Kleiner Japaner stellt den Club auf den Kopf

3.7.2012, 06:56 Uhr

Die neue Nummer 13 des FCN kommt aus Japan: Hiroshi Kiyotake. © Roland Fengler

Zwölf Fotografen und Kameramänner drängen sich vor dem quer parkenden Auto; als Hiroshi Kiyotake hinten rechts die Tür öffnet, empfängt ihn ein wahrscheinlich nie zuvor erlebtes Blitzlichtgewitter. Da kommt er also herübergeschlichen, der erste japanische Angestellte in der über 112-jährigen Geschichte des 1. FC Nürnberg. Darum ging es gestern Nachmittag aber nicht.

Kagawas Empfehlung

Kiyotake ist erst 22 Jahre alt und hat sich in seiner Heimat schon einen beachtlichen Ruf erspielt. Ein junger Mann mit leicht rötlich gefärbten Haaren, der einiges kann am Ball. Und aus einem Land kommt, dessen Auslandsprofis verehrt werden wie Popstars. Shinji Kagawa, vor zwei Jahren für lächerliche 350000 Euro Ablöse ebenfalls von Kiyotakes Ex-Verein Cerezo Osaka zu Borussia Dortmund gewechselt, kennt in ihrer fernen Heimat mittlerweile jedes Kind.

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Kollege Kiyotake ist fast dreimal so teuer, für sein Talent aber noch verhältnismäßig günstig, versichert Martin Bader, der Sportdirektor. Vielleicht sogar ein Schnäppchen, das werden die nächsten Monate und Jahre zeigen. Bis 2015 hat sich Kiyotake gestern an den 1. FC Nürnberg gebunden, um, wie übersetzt wird, „dieser Mannschaft zu möglichst vielen Siegen zu verhelfen“. Kagawa, sein langjähriger Kumpel, habe ihm Nürnberg ausdrücklich empfohlen. Wo man glaubt, einen ganz besonderen Fußballer verpflichtet zu haben.

„Wendig, schnell, sehr gut im Eins- gegen-Eins“, erzählt Dieter Hecking über seinen namhaften Zugang aus Fernost, zudem beherrsche er Pässe in die Tiefe. Also „ein Spielertyp, den wir noch nicht hatten“, schwärmt der Trainer, für den Kiyotake eine ganz spezielle Herausforderung darstellt. Der kleine Japaner kann nur japanisch und kommuniziert deshalb über Jumpei Yamamori, seinen ständigen Begleiter. Der ihm mindestens ein Jahr lang überallhin folgen wird. In die Kabine, zu Sitzungen, zum Einkaufen, auch beim täglichen Training ist Yamamori natürlich dabei. Manchmal sogar auf dem Platz.

 

In Dortmund, berichten Augenzeugen, verging zunächst keine Einheit, in deren Verlauf Yamamori nicht irgendwann zentral neben Jürgen Klopp auftauchte. Ohne ihn wäre Kagawa wohl verloren gewesen in seiner neuen Umgebung. Die Kiyotake im Sturm erobern möchte.

 Erste Worte auf deutsch

„Guten Tag, ich heiße Hiroshi Kiyotake, nennen Sie mich Kiyo“, spricht er in das Mikrofon vor ihm, welches noch das Logo des ehemaligen Haupt- und künftigen Premiumsponsors ziert. Dass sein Club zumindest auf den Trikots nicht mehr für Atomkraft wirbt, dürfte Kiyotake ebenso ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben wie fast jede Frage der über 30 Journalisten, darunter ein Dutzend Japaner. Wegen Kiyotakes Präsentation unter anderem angereist aus München, Essen, Köln oder Berlin, wie Kim Dämpfling erzählt. Der junge Mann aus Schwabach arbeitet als Korrespondent und Koordinator für die Zeitungen The Hochi Shimbun und The Yomiuri Shimbun und wird demnächst ordentlich zu tun haben.



Allerdings wohl erst ab Mitte August. Kiyotake ist nur fünf Tage da, bereits am Samstag fliegt er zurück nach Japan, um sich mit seiner Olympiaauswahl auf die Sommerspiele in London einzustimmen. Sollte Japan dort das Finale erreichen, blieben Kiyotake knapp zwei Wochen Vorbereitung auf seine erste Saison in der Bundesliga, eine Pause zur Regeneration ist ohnehin nicht vorgesehen. „Gegen Ende der Vorrunde“, befürchtet Hecking, könnte Kiyotake deswegen in ein kleines Loch fallen, bis dahin aber „wird er von der Euphorie getragen“.

„Schnitzel und Bratwürste“ habe er schon probiert, übersetzt der Dolmetscher, einige lachen, der Club ist endgültig im internationalen Geschäft. Muss Kiyotake nur noch halten, was sie sich von ihm versprechen, vor allem im offensiven Mittelfeld. Kiyotake, stellt Bader klar, sei keineswegs ein PR-Gag, um am anderen Ende der Welt möglicherweise ein paar Sponsoren gewinnen zu können. Man habe ihn, betont Bader, „aufgrund von sportlichen Kriterien verpflichtet“.