Kati Wilhelm, die Über-Frau

22.9.2019, 16:00 Uhr

Das Ziel: Die Belegschaft soll gesund leben, mehr Sport und ihre Arbeit gerne machen. Der Fachbegriff dafür heißt "betriebliches Gesundheitsmanagement". Das Spannende an einer solchen Veranstaltung ist, dass zwei Welten aufeinanderprallen, bei der sich die eine von der anderen etwas abschauen soll. Aber funktioniert das auch?

Denn in den eineinhalb Stunden von Kati Wilhelms Vortrag mit Fragerunde wird auch klar, dass es mit dem Alltag der Zuhörer nur eine kleine Schnittmenge gibt. Und dennoch betont die 43-Jährige – heute Mutter, Betreiberin des Restaurants "Heimatlon", Motivationsrednerin und ARD-Expertin – die Gemeinsamkeiten.

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Die Überschrift über ihr Referat, in dem sie ihr Leben nacherzählt, lautet: "Entscheidungen treffen. Ziele erreichen." Sie nennt zwei Knackpunkte in ihrer Karriere, die sie zu einer der weltbesten Sportlerinnen der frühen 2000er-Jahre gemacht haben: Begonnen hatte sie als Langläuferin, doch als sie spürte, dass sie nicht die beste werden würde, wechselte sie zum Biathlon. Ihr Motto damals: "Ich probier’s jetzt einfach, mit aller Konsequenz."

Das klappte leidlich, denn auch im Trainingszentrum von Oberhof bemerkte sie, "dass ich nur das tue, was der Trainer aufschreibt". Ein Trainings- war wie ein Arbeitstag, sie fieberte dem Feierabend um 16 Uhr entgegen und freute sich, in die nahe Wohnung zu fahren. Besser wurde sie mit dieser Einstellung aber nicht.

Also zog sie aus der Heimat Thüringen um nach Ruhpolding. Raus aus der Komfortzone, stärkerer Fokus auf den Sport. Der Lohn: Weltcup-Zweite am Ende der Saison.

Ein neuer Kick

Und auch im Herbst ihrer Karriere, die sie 2010 aus freien Stücken beendete, suchte sie noch einmal einen Kick: "Wenn man glaubt, man hat schon alles gemacht, gibt es doch was Neues." Sie stellte sich ein eigenes Trainerteam zusammen, ein Coach brachte ihr "ökonomisches Laufen" bei, auch ein Motivationstrainer gehörte dazu.

"Ich war nicht immer bequem. Ich forderte die Trainer, dafür haben die studiert." Denn die Kunst war, im Training mit Deutschlands besten Biathletinnen "etwas besser zu machen als der Rest der Mannschaft". In dem kurzen Video über ein Trainingslager wirkt sie tatsächlich übermenschlich, wie ein Roboter. Mit einer Atemmaske im Gesicht fährt sie Langlauf auf einem Laufband, sie plagt sich bis zur Erschöpfung. Menschliche Wärme erhalten all ihre Slogans erst, als diese Über-Frau, die 19 Jahre lang Leistungssport betrieben hat, über ihr jetziges Leben spricht.

Sie berichtet, dass sie das "Abtrainieren" für den gewachsenen Herzmuskel nach der Profilaufbahn eher intuitiv vollzogen hat, weil ihr niemand geholfen hat. Dass sie 2010 ihre Eltern und ihren Freund zum letzten Rennen eingeladen und geweint hat. Und dennoch glücklich war mit der Entscheidung, jetzt Kinder zu wollen und in Ansbach ihr Studium des internationalen Managements wiederaufzunehmen.

Die schönste Szene des Vortrags ist, als ein Zuhörer fragt, ob auch ihre Kinder Biathleten werden sollen. Daraufhin berichtet sie, dass es Sohn und Tochter zum Skispringen zieht, nur, weil sie den Trainer so toll finden. Neulich kam Tochter Lotta nach hause und berichtete ganz stolz: "Mama, ich bin Elfte geworden." Es waren aber nur elf Teilnehmer, sagt Wilhelm und verdreht die Augen. Alle lachen.

Doch dann schiebt sie nachdenklich hinterher: "Ich möchte nur, dass sie irgendwas machen. Ich habe Leute kennengelernt, die spielen ein Instrument. Die haben 70 Jahre lang was davon." Leistungssport aber, "das ist nur ein kleines Zeitfenster". Und auf der Power-Point-Folie hinter ihr an der Wand steht: Keine Entscheidung ist keine Option.