Angst vor leeren Regalen

Weihnachtsfrust in Bayern? Beliebte Geschenke könnten weg sein - oder teurer

21.10.2021, 06:00 Uhr

2020 fiel das Weihnachtsgeschäft für den stationären Einzelhandel noch ins Wasser - in diesem Jahr soll alles besser werden. Doch Lieferengpässe machen den Unternehmern Sorgen.  © Armin Weigel, NN

Verzweifelt schieben sich Menschen durch leere Regalgassen. Es fehlt an allem, an Grundnahrungsmitteln, Elektronik, Spielzeug, sogar das Benzin geht aus. Seit Wochen hat Großbritannien mit teils dramatischen Lieferengpässen zu kämpfen. Klar, der Brexit, keine Lastwagenfahrer - ein bisschen Vereinigtes Königreich aber ist überall. Auch Bayerns Einzelhändler leiden unter dem Mangel an Elektrochips, an explodierenden Frachtkosten, auch in Nürnberg, Fürth und Erlangen geht die Angst vor leeren Regalen um. Besonders im Weihnachtsgeschäft, der umsatzstärksten Zeit des Jahres.

Es ist schwierig, sagt Anita Stürcke. Die große Weltwirtschaft hat Folgen für ihren kleinen Spielwarenladen Kornblume in der Erlanger Innenstadt. "Die meisten Hersteller haben Lieferschwierigkeiten", sagt sie. Mal liegt es am Holz, das knapp ist, dann am Plüsch, immer wieder auch an der Corona-Pandemie. "Hin und wieder trudeln Teillieferungen ein, wir warten beispielsweise noch immer auf Textilien, die Anfang September hätten kommen sollen." Ob sie bis zum Weihnachtsgeschäft da sind? Bei einigen Spielzeugen wird es wohl eine Punktlandung. Oder eben nicht.

Britische Verhältnisse, das sagen alle Händler, sind nicht zu erwarten. "Ich rechne nicht mit leeren Regalen", sagt Spielwarenhändlerin Stürcke. Unproblematisch ist die Lage im Einzelhandel aber auch nicht. Im Gegenteil. "Weihnachten fällt nicht aus, das Christkind kommt nicht mit leeren Händen", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. "Aber Teilausfälle bei bestimmten Produktlinien sind durchaus möglich."

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Lieferengpässe sind "das Mega-Thema"

Am Weihnachtsgeschäft hängen Schicksale. Buchhändler etwa machen ein Drittel ihres Umsatzes im Weihnachtsgeschäft, die Spielwarenbranche ebenso, auch Schmuck ist beliebt. "Im Dezember entscheidet sich, ob es ein gutes oder ein schlechtes Jahr war", sagt Ohlmann. Die Lieferengpässen seien "das Mega-Thema", erklärt er, die Pandemie ist längst in den Hintergrund gerückt. "Vielen stehen die Schweißperlen auf der Stirn." In Mittelfranken klagen bis zu 80 Prozent der Händler über Lieferanten - verschont wird kaum einer. Häufig können sie Ware gar nicht oder nur in geringerer Stückzahl bestellen. Bestellungen kommen oft mit wochenlanger Verspätung an. Das trifft vor allem die ohnehin gebeutelten kleineren Geschäfte, denn: Große Ketten haben sich bereits vor Monaten gewappnet. "Für sie ist es leichter, Lagerkapazitäten zu schaffen", sagt Ohlmann.

Die Einzelhändler peilen für die kommenden Wochen einen Umsatz von zehn Milliarden Euro an, allein in Bayern. "Das wäre in etwa das Niveau vor der Coronakrise", sagt Ohlmann. "Viele Händler in den großen Innenstädten wie Nürnberg stehen weiter vor dem Abgrund." Gerade der Dezember soll sie retten. "Wir hoffen, dass die Lieferengpässe uns keinen Strich durch die Rechnung machen."

Frachtkosten explodieren

Probleme gibt es viele, weltweit. "Das ist ein Dominoeffekt", sagt Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut. Seit Monaten steigen die Rohstoffpreise, Chips, Holz, Stahl, aber auch Plastik werden unaufhörlich teurer. "Das Kunststoffgranulat, das für Spielzeug verwendet wird, ist etwa knapp, weil mehrere Produktionsstätten ausgefallen sind", erklärt Wohlrabe. Das bringt Sorgen in die Branche, die wie kaum eine andere vom Weihnachtsgeschäft lebt. "Bei Chips ist es anders, die arbeiten am Limit. Aber die Fabriken können die enorme Nachfrage nicht bedienen." Das hängt auch mit der Corona-Pandemie zusammen, sagt der Wirtschaftsökonom. "Viele Unternehmen waren während der Krise unsicher und haben sich zurückgehalten. Jetzt bestellt salopp gesagt die ganze Welt."

Parallel dazu explodieren die Frachtkosten. "Bei der internationalen Logistik ist Sand im Getriebe", sagt Wohlrabe. Zahlreiche Häfen in Asien blieben wegen Quarantänemaßnahmen geschlossen, Container warten wochenlang auf die Verschiffung. "Das ist gerade bei Massenprodukten von dort ein Problem. Sie kommen mit erheblicher Verzögerung in Europa an."

Das spürt auch Klaus Müller. Gerade zu Weihnachten decken sich viele Kunden in seinem Nürnberger Spielwarengeschäft Schweiger für das Fest ein. "Wir können aktuell nicht sagen, in welchem Container welche Ware ist - und wo er sich befindet", sagt der Unternehmer, der derzeit viel am Telefon hängt und mit Lieferanten spricht. Mit leeren Regalen zu Weihnachten rechnet er zwar nicht - auch wenn womöglich die eine oder andere Rennbahn in Sortiment fehlt. Die Preise, da ist sich Müller aber sicher, dürften in den kommenden Monaten steigen. "Wenn ein Container, der vor sechs Monaten 2000 Euro gekostet hat, jetzt 20.000 Euro kostet, ist das kein Wunder."

"Das ein oder andere Weihnachtsgeschenk wird teurer"

Die Krisen der Welt erreichen jetzt, kurz vor dem Weihnachtsgeschäft, Bayerns Einzelhändler. Zahlen werden das auch die Kunden. "Der Mangel wird sich teils in höheren Preisen für den Endverbraucher manifestieren", sagt Wohlrabe vom Ifo-Institut. "Die Händler wollen das nicht, aber sie sind dazu gezwungen." Was im Preis steigt, darüber lässt sich nur spekulieren, sagt der Wirtschaftsökonom. "Klar ist aber: Das eine oder andere Geschenk wird teurer."

Schon jetzt raten Wohlrabe, aber auch Bernd Ohlmann vom Handelsverband zu ersten Weihnachtseinkäufen. "Wer etwas bestimmtes haben will, der sollte jetzt tätig werden", sagt der Branchenvertreter. "Es braucht sicherlich etwas Flexibilität in der Auswahl." Wenn alle Stricke reißen, gebe es ja noch den klassischen Gutschein. Die Erlanger Spielwarenhändlerin Anita Stürcke ist jedenfalls tiefenentspannt. Auch wenn an Weihnachten sicherlich auch in der Kornblume nicht jedes Produkt verfügbar ist. "Das tut uns vielleicht auch mal ganz gut."