Jonas Link: Das ewige Talent geht mit gutem Gefühl

4.6.2018, 15:16 Uhr

Für allzu viel Traurigkeit hat Jonas Link ja gar keinen Platz gelassen. Sicher, fünf Jahre sind eine lange Zeit, heraus aus dem Elternhaus in die Wohngemeinschaft mit Bruder Nikolai und Mitspieler Oliver Hess. Fünf Jahre Hiersemann-Halle, fünf Jahre HC Erlangen, "ich bin ja einer der Letzten", sagt er, "die das alles noch so kennen, wie es eigentlich einmal angefangen hat".

Bevor es in die Nürnberger Arena ging mit Videowürfel, digitalen Werbebanden und Sponsorenlogen, als noch 1200 Zuschauer reichten, um die Schulturnhalle an der Schillerstraße randvoll zu packen und ein ausgerollter Teppichboden und ein Getränkeverkauf in einem Geräteraum ein VIP-Bereich waren. Andere Zeiten eben, als Jonas Link von Trainer Frank Bergemann zum Teil des Erlanger Handballs gemacht wurde, bevor der zum Höhenflug ansetzte. Link kam als Talent, als Versprechen vielleicht: Zu Hause in Friedberg, unweit von Augsburg, das erzählt sein Bruder, "hat er schon bald alles kurz und klein geworfen". 19 war er da und so viele Treffer erzielte niemand anders in der dritten Liga als dieser Jonas Link, der nicht wie Vater und Mutter professionell Volleyball, sondern lieber Handball spielen wollte.

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Einer der Dienstältesten

Fünf Jahre später hat sich der Erlanger Handball eben erst in der Bundesliga etabliert, am Sonntag gab es zum Abschluss bei den Eulen Ludwigshafen eine 29:32 (15:16)-Niederlage, die für die siegreichen Gastgeber den Klassenerhalt in der Bundesliga bedeutete. Erlangen schließt damit die Runde 2017/18 mit 25:43 Punkten auf dem 13. Rang ab. Doch nur noch Jonas Link war vom ersten Aufstieg 2014 an dabei, mit seinem Bruder Nikolai, Co-Trainer Stefan Mittag und Geschäftsführer Rene Selke, der damals noch im Tor stand. "Ich bin einer der dienstältesten Spieler", sagt Jonas Link nicht ohne Stolz.

Doch bis heute ist er das Talent geblieben – und dieses Talent kommt langsam in die Jahre. So sieht man das jedenfalls beim HCE, der dem 25-Jährigen den entscheidenden Schritt eher nicht mehr zutraut. "Sicher hätte ich mich noch mehr entwickeln können", sagt Link, "aber ich denke, so verkehrt kann es nicht gewesen sein, wenn so viele Spieler kamen und gingen – ich aber immer ein Teil geblieben bin."

Anfangs ein wichtiger auf Linksaußen, obwohl es ihn doch schon immer in die Schaltzentrale zog. Mit dem vielleicht explosivsten Antritt der ersten Liga ausgestattet Anlauf nehmen, einen wuchtigen Schlagwurf platzieren – das ist sein Spiel. Kommt er ins Rollen, ist Jonas Link nur schwer aufzuhalten – wie eine Lawine, die alles mit sich reißt. So wie bei den Rhein-Neckar Löwen, als er auf diese Weise achtmal traf und seine Mannschaft um ein Haar zu einer Sensation beim Deutschen Meister geführt hätte. Im Nachhinein wohl sein bester Auftritt in fünf Jahren.

Plötzlich war die Chance da

"Sicher war ich nicht konstant genug", sagt Jonas Link, "aber es war schon auch immer Pech dabei." Kurz nach dem Löwen-Spiel kam die Winterpause, mal eine Verletzung, mal ein neuer Trainer. Als sich Spielmacher Michael Haaß vergangene Saison die Syndesmose riss, musste Jonas Link funktionieren – auf Mitte. Von heute auf morgen war sie da, die große Chance, auf die er all die Jahre gewartet hatte. Jetzt oder nie – doch er blieb auch da das Talent: gute, manchmal sehr gute Ansätze, wenig Konstanz, unnötige Fehler. Link fehlte, das merkte man jetzt, die Erfahrung, wenn es auf ihn allein ankommt.

"Ich habe viel Hoffnung in Adli gesetzt", sagt er über seine letzte Saison in Erlangen, als Adalsteinn Eyjolfsson im Herbst Robert Andersson als Coach ersetzte. "Aber dann hatte ich leider keine gute Phase." Hatte Jonas Link jahrelang vor allem im Training alles kurz und klein geworfen, gelang das nun nicht einmal mehr dort. Ja, so wenig, dass nicht einmal Nikolai Link sich mehr traute, seinen Bruder zu kritisieren. "Ich glaube", sagt Jonas Link, "er hat genau gewusst, wie sehr mich das beschäftigt. Da wollte er nicht auch noch draufhauen – wir beide sind ja doch immer am ehrlichsten und härtesten zueinander." So verpuffte auch diese Chance – Jonas Link war nur noch Spielmacher Nummer drei. "Niko litt mit mir mit", sagt Jonas Link über seinen Bruder. Er selbst hatte die Hoffnung auf eine neuerliche Zukunft in Erlangen abgehakt, flüchtete sich in Lethargie. Bis dem Bruder der Kragen platzte: "Jetzt schieß’ sie doch endlich mal alle weg", brüllte er. So wie damals, in Friedberg.

Späte Wertschätzung

In Hüttenberg gelangen einem gelösten Jonas Link prompt sechs Tore, den Auswärtssieg feierte er sogar oben auf der Tribüne, inmitten der Fans. Wenig später meldet sich die SG BBM Bietigheim, der Bundesliga-Aufsteiger will ihn verpflichten – als Spielmacher. Es ist die späte Wertschätzung, die er immer gesucht hat: "Ich werde als erfahrener Bundesligaspieler wechseln", sagt Jonas Link, "ich will eine Führungsrolle ausfüllen."

Die neue Rolle ist für ihn, das spürt man, ein wichtiger Schritt heraus aus dem ewigen Talentdasein. Was bleibt nun: Wehmut? Enttäuschung? "Nichts von alldem", sagt Jonas Link und lächelt. "Es waren nicht immer einfache, aber schöne fünf Jahre. Erlangen wird für immer einen Platz bei mir haben." Jetzt geht es aber endlich richtig hinaus in die Handballwelt, heraus auch aus dem Schatten und der Obhut des Bruders. "Es ist ein wichtiger Schritt", findet Jonas Link. "Ich bin ja noch keine 35. Ich hoffe, dass jetzt schon noch etwas kommen wird."