WM-Kolumne: Bierhoffs misslungenes Krisenmanagement

6.7.2018, 13:14 Uhr

Oliver Bierhoff auf dem Podium: Der Manager der deutschen Nationalmannschaft betreibt kein besonders glückliches Krisenmanagement. © Christian Charisius/dpa

Der Manager meldet sich zu Wort - muss er auch, die Fassade seines Hochglanzproduktes bröckelt schließlich ganz gewaltig. Oliver Bierhoff steht in diesen Tagen unter Druck, denn nicht wenige Beobachter vermengen das sportlich schwache Abschneiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit der medialen Überinszenierung derselben. Und für letztere ist Bierhoff, der Manager, mitverantwortlich.

"Die Mannschaft" werde zur WM schon in Hochform spielen, hatte Bierhoff trotz schwacher Testspiele vor Turnierbeginn verlauten lassen. Drei ernüchternde Vorrundenauftritte später sollte sich diese gutgemeinte Hoffnung als pure Fantasie outen. Gut, kann passieren. Hinterher ist man ja meistens schlauer.

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Die größte Baustelle schien im Vorfeld ohnehin nicht sportlicher, sondern politischer Natur. Das Treffen von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan bestimmte die Schlagzeilen und - das sickert immer mehr durch - auch die Atmosphäre im Team. "Jetzt reicht es dann auch", sagte Bierhoff Anfang Juni trotzdem und versuchte ziemlich blauäugig, einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen. Ein Fehler, nicht nur in der Retrospektive.

Der Welt hat Bierhoff nun ein beachtliches Interview gegeben. Beachtlich deshalb, weil sich ein ranghoher DFB-Funktionär zur Abwechslung tatsächlich kritikfähig zeigt. Und gleichzeitig einen seiner Spieler angreift.



Zum Fernbleiben Özils beim Medientag sagt der Manager in diesem Interview: "Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen." Und schiebt hinterher: "Insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet." Hat man aber nicht - ein Fehler, nicht nur in der Retrospektive.

"Man muss eben auch mal festhalten, dass Mesut das, was von ihm erwartet wurde, aus bestimmten und offensichtlichen Gründen so hätte nicht sagen können", sagt der Manager auch, ohne konkret zu werden. Frei nach dem Motto des ehemaligen Innenministers Thomas de Maiziére: Teile der Antwort könnten die Bevölkerung verunsichern.

Der Sündenbock

Große Teile der Öffentlichkeit haben sich ohnehin schon auf den Spielmacher des FC Arsenal eingeschossen, der - rein sportlich betrachtet - in Russland nicht viel anders auftrat als sonst. Die Körpersprache gehörte noch nie zu den Stärken des begnadeten Linksfußes - ihm das jetzt vorzuhalten, ist schlicht ungerecht.

Dass Bierhoff Özil nun erneut in den Fokus stellt, ohne die Hintergründe komplett aufzuklären, ist schlechter Stil. Im Prinzip beendet er die Nationalelf-Karriere des Spielmachers öffentlich, er macht den Sündenbock zum Sündenbock - dabei stünde ihm Selbstkritik deutlich besser. #ZSMMN scheinen Mannschaft und sportliche Leitung in den letzten Wochen nur in wenigen Fällen gearbeitet zu haben. Und die Fassade bröckelt weiter.