„Vorsicht: rechts vor links in Wintersdorf“

29.9.2015, 06:00 Uhr

Dabei geht es den Wintersdorfern weniger ums Tempolimit, denn um die mit der 30er-Zone einhergehende Regelung „rechts vor links“. Zuvor hatten Autofahrer auf der Ansbacher Straße als Hauptverkehrsader Vorfahrt. Nicht unbegründet, wie Andrea Oeller und ein Dutzend weitere Wintersdorfer, die sich zum Ortstermin mit den FLN einfanden, meinen. Die meisten der elf Einmündungen auf der Ortsdurchfahrt seien absolut unübersichtlich. Hohe Hecken, blickdichte Zäune oder bis an die Straße gebaute Häuser und Garagen versperren die Sicht.

Am 9. September standen die Schilder, Andrea Oeller hat per WhatsApp ihre Familienangehörigen vorgewarnt: „Vorsicht, in Wintersdorf gilt jetzt rechts vor links“, den ergänzenden Kommentar bittet sie, nicht zu zitieren. Fürs Protokoll spricht sie von einem Schildbürgerstreich, andere reden von „Schwachsinn“. Die neue Regelung ist Ortsgespräch. „Und eigentlich ist das ganze Dorf dagegen“, sagt Andrea Oeller.

„Endlich ist mal was los bei uns“, beschreibt sie süffisant, was sie erlebt hat, seit Tempo 30 gilt: quietschende Reifen, zahlreiche Beinahe-Unfälle zwischen Autofahrern oder nur knapp dem Zusammenprall mit einem Pkw entkommene Radler. „Und die Kinder, zu deren Sicherheit die Neuregelung doch eingeführt wurde, wie Bürgermeister Thomas Zwingel per Postwurf an alle Haushalte erläutert hat, drohen bei der ganzen Verwirrung aus dem Blick der Autofahrer zu geraten“, meint Stefan Kuhle.

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Tempo 30 oder 50: Das ist den Kritikern egal: Die Ansbacher Straße sei bisher schon nicht geeignet gewesen, mit 50 Stundenkilometern durchzurauschen. Dafür sorgten beidseits geparkte Fahrzeuge und bewusst zur Drosselung des Tempos angelegte Baum- und Pflanzbuchten. Trotzdem, sagt Ordnungsamtschef Rieß, hätten die Autofahrer Tempo 50 durchaus ausgereizt, was Messungen belegten. Das Argument von Anton Fischer, Kraftfahrzeuge müssten nun ständig stoppen und wieder anfahren, was unnötig Emissionen verursache, lässt Rieß nicht gelten. „Dass alle, die von rechts kommen, jetzt rausschießen, verweis‘ ich ins Reich der Märchen. So rücksichtslos ist keiner“, sagt er.

Wenn, dann konsequent

Wenn Tempo 30, dann konsequent, meint er: Und das schließe zwingend rechts vor links ein, „andernfalls würde keiner langsam fahren“. Zur Ausnahme von der Regel, wie sie an beampelten Kreuzungen möglich sei oder in der Geisleithenstraße praktiziert werde, wo man Anliegern das laute Anfahren der Busse bergaufwärts erspare, sieht er in Wintersdorf keine Veranlassung. Selbst wenn das andernorts laxer gehandhabt werde — als Beispiel nennen die Wintersdorfer die Flaschenhofstraße in Nürnberg — sei das kein Grund, die gleichen Fehler vor Ort zu wiederholen.

Die neue Regelung sei nur die konsequente Fortsetzung dessen, was die Stadt abseits von Straßen mit übergeordneter Bedeutung flächendeckend verfolge: Eine Verkehrsberuhigung in allen Wohngebieten, Wintersdorf war der letzte Ortsteil, in dem die flächendeckende Einführung noch ausstand.

Doch an so mancher Einmündung sollte trotzdem die Ansbacher Straße vorfahrtsberechtigt bleiben, fordern die Beschwerdeführer. Zum Beispiel an der Frankenstraße: Nicht ohne Grund habe hier ein Stoppschild gestanden. Nun könnten die schweren Laster aus dem Bronnamberger Gewerbegebiet „rechts rum rausschießen“, sagt Frank Höppner. Gleich um die Ecke stehen noch die Pfosten, an denen bis vor kurzem die Bedarfsampeln für die Schulkinder hingen.

Die Ampel gab es bereits vor der Umgehung, als die Rothenburger Straße noch durch den Ort führte „und machte damals Sinn“, so Rieß. In der Vergangenheit sei sie mehr defekt als funktionsfähig gewesen. Selbst die Kinder, bestätigen die Anwohner, hätten sie kaum genutzt, weil sich genügend Lücken im Verkehr auftaten. Doch jüngst, als die Ampel wieder einmal streikte, habe eine Familie dem Bürgermeister vorgeworfen, die Stadt gefährde die Sicherheit ihrer Kinder, berichtet Rieß. „Das will kein Politiker auf sich sitzen lassen“, so Rieß. Ein Antrag der CSU auf Tempo 30 ging zeitgleich ein. Auf Verwaltungsebene wurde dann entschieden, Tempo 30 zu Schulbeginn einzuführen. Die Regelung, gibt sich Rieß überzeugt, „ist richtig, sinnvoll und sicher“.

Das sehen die Wintersdorfer anders. Vor allem an der Seewaldstraße mache sie überhaupt keinen Sinn. Wer hier nach links ausfahren wolle, könne sein Vorfahrtsrecht gar nicht nutzen, wenn auf der Ansbacher Straße von links ein Fahrzeug kommt und gleichzeitig die Parkplätze am gegenüberliegenden Straßenrand belegt sind. Dafür sei die verbleibende Fahrbahn zu eng, wie die Anlieger mit zwei Autos demonstrieren. Der Linienbus, der kurz darauf ungebremst an der vorfahrtsberechtigten Einmündung vorbeirauscht, erntet schallendes Gelächter. „Da hätt‘ ich jetzt mein neues Auto gehabt, hätt‘ ich auf meiner Vorfahrt beharrt“, unkt Oeller.