Stein: Vom Dachreiter zum scharfen Eck

19.5.2015, 06:00 Uhr

Los ging es an der alten Kirche und dem alten Spital. Letzteres ist heute ein Gasthaus mit Biergarten. Früher hatte es einen ganz anderen Zweck: Es diente als Krankenhaus und Seniorenheim, später als Schulgebäude für die Kinder aus den Handwerkerhäusern am Rednitzufer. Die alte Kirche wurde unterdessen zu Zinswohnungen, heute besser bekannt als Mietwohnungen, umfunktioniert, berichtet Heidemarie Dorn-Trautner. Heute ist sie Veranstaltungssaal.

Weiter ging es übers Bienenstöckle, das 1889 vom Verein für Bienenzucht als Treffpunkt und Umschlagsort für Honig gegründet wurde, zur Martin-Luther-Kirche. Die im neugotischen Stil erbaute Kirche entstand 1860 durch großzügige Spenden des Kirchenpatrons Lothar Faber. Er ermöglichte damit seinen Arbeitern, Gottesdienste in der eigenen Stadt zu besuchen.

In Anlehnung an den Spender ähnle der Kirchturm einem angespitzten Bleistift, so Dorn-Trautner. 1911 wurde der Kirche zu Ehren der Familie Faber-Castell eine Patronatsloge angefügt, die dem Patron das Recht auf einen besonderen Sitzplatz ermöglichte. Architektonisch gleiche sie einem angehängten Bienenstock, sagt die Architektin.

Werbung
Werbung

Lothar Faber führte also nicht nur die Firma Faber und später Faber-Castell durch Handelsbeziehungen bis nach New York in eine blühende Zukunft, auch die Stadt Stein verdankt ihm neben der Kirche zahlreiche ihrer Bauten. So wurden das erste Schulhaus Steins an der heutigen Alexanderstraße, aber auch die Wohnhäuser am Mecklenburger Platz oder der im schlichten Jugendstil erbaute Kindergarten Gräfin Ottilie auf sein Bestreben hin errichtet.

Hoch oben auf dem Kindergarten thront eine weitere architektonische Besonderheit – der Dachreiter. Dabei handelt es sich um ein Glockentürmchen, das auf dem Dach sitzt – eben „wie ein Reiter auf dem Pferd“, erläutert Dorn-Trautner. So erklärt sich der kuriose Name.

Uriges Fachwerk

Über Zinswohnungen und Dachreiter gelangte die Gruppe schließlich zum ältesten Gebäude Steins – dem scharfen Eck. Früher als Gasthaus „Goldener Adler“ und traditioneller Treffpunkt der Steiner Bürger bekannt, beherbergt das urige Fachwerkhaus heute die Stadtbücherei und das Heimatmuseum. Im Volksmund wurde es, vermutlich seiner Lage an der Straßenecke wegen, scharfes Eck genannt. Erst nach einem Brand und den anschließenden Sanierungsarbeiten gewann das ehemalige Wirtshaus an historischer Bedeutung.

Das verputzte Fachwerk des bis dato wenig glanzvollen Hauses gab mit Hilfe einer dendrochronologischen Untersuchung des Bauholzes Aufschluss über das tatsächliche Alter. Demnach wurde es bereits im Jahr 1522 erbaut. Heute erstrahlt das scharfe Eck als junge Kulturstätte und ältestes Gebäude Steins in neuem Glanz.