Turbo-Lernen in der Kribbelzone

13.2.2015, 21:00 Uhr

Wie tief das wohl ist? Du reckst dich über das schlammige Ufer, um den Boden sehen zu können. Kleine Fliegen schwirren auf der glatten Oberfläche herum. Mama ruft „sei vorsichtig!“. Du überlegst dir, wie es wohl wäre, wenn – zu spät. Schnell purzelt der kleine Mensch in den Teich. Die Fische erschrecken, Mama bekommt einen Anfall, und das Kind weint.

Aber warum machen wir das? Dr. Herbert Renz-Polster beschreibt eine Theorie, nach der Kinder sich selbst bewähren, um an Widerständen zu wachsen. Ihre kindliche Neugier ist so groß, dass sie sich mit Absicht Herausforderungen suchen, die für sie schwer zu bewältigen sind. Aber der „Kick“ entlohnt die ganze Aktion. Renz-Polster nennt das die „Kribbelzone“. Eine Art Turbo-Lernen, bei dem die Kinder an ihren Erfahrungen wachsen. Erreichen sie zum Beispiel ein Ziel, wird die Kribbelzone verschoben und die Herausforderungen werden waghalsiger.

Der promovierte Arzt Herbert Renz-Polster forscht seit 2006 am Mannheimer Institut für Public Health der Universität Heidelberg. Er arbeitet als Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor und veröffentlichte zahlreiche Bücher zum Thema Entwicklung von Kindern. Vier grundlegende Kompetenzen muss sich jeder aneignen, meint der Experte: Selbstbewusstsein, Bewusstsein für andere, innere Stärke und Kreativität. Wie das gelingt, griff er in dem Vortrag auf.

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Eine innige Beziehung zu den Eltern ist wichtig, um Sozialkompetenz zu fördern, aber auch, um Sprechen zu lernen. In einigen Schulen, kritisierte Renz-Polster, würden Tablets verwendet, um das Sprachgefühl zu fördern. Wie sollen Kinder eine Sprache durch eine Maschine besser lernen, als im Dialog mit echten Menschen? Wortbedeutungen werden aus dem Kontext heraus erkannt, und das sei nur innerhalb enger Beziehungen möglich.

Als ein zentrales Problem sah er den Leistungsdruck, dem schon die Kleinsten sehr früh ausgesetzt seien. So dürften immer weniger Kinder einfach frei draußen spielen, da das Lernen drinnen den Erwachsenen wichtiger erscheine. Dabei übersähen Eltern nicht nur, dass eigene Erfahrungen der größte Schatz für den Wissenserwerb seien, sondern auch, dass Sitzen eine Gefahr sei. So werde ihr natürlicher Entwicklungs- und Forschertrieb unterdrückt. Vielleicht wäre aber genau das das Beste für unsere Kinder: einfach mal Kind sein.