Stimmige Obermichelbacher Symbiose aus Alt und Neu

19.5.2015, 13:00 Uhr

Das mächtige Scheunentor aus dunklem Holz ist weit geöffnet. Hinter der Glastüre sieht man Kinder vorbeihuschen, wenig später öffnet eine Mutter die Tür und geht kurz darauf mit ihrem Sohn heraus. Was wie selbstverständlich aussieht, ist das Ergebnis harter Arbeit – und eines langen Prozesses.

Vor gut sechs Jahren stand die ehemalige Bauernscheune im Obermichelbacher Ortskern noch weitgehend verlassen da, war nach knapp 150 Jahren marode und heruntergekommen. „Das Gebäude war in einem extrem schlechten Zustand“, sagt Architekt Martin Dotterweich-Bort, „wir standen vor der Wahl: abreißen oder restaurieren.“ Da traf es sich gut, dass die Gemeinde gerade auf der Suche nach Räumlichkeiten für die Betreuung der Schulkinder war. Nach langen und teils kontroversen Diskussionen im Gemeinderat stand fest, dass die Scheune aufwändig restauriert werden soll. „Die Kosten dafür lagen sogar noch knapp unter denen für einen Neubau“, erklärt der Architekt, der gemeinsam mit seiner Partnerin Regine Bort die Planungen vorantrieb.

Etwa 1,1 Millionen veranschlagte das Duo für die anstehenden Arbeiten, rund ein Viertel wurde über staatliche Zuschüsse aufgefangen. Den Löwenanteil von etwa 800 000 Euro musste die Gemeinde jedoch selbst tragen. Die Hortbetreuung sei keine Pflichtaufgabe, erklärte Bürgermeister Herbert Jäger, „aber die Eltern erwarten, dass wir Plätze bereitstellen“. Es könne auch nicht sein, dass ein Kind zwar einen Kindergartenplatz bekäme, anschließend aber nicht mehr in einem Hort unterkomme.

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Folglich musste die Gemeinde das Projekt stemmen — und es immer wieder gegen Kritik verteidigen, wie der Bürgermeister bei der Ortsbegehung erklärte. Kritik, die erstaunt. Wer die lichtdurchfluteten Räumlichkeiten betritt, sieht bunt bemalte Girlanden zwischen alten Holzbalken hängen, die stellenweise noch original erhalten sind.

Auffällig sind aber auch die vielen Glasfronten, die das Architekten-Duo ganz bewusst eingeplant hat, „um eine durchgehende Belichtung zu schaffen“. Insgesamt bildet der gesamte Innenraum eine stimmige Symbiose aus Alt und Neu. Holz und Fachwerk hier, Glas und Kinderspielzeug dort.

Auch von der Straße aus betrachtet hält das Gebäude einige Schätze parat: An der einen Stelle dominiert Sandstein, an der nächsten fällt einem dunkles Fachwerk ins Auge, dessen Gefache beige geputzt sind. Doch die Fassade ist nicht nur optisch wertvoll, die ehemalige Scheune entspricht auch den neuesten Energiestandards. Im Innern brachten Arbeiter Hanfwolle an, dazu spezielle Klimaplatten, die für eine optimale Dämmung sorgen. Geheizt wird das Gebäude von einer Fußbodenheizung, die mit Energie aus dem Nahwärmenetz gespeist wird. Herbert Jäger erinnert sich ungern an den steinigen Weg, den das Projekt gehen musste, aber letztlich, sagt er, „haben mich die Bürger wiedergewählt“. Er lacht. Der Ärger ist längst vergessen.