Harte Worte: Harting empört sich über IOC-Entscheidung

26.7.2016, 17:52 Uhr

Robert Harting kritisiert die Entscheidungen des IOC scharf. © dpa

Die Empörung nach dem Verzicht auf einen kollektiven Bann Russlands von den Olympischen Spielen wird schärfer. Der deutsche Diskus-Olympiasieger Robert Harting attackierte vor allem Thomas Bach, den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees. "Er ist für mich Teil des Doping-Systems, nicht des Anti-Doping-Systems. Ich schäme mich für ihn", schimpfte Harting.

Nach der Leichtathletik ziehen inzwischen weitere Fachverbände Konsequenzen aus dem verheerenden Report über Staatsdoping – bislang wird aber nur vereinzelt Athleten der Olympia-Start verwehrt. Mindestens 85 von geplant 387 russischen Sportlern wurden bislang gesperrt. Viele Verbände sind noch mitten in der Prüfungsphase.

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Das IOC hatte das russische Team trotz dokumentierten Staatsdopings unter anderem bei den Winterspielen von Sotschi 2014 nicht komplett von Rio ausgeschlossen, sondern die Entscheidung an die Fachverbände delegiert – und das weniger als zwei Wochen vor Eröffnung der Spiele.

Weiterer Startplatz für Deutschland

In Sportarten wie Tennis, Judo, Schießen oder Ringen dürfen wohl alle qualifizierten Russen antreten. In der Leichtathletik wurde dagegen die gesamte russische Mannschaft ausgeschlossen. Am Dienstag versagte der Kanu-Weltverband fünf Russen die Sommerspiele-Teilnahme, unter ihnen Olympiasieger Alexander Djatschenko. Dessen Name war in dem Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) von Ermittler Richard McLaren im Zusammenhang mit verschwundenen Dopingproben aufgetaucht.

Durch die Sperre von Natalja Podolskaja hätte Deutschland eine Nachrückerin im Kajak-Einer über 200 Meter nach Brasilien schicken dürfen – allerdings verzichtete der Verband auf den Startplatz.

Auch drei Ruderer wurden für Brasilien gestrichen: Iwan Balandin aus dem Achter wurde im McLaren-Bericht als einer von zehn Athleten genannt, dessen Dopingprobe durch das Analyselabor in Moskau und das Sportministerium manipuliert worden sei. Im Report werden Russland umfassende Doping-Machenschaften vorgeworfen, die von Staatsseite um Minister Witali Mutko angeordnet und gelenkt worden sein sollen.

Einzelprüfungen der Verbände

Die Leichtathleten waren vom Weltverband IAAF schon vor der heftig kritisierten IOC-Entscheidung komplett gesperrt worden. Am Montag zog der Schwimm-Verband FINA nach und schloss sieben Sportler aus, darunter Paul Biedermanns 200-Meter-Freistil Rivale Nikita Lobinzew. Auch zwei Moderne Fünfkämpfer wurden von Olympia ausgeschlossen.

Andere Verbände sind noch in den Einzelfallprüfungen, die ihnen das IOC auferlegt hatte. Der Volleyball-Weltverband FIVB etwa studiert derzeit die vom russischen Verband eingereichten überarbeiteten Kaderlisten. Ein Ausschluss der russischen Hallen-Teams sowie der drei Beachvolleyball-Duos gilt aber als unwahrscheinlich. Allerdings soll Alexander Markin wegen Meldonium-Dopings gesperrt werden.

Der Handball-Weltverband IHF will bei der russischen Frauen-Auswahl kurzfristige Dopingkontrollen im Training durchführen. Dafür wurde der derzeitige Aufenthaltsort der Nationalmannschaft erfragt. Die Proben würden in einem von der WADA akkreditierten Labor untersucht, teilte die IHF mit. Von den Resultaten hängt das weitere Vorgehen ab.

Im Fokus der Kritik

Der Ringer-Weltverband forderte mehr Beweise zu den verdächtigten Sportlern. Alle potenziellen russischen Starter seien bis zu viermal durch WADA-Labors außerhalb Russlands getestet worden, hieß es. Sperren sind nicht zu erwarten, sitzen in der Exekutive des Weltverbands doch gleich zwei einflussreiche russische Funktionäre.

Der wichtigste Sportfunktionär der Welt steht indes weiter im Fokus der Kritik. "Ich habe schon oft meine Enttäuschung über Thomas Bach geäußert. Aber das ist jetzt eine neue Enttäuschungs-Dimension", sagte der meinungsstarke Robert Harting. Den Verdacht, dass bei der IOC-Entscheidung mächtige Strippenzieher eine Rolle gespielt haben, äußerte auch der Berliner und erwähnte etwa Kremlchef Wladimir Putin.

"Schlag ins Gesicht für Putin"

Dass Whistleblowerin Julia Stepanowa, die mit ihren Aussagen zur Aufdeckung des Skandals beigetragen hatte, nicht in Rio laufen darf, sei "nicht rechtens", klagte Harting. "Sie hat so viel Schaden für die Leichtathletik-Welt abgewendet. Ihr Start wäre ein Schlag ins Gesicht von Herrn Putin gewesen. Deshalb findet das nicht statt."

Die Leichtathletin hat beim IOC Einspruch gegen die Entscheidung eingelegt, sie nicht unter neutraler Flagge starten zu lassen. Einen möglichen finalen Gang vor den Sportgerichtshof CAS schloss Ehemann Witali Stepanow indes in einem Gespräch der Nachrichtenagentur AP aus. Dafür fehle dem Paar, das einen kleinen Sohn hat, aus Russland flüchten musste und inzwischen in den USA lebt, schlicht das Geld.