Wenig Glamour für "Großen Gatsby" in Gunzenhausen

2013 katapultierte Baz Luhrmann mit seinem gleichnamigen Film die Zuschauer in die Zeit der Goldenen Zwanziger. Die Kritik lobte nahezu einhellig den opulenten Bilderrausch, der mit Respekt vor Fitzgeralds Prosa auch die Skeptiker von Literaturverfilmungen überzeugte.

Nun also Theater. Sieben Darsteller der Theatergastspiele Kempf stellten sich in der Gunzenhäuser Stadthalle der Aufgabe, den Glanz und Glamour der „Roaring Twenties“ auf die Bühne zu bringen. Ein hoch gestecktes Ziel.

Die Goldenen Zwanziger setzten in der USA mit einem frühen Wirtschaftsaufschwung ein, Jazz war die angesagte Musikrichtung, man tanzte Charleston und Shimmy, die kurzen kecken Kleider der Partygirls galten als unmoralisch, Alkohol floss in Strömen, und eine ungebärdige, wilde Gesellschaft feierte sich selbst. Eine Partynacht dauerte bis zum Morgengrauen, und dem Erwachen aus dem hysterischen Glamour der Nacht versuchte man mit einer Kaskade von Partys und Ausflügen im für die Oberschicht gerade modern gewordenen Automobil zu entfliehen.

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In der Bühnenfassung des Gelsenkirchener Dramaturgen Gerold Theobalt wird die Erzählfigur des Romans, Nick Carraway, zum Vertrauten der Zuschauer. Er ist Moderator des Geschehens, ihn begleiten die Zuschauer in den Salon seiner Cousine Daisy, die den reichen Sportsmann Tom Buchanan geheiratet hat. Der grobschlächtige Buchanan ist es gewöhnt, sich zu nehmen, was er will. Er hat einen Hang zu Affären und betrügt Daisy mit Myrtle Wilson, der Frau eines Automechanikers. Dabei bemüht er sich nicht gerade um Diskretion. Nick muss ihn sogar zu seinen Treffen mit seiner Geliebten begleiten.

Abend für Abend beobachtet Nick, wie sein Nachbar, Mister Gatsby, rauschende und in ganz New York legendäre Partys feiert. Schon von ferne rätselt er, wer dieser geheimnisvolle Gastgeber wohl sein mag. Selbst als er eine Einladung zu einem der rauschenden Feste erhält und Mister Gatsby persönlich begegnet, wird er nicht schlau aus diesem Menschen. Wie ist er zu seinem Reichtum gekommen? Ist er ein Verbrecher? Warum macht er trotz all der vielen Leute, die ihn umgeben, den Eindruck, ein Leben ohne Freunde in völliger Einsamkeit zu führen?

Vergangen und unumkehrbar

Gatsby macht Nick zu seinem Vertrauten und hofft, mit seiner Hilfe seine Jugendliebe Daisy zurückzugewinnen. Ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, denn – so ein immer wiederkehrendes Motiv im Roman wie im Stück — die Vergangenheit lässt sich nicht zurückholen.

Morbid ist diese Gesellschaft. Sie spielt leichtfertig mit menschlichen Emotionen, und am Ende wird es Tote geben, Opfer einer unmöglichen Liebe, der unüberbrückbaren Kluft zwischen altem Geldadel und neuem Reichtum, eines verzweifelten Dazugehören-Wollens und der schmerzhaften Zurückweisung.

Thematik und Verlauf der Handlung verlangen nach großem Theater, nach Pomp und Protz, nach Musik und in Hysterie überschwappender guter Laune. So hat es sicher auch die Regisseurin Silvia Armbruster gesehen und ihren sieben Darstellern vermittelt. Leider hat es an diesem Theaterabend nicht so recht funktioniert.

Mit Ausnahme von Hendrik Winkler als Nick Carraway sind alle anderen Protagonisten einen Tick zu laut, die Balance jeder einzelnen Figur am Abgrund kommt nicht so recht zur Geltung. Hans Piesbergen als Jay Gatsby ist ein bisschen zu nah am lärmigen Prahlhans Tom Buchanan (Thorsten Nidel) und kann deshalb die Aura des undurchschaubaren Nostalgikers nicht aufrechterhalten. Ursula Buschhorn schenkt ihrer Daisy eindeutig zu viel ein, und ihr Hin- und Hergerissensein zwischen Buchanan und Gatsby kann leicht als trunkenes Torkeln missdeutet werden. Nicole Lohfink gibt eine maskenhafte Jordan Baker, der man eine romantische Liaison mit Nick nicht zutrauen will.

Die Theaterparty kommt einfach nicht in Gang, obwohl sich Regie und Darsteller mit Tanz und musikalischen Einlagen sowie rasanten Automobil- und Sofa-Fahrten mühen und sogar die Puppen tanzen lassen. Schwer macht es auch die vollständig fehlende Lichtregie, die die Darsteller in einem voll ausgeleuchteten, aber fast leergeräumten Bühnenraum unglaublich verloren aussehen lässt.

Kein magisches Licht

Vielleicht erscheint die Kritik an der Lichtregie kleinlich, doch es soll nicht vergessen werden: „Der große Gatsby“ lebt in der Romanfassung und selbstverständlich auch in der Verfilmung vom Licht. In der zentralen Partyszene ist bei F. Scott Fitzgerald vom wogenden „Meer aus Gesichtern, Stimmen und Farben im sich ständig verändernden Licht“ die Rede. Der Autor schafft mit seinen Worten selbstverständlich auch optische Reize: „Die Lichter werden immer heller, während sich die Erdkugel langsam von der Sonne abwendet, und nun spielt das Orchester gelbe Cocktailmusik, und die Oper aus den Stimmen der Gäste rutscht eine Tonlage höher.“

Bei einer Theaterfassung ohne schillerndes Licht gelingt es den Protagonisten nicht, locker zu bleiben und die Party laufen zu lassen. Umso lockerer nehmen es die Zuschauer, die von den Theatergastspielen Kempf schon mit grandiosen Inszenierungen überrascht worden sind und ihnen sicher auch weiterhin die Treue halten. Und so gab es großzügigen Applaus für den zurechtgestutzten großen Gatsby.