Tobias Hierl: Fünf Sportarten und ein bisschen Schule

26.2.2015, 10:44 Uhr

Gerade eben regnet es, aber das Wetter ist eigentlich besser, als er erwartet hatte. Tobias Hierl sitzt in seinem Zimmer im englischen Internat und gibt per Telefon Interviews, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gemacht: Ein paar Details hier, eine Anekdote da. Einmal sagt er auch: „Ich muss mich entschuldigen für mein schlechtes Deutsch, ich rede hier nur Englisch.“ Hier, das ist in Plymouth, im Südwesten Englands, wo er seit September zur Schule geht. Gerade fehlte dem 16-Jährigen etwa das Wort „Feriencamp“ für die Einleitung seiner Fünfkämpfer-Geschichte.

Im weitesten Sinn war es ein Feriencamp, das ihn zum Modernen Fünfkampf brachte. Doch besuchte das nicht er, sondern seine beiden älteren Geschwister vor sechs Jahren, die dort ins Schwimmen, Fechten, Schießen, Reiten und Laufen hineinschnupperten — und schließlich dabeiblieben. Ihn hat die Leidenschaft erst zwei Jahre später gepackt. Wie hätte ihn diese Leidenschaft auch nicht packen können — alle Hierls sind schließlich mittlerweile Moderne Fünfkämpfer. Sechs Kinder sind es, die diese Sportart betreiben, fünf davon noch immer aktiv, nur die älteste Schwester musste wegen des Studiums aufhören. Dabei ist der Moderne Fünfkampf bei weitem nicht so populär und begehrt wie Fußball.

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Natürlich war Tobias Hierl nicht schon immer Fünfkämpfer. „Im Fußball war ich schon auch mal, aber das hat mir nicht so getaugt.“ Handballer war er auch, „mehr oder weniger leistungsmäßig“ — das wollte er eigentlich auch bleiben, aber gleichzeitig war er auch noch Schwimmer und beides war neben der Schule zu viel des Guten. Zumindest auf dem hohen Niveau, auf dem er beide Sportarten betrieb. So musste er eine Entscheidung treffen, und die fiel auf: den Handball. Und dann, als der Schüler mit dem Schwimmen fast abgeschlossen hatte, löste sich die Handball-Mannschaft auf und Hierl fand doch wieder den Weg zurück ins Wasser. Im Schwimmen war er dann nicht mehr ganz so gut wie vorher, aber erzielte immer noch akzeptable Zeiten.

Wann wird eigentlich gelernt?

Wer schwimmen kann, ist dem Modernen Fünfkampf schon mal ein ganzes Stück näher. Beeinflusst von den älteren Geschwistern, versuchte er also das Schießen, Fechten, Schwimmen, Reiten und Laufen. Aber da war immer noch die Schule, und der „Übeltäter“ Englischunterricht. Schon immer wollte Tobias Hierl auch mal ins Ausland und dort seine Sprachkenntnisse verbessern. Aber schon wieder eine sportliche Leidenschaft aufgeben? „Ich wollte den Modernen Fünfkampf unbedingt auch weitermachen.“ Und so zog es ihn ins Internat nach Plymouth. Eine Schule, die neben normalem Unterricht eben auch ein Sportprogramm, unter anderem für Moderne Fünfkämpfer, bietet.

Seit September heißt es: Aufstehen, Schwimmen, Frühstück, Schule, Pause, Training, Schule, Training, Abendessen. „Es ist schon gut anstrengend“, sagt Hierl. Aber natürlich auch effektiv. Ein Moderner Fünfkämpfer hat es nicht leicht mit dem Training. Alle fünf Sportarten müssen mindestens einmal pro Woche trainiert werden. „Die organischen Sportarten Schwimmen und Laufen muss man natürlich öfter trainieren, um besser zu werden“, sagt Hierl.

Sechsmal pro Woche wird geschwommen, im Vergleich dazu nur einmal geritten. Wann wird denn eigentlich für die Schule gelernt? „Wir haben vorgeschriebene Lernzeiten.“ Nach einer kurzen Denkpause (vielleicht wirft er auch einen Blick auf seinen Stundenplan) fällt dem 16-Jährigen auf, dass er in der vorgeschriebenen Lernzeit dienstags Lauftraining hat, mittwochs und donnerstags Fechten und freitags Reiten auf dem Programm steht. „Ja, o. k., vielleicht müssen sich die Fünfkämpfer das mit dem Lernen doch irgendwie für sich selbst organisieren.“ Eines wird jedenfalls klar, mit einer „normalen“ Schule lässt sich der Fünfkampf noch schwerer vereinbaren. „Hier ist wenigstens alles, was man zum Trainieren braucht, direkt vor Ort.“ In Nürnberg gibt es keine Reithallen neben Schwimmbädern.

In einer Nürnberger Schule würde sich Hierl allerdings die strenge Schuluniform sparen, die er zumindest, wenn er nicht gerade trainiert, seit September tragen muss. „Ach, so schlimm ist das nicht, ich muss mir zumindest morgens nicht lang überlegen, was ich anziehe.“ Irgendwann wird sich der Schüler darüber aber wieder Gedanken machen müssen, denn bislang ist nur ein Schuljahr in England geplant. Vorstellen könnte er sich aber schon, noch länger zu bleiben, denn es gefällt ihm in England. Allerdings will der 16-Jährige jetzt erst mal abwarten wie es weitergeht und auch was seine Eltern dazu sagen würden, wenn er noch ein weiteres Jahr in England bleiben wollte.

Olympia ist noch weit weg

In dem knappen halben Jahr, das Tobias Hierl nun im Internat lebt, bekam er jedenfalls schon einen ersten Eindruck, wie fit sie ihn dort noch machen können. An einigen College-Wettkämpfen hat er schon teilgenommen, allerdings nur im Dreikampf (Schwimmen und Laufen kombiniert mit Schießen). Seine Ergebnisse waren bislang eher „ja, na ja“. Was aber nicht zuletzt daran liegt, dass bei diesen Wettkämpfen auch die „reinen Schwimmer“ des Plymouth College teilnehmen, die so gut sind, dass sie 2012 sogar die 15-jährige Olympiasiegerin Ruta Meilutyte hervorbrachten. Und „Ja, na ja“-Wettkämpfe dienen immerhin als Ansporn.

An Olympia denkt Hierl noch nicht. „Das ist noch ein bisschen weit weg, erst mal will ich es in den nationalen Kader schaffen.“ Dafür nimmt er Mitte März an der Deutschen Meisterschaft teil. Über den deutschen Kader könnte man sich dann weiter für Europa qualifizieren, aber eins nach dem anderen. Nach Freizeit traut man sich fast nicht fragen. Es war ja schon nicht einfach, überhaupt einen Termin für das Telefonat ins zwar gerade verregnete, aber besser als gedachte England zu finden.