Max Müller: "Es macht mir Spaß, mich zu quälen"

25.7.2012, 12:00 Uhr

Wenn Menschen den hervorstechendsten Charakterzug des Nürnberger Goldmedaillengewinners der Spiele 2008 von Peking nennen müssten, wäre das Ergebnis vorhersehbar: Der Kapitän der Hockey-Nationalmannschaft ist ein überaus analytischer Zeitgenosse. Einer, der, was immer er auch tut, eine zielgerichtete Korrektheit zur Maxime seines Handelns erhoben hat.

So war er schon immer, sagen alle, die mit ihm von Kindesbeinen an beim Nürnberger HTC gespielt haben. Müller wusste also immer ganz genau, was er wollte. Privat, wo er seit Jahren mit seiner Freundin Annalena Abé liiert ist, genauso wie im Sport. Andere mögen über mehr Talent als er verfügen, so fleißig aber wie Müller ist kaum jemand.

Dieser „innere Ehrgeiz“, wie der Blondschopf jenen vermeintlich unbändigen Antrieb nennt, hat ihn erst dahin gebracht, wo er heute ist. Wenn andere schon im Vereinsheim die erste Halbe intus hatten, schob Müller noch Extraschichten am Platz. „Es macht mir Spaß, mich zu quälen“, sagt er über seine Art der Motivation, und das sagt viel über Müller aus.

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Geld war nie sein Antrieb

Geld war nie sein Antrieb. Im deutschen Hockey sind die Verdienstmöglichkeiten selbst für einen Nationalspieler ohnehin recht überschaubar, Millionen wie bei König Fußball verdient damit in unseren Breitengraden niemand. „Aber ich spiele auch nicht Hockey, um damit Geld zu verdienen“, erklärt Müller, und man könnte meinen, er empfände schon die Frage als reichlich despektierlich. Max, wie ihn alle in der familiären Umgebung seines Vereins an der Siedlerstraße nur rufen, quält sich eben gerne. Und um so gut zu sein wie er, um so einen „ekelhaften Verteidiger“ abzugeben, muss der Ehrgeiz wirklich groß sein.

Die Goldmedaille von Peking hat er immerhin so versilbert, dass er sein Sportökonomie-Studium finanzieren konnte. Mehr aber auch nicht, weil er andere Angebote nicht ernsthaft in Betracht zog. Müller ist gerne ein selbstbestimmter Mensch. Spielte er für den Branchenriesen aus Köln, müsste er sich nicht um die täglichen Dinge eines Sportlers kümmern.

Der Masseur stünde parat, wann immer er ihn bräuchte, es gäbe Geschäfte, in denen er sich einkleiden könnte, oder einen Fahrdienst, der ihn zu Spielen kutschieren würde. „Klar könnte ich mich anderswo ins gemachte Nest setzen“, sagt Müller über all die netten Annehmlichkeiten in der Profiwelt und stellt für sich fest: „Hier in Nürnberg, hier beim NHTC, da mache ich mir mein Nest selbst.“

Unendlich ist der Motor, der Müller in der Vergangenheit zu immer neuen Höchstleistungen antrieb, aber auch bei ihm nicht. „Langsamer und schwieriger“ laufe dieser Motor, bekennt Müller, und wer ihn genauer unter die Lupe nimmt, spürt diese Nachdenklichkeit, vielleicht auch eine gewisse Unsicherheit vor dem, was die Zukunft bringen könnte.

Hockey spielen war bislang sein Leben, sein Bachelor-Studium in Bayreuth hat er jetzt abgeschlossen. Läuft das anvisierte Masterstudium wie geplant, wäre er ein halbes Jahr vor der WM 2014 fertig. Dieser Titel fehlt ihm noch in seiner Sammlung, auch, weil er im letzten WM-Endspiel eine wichtige Ecke verschoss. „Diesen Fehler will ich noch gutmachen, danach aber müsste ich Profi werden, sonst geht es nicht mehr weiter.“

Der kleine Bub, der lange seinem Vater, der Nürnberger Eishockey-Legende Martin Müller, nacheiferte, ehe er sich doch für die etwas weniger raubeinige Variante entschied, musste nicht erwachsen werden, um zu wissen, was er will. Jetzt aber wähnt er sich an einem Scheideweg in seinem Leben. Der Goldjunge von Peking, wie ihn bunte Blätter 2008 euphorisch tauften, will die Spiele in London mit all seiner Kraft angehen, aber auch in vollen Zügen genießen, weil er weiß: „Es werden meine letzten Olympischen Spiele sein.“

Ohne ein konkretes Ziel kann Müller aber auch in der englischen Hauptstadt nicht sein. Ziele sind sein Lebenselixier, ohne Plan geht nichts, das vermittelt Sicherheit bei allen Unwägbarkeiten. So ist sein Plan für das Hockey-Turnier in London recht eindeutig. „Alles ab Platz vier wäre ein verlorenes Jahr. Ohne Medaille heimzufahren, würde mich stark deprimieren“, gibt er zu.

Um das zu verhindern, muss Müller Gas geben. Das erste Spiel der Deutschen Mannschaft findet am Montag, 30. Juli gegen Belgien, 22.15 Uhr, statt.