason: Ich würde niemals sagen, dass es der Fehler des Clubs oder der Trainer war. Im Fußball entwickeln sich manchmal die Dinge für dich und manchmal eben gegen dich. Klar hatte ich das Gefühl, mehr Einsatzminuten verdient zu haben. Vielleicht hätte ich sie verdient gehabt, vielleicht auch nicht. Ich habe absolut keine negativen Gefühle. Ich habe jedem Einzelnen zum Aufstieg gratuliert. Und ich werde in der Bundesliga auch mal vorbeischauen.

Schon ein Spiel herausgesucht?

Gislason: Noch nicht wirklich. Aber mein bester Kumpel Alfred Finnbogason spielt beim FC Augsburg. Nürnberg gegen Augsburg, das wär’s.