Rams-Coach McVay: Football-Genie auf Rekordkurs

1.2.2019, 07:56 Uhr

Schlägt Talent am Sonntag Erfahrung? Sean McVay ist gerade einmal 33 Jahre alt - und steht mit den Los Angeles Rams im Super Bowl. © Streeter Lecka/AFP

33 Jahre und sieben Tage wird Sean McVay, Head Coach der Los Angeles Rams, am Sonntag alt sein. Mit nur 33 Jahren und sieben Tagen wird das Trainer-Talent erstmals in einem Super Bowl an der Seitenlinie stehen - ein Rekord, jünger war bislang kein Coach, der im großen Endspiel stand. Sein Kontrahent am Sonntag wird Bill Belichick sein, ein 66-Jähriger, der wohl häufiger Spiele gewinnt als lächelt. Ganz anders als der Patriots-Griesgram wirkt McVay sympathisch, frisch und positiv emotionsgeladen - der Rams-Trainer hat sogar einen eigenen Assistenten, der ihn in emotionalen Momenten zurückhalten soll. Doch dahinter steckt ein ebenso genialer wie akribischer Arbeiter, der am Sonntag den großen Coup landen könnte. Das verbindet die beiden Kontrahenten wiederum.

Kaum einer Trainer hat die Landschaft in der modernen NFL so verändert wie McVay. In seinem ersten Jahr als Head Coach krempelte er die Los Angeles Rams komplett um und machte aus dem chronisch erfolglosen Team einen Playoff-Teilnehmer mit spektakulärer Offensive. Die Folge: Die halbe Liga ist auf der Suche nach dem nächsten Sean McVay. Nach dem nächsten jungen Coach mit hoher Spielintelligenz und einer Aura, die auch die Spieler in den Bann zieht.

Ein seltenes Erfolgsrezept?

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Im Los Angeles Memorial Coliseum tragen die Rams ihre Heimspiele aus. © Meike Kreil

Die Arizona Cardinals trauen genau das dem erst 39-jährigen Kliff Kingsbury zu, der vor wenigen Wochen als neuer Trainer bestätigt wurde. Und bei den Green Bay Packers soll der als "Quarterback-Flüsterer" bekannte Matt LaFleur dem Traditionsklub wieder zu altem Glanz verhelfen. Ausgedient haben die Trainer-Füchse, die mit Erfahrung punkten wollen.

Experten sehen McVay aber als Unikat. Als Erfolgsrezept, das ohne den charismatischen Coach gar nicht kopiert werden kann. Der ehemalige Wide Receiver, der nie als Profi aktiv war, übernahm die Rams bereits mit 31 Jahren. Mit 32 Jahren wurde er zum Trainer des Jahres gewählt und nun steht er in seinem ersten Super Bowl. All das ist das Resultat von harter Arbeit, in denen McVay sich vom Assistenz-Trainer bis hin zum Chef der wohl aufregendsten Offensive in der NFC entwickelt hat.

Viel wichtiger aber: McVay ist ein Football-Besessener, der mit seiner Intelligenz viel mehr tun könnte, als den Vollkontaktsport zu coachen. Im Internet kursieren Videos, in denen er sich noch ganz genau an die Spielzüge erinnert, die er angesagt hat - in zuvor zufällig ausgewählten Situationen.

Doch wird das Football-Mastermind reichen, um die Patriots-Maschinerie, die sein Gegenstück auf Patriots-Seite, Bill Belichick, in den vergangenen 18 Jahren geschaffen hat, zu schlagen? McVay liebt das Risiko - und Belichick ist ein Trainer, der die Risikobereitschaft seiner Kontrahenten meist zu seinen Gunsten ausnutzt. Mit Jared Goff setzt der Los-Angeles-Trainer zudem auf einen Quarterback, der zwar die Grundlagen beherrscht und perfekt ausführen kann - dem aber zugleich die magischen Momente fehlen, die vorherige Super-Bowl-Sieger ausgezeichnet hatten.

Das weiß natürlich auch McVay, der in der Offensive deswegen große Hoffnungen in das Laufspiel setzt. Und wenn es im Angriff doch stocken sollte, ist da immer noch eine bärenstarke Defensive rund um die Superstars Aaron Donald, Ndamukong Suh oder Aqib Talib. Der Star-Trainer hat ein mehrköpfiges Monster geschaffen, das selbstbewusst auftritt, dessen größte Schwäche aber die Unerfahrenheit auf den Schlüsselpositionen sein dürfte.

Gelingt den Rams, dies am Sonntag nur zur Randnotiz werden zu lassen, könnte die Franchise mit ihrem zweiten Super-Bowl-Sieg in die Geschichte eingehen. Und damit auch ihr Trainer, der seinem Assistenten im Erfolgsfall wohl frei geben wird.