Anbindung variiert stark: Nicht jede Firma nutzt VAG-Ticket

15.11.2019, 14:01 Uhr

Großer Andrang: Die Regionalbahn nach Cadolzburg hält im Hauptbahnhof Fürth. "Zusätzlich zu den heutigen Nutzern wären viele Menschen grundsätzlich bereit, regelmäßig den ÖPNV in ihre tägliche Mobilität zu integrieren, wenn die Verbindungen schneller, die Fahrpreise günstiger und die Tarifsysteme leichter verständlich wären", sagt der ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Hildebrandt. © Archivfoto: Horst Linke

Datev: "Gerade in der aktuellen Diskussion um Klimaschutz und Nachhaltigkeit spielt der ÖPNV aus unserer Sicht eine wichtige Rolle", sagt Ulrike Hering, Abteilungsleiterin "Personal.Business Partner" bei der Datev eG in Nürnberg. "Ohne ÖPNV wäre es unmöglich, unsere 7000 Mitarbeiter in der Stadt effizient an die jeweiligen Arbeitsstätten zu bringen." Auch für Kunden und Partner sei die Möglichkeit, mit den Öffentlichen zu dem Softwarehaus zu kommen, sehr attraktiv. "Wer beispielsweise mit der Bahn anreist, kann bequem und schnell per U-Bahn zu unseren Standorten an der Fürther Straße gelangen", sagt Hering. "Das geht schneller als mit dem Taxi."

Anders sehe es dagegen an den Standorten in der Sigmund-/Virnsberger Straße aus. Die Entfernung zu den nächstgelegenen U-Bahnstationen dort betrage zirka zwei Kilometer. Die durchschnittliche Fahrzeit mit dem Bus von der U-Bahnstation Maximilianstraße bis zur Datev liege bei 15 bis 20 Minuten – viel zu lange also für eine attraktive Anbindung. Erste Gespräche mit der VAG und der Verkehrsplanung Nürnberg, um die Situation zu verbessern, hätten stattgefunden. Zudem hoffe das Unternehmen auf eine VAG-Rad-Station in der Virnsberger Straße, so dass Mitarbeiter die "letzte Meile" zwischen Standort und U-Bahn mit dem Fahrrad zurücklegen können.

Werbung
Werbung

Die Datev gehört zu den ersten und größten Kunden des VAG-Firmenabos mit über 3000 Nutzern. Die für das gesamte Verbundgebiet und ohne Ausschlusszeit gültige Fahrkarte bietet die Genossenschaft ihren Mitarbeitern seit 1991 zu stark vergünstigten Konditionen an – Zuschüsse machen es möglich.

2000 Stellplätze für Drahtesel

Siemens: Auch die Siemens AG betont den wachsenden Stellenwert des Öffentlichen Nahverkehrs. "Der gerade in Erlangen entstehende Siemens Campus soll der erste CO2-neutrale Siemens-Standort werden und bis 2030 soll das ganze Unternehmen CO2-neutral sein", skizziert Bernhard Lott, Pressesprecher der AG in Bayern. "Dazu ist es natürlich wichtig, dass auch unsere Mitarbeiter möglichst klimaneutral an ihren Arbeitsplatz kommen."



Noch sei das Unternehmen mit seinen derzeit 45.000 Mitarbeitern in der Metropolregion Nürnberg relativ weit davon entfernt; gerade mal fünf bis zehn Prozent nutzten das Firmenabo. Das liege wohl an der vergleichsweise schlechten und unregelmäßigen Anbindung vieler ländlicher Gebiete, aus denen etwa am Standort Nürnberg etliche Siemens-Mitarbeiter kämen, mutmaßt Lott.

Andererseits radelten gerade in der Fahrradstadt Erlangen auch viele Siemensianer zur Arbeit; am neuen Campus entstünden deshalb – und auch um einen Anreiz zu setzen – allein 2000 Stellplätze für Drahtesel.

Verbesserte Park+Ride-Angebote nötig

ADAC: Der ADAC Nordbayern e.V. beschäftigt rund 200 Mitarbeiter an zwölf Standorten, zwei davon sind in Nürnberg, weitere etwa in Amberg, Bamberg, Erlangen und Fürth. Je nach je nach Standort und Lage gibt es für die Mitarbeiter dort zwischen null und 40 Parkplätze. Auch der ADAC Nordbayern bietet seinen Mitarbeitern ein VGN-Firmen-Abonnement an. In der Region Nürnberg-Fürth nutzen dieses 17,5 Prozent der ADAC-Beschäftigten.

"Zusätzlich zu den heutigen Nutzern wären viele Menschen grundsätzlich bereit, regelmäßig den ÖPNV in ihre tägliche Mobilität zu integrieren, wenn die Verbindungen schneller, die Fahrpreise günstiger und die Tarifsysteme leichter verständlich wären", glaubt ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Hildebrandt. Außerdem bedürfe es beispielsweise verbesserter Park+Ride-Angebote an Verknüpfungspunkten zum ÖPNV, die weiter außerhalb der Ballungsräume liegen. Echtzeitdetektion der Stellplatzbelegung könne ein Baustein sein, den Umstieg auf den ÖPNV attraktiver zu gestalten, sagt Hildebrandt.

Verlässlichkeit als zentrales Stichwort

ETA: Wie wichtig und mitunter schwierig die Anbindung an den ÖPNV für ein produzierendes Unternehmen im Umland ist, berichtet der Schutzschalter-Hersteller ETA in Altdorf: "Wir haben sehr viele Mitarbeitende aus dem Stadtgebiet Nürnberg/Fürth. Für sie ist eine verlässliche Anbindung über die S-Bahn-Linie aus Nürnberg von hoher Bedeutung", erklärt Thomas Weimann, Leiter der Unternehmenskommunikation.

Dabei sei Verlässlichkeit das zentrale Stichwort. In den vergangenen Jahren habe es immer wieder unvorhergesehene Ausfälle bei Zügen – vor allem aus technischen Gründen, gegeben, was die Anbindung selbstredend sehr unsicher mache. "Es würden sicher viel mehr unserer Mitarbeitenden die S-Bahn nutzen, wenn sie nicht mit häufigen Ausfällen rechnen müssten", glaubt Weimann. Dabei funktioniere auch der Ersatzverkehr nicht zufriedenstellend. Durch eine sehr flexible Arbeitszeitpolitik mit über 250 verschiedenen Modellen sei es den Angestellten dennoch möglich, den Nahverkehr zu nutzen, sagt der Pressesprecher.



Gut sei dagegen die neue Schnellbuslinie nach Lauf. Wichtig wäre aus Sicht von ETA zudem eine verlässliche und regelmäßige Verbindung nach Neumarkt. Denn auch dort lebten viele der aktuell 640 Altdorfer ETA-Mitarbeiter. Grundsätzlich schwierig am Öffentlichen Nahverkehr in der Metropolregion Nürnberg findet ETA die – etwa im Vergleich zu Berlin – hohen Kosten. Über eine attraktivere Preisgestaltung ließen sich starke Anreize setzen und so die Attraktivität gegenüber dem Auto stärken, meint ETA. Der Mittelständler diskutiere derzeit über die Bezuschussung von ÖPNV-Tickets, berichtet Weimann. Die Firmenleitung werde 2020 erstmals ein Budget für klimafreundliche Maßnahmen zur Verfügung stellen, über dessen Verteilung dann ein Mitarbeiter-Gremium entscheiden soll.

Fahrgemeinschaften als Alternative

KSB: Schwenk ins oberfränkische Pegnitz zum Pumpenhersteller KSB SE & Co. KGaA. "Sowohl Beschäftigte und Auszubildende als auch KSB-Mitarbeiter aus anderen Ländern und Kunden nutzen teilweise den ÖPNV", berichtet der örtliche Personalleiter Volker Plotz. Die Lage des Bahnhofs direkt gegenüber dem Pegnitzer Werk sei dafür perfekt. Auszubildende hätten darüber hinaus den Vorteil, dass sie auch die Berufsschule von dort zu Fuß erreichen könnten. Allerdings seien die Busverbindungen in der Region noch verbesserungswürdig; die zeitlichen Abstände zwischen einzelnen Fahrten viel zu groß. Für Fahrzeuge der rund 1600 Mitarbeiter am KSB-Standort Pegnitz stünden denn auch 1100 Stellplätze bereit. Aufgrund des Dreischicht-Betriebs und des damit verbundenen zeitversetzten Arbeitens gebe es beim Parken keine Probleme. Urlaub, Dienstreisen und Gleitzeit entzerrten die Lage weiter.

Derzeit gibt es bei dem Mittelständler noch kein Firmenticket. Sollte sich jedoch das Busangebot in der Region verbessern und der ÖPNV eine attraktives Angebot dazu erstellen, würde KSB ein solche Karte schon erwägen, sagt Plotz. Gerade in manchen entlegenen Regionen führe heute kein Weg an der Nutzung von eigenen Fahrzeugen vorbei. Lediglich durch Fahrgemeinschaften könne dies etwas umweltfreundlicher werden.

Kostenfreier Bus-Shuttle bei Adidas

Adidas: Großzügig in Sachen Öffentlicher Nahverkehr zeigt sich der Sportartikel-Hersteller Adidas: "Wir erstatten allen Mitarbeitern an unserem Hauptsitz in Herzogenaurach auf Antrag die Fahrtkosten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln", heißt es von dort. Darüber hinaus biete Adidas einen kostenfreien Bus-Shuttle von Nürnberg und Fürth nach Herzogenaurach an.

Am Standort Herzogenaurach stünden für die rund 5600 Mitarbeiter zwei Parkhäuser mit insgesamt 3500 Stellplätzen zur Verfügung, berichtet Stefan Pursche, Senior Manager Media Relations bei Adidas. Für Radfahrer gebe es Duschen und Umkleideräume sowie gesicherte Fahrradstellplätze mit einer Reparaturstation. Elektrofahrräder können kostenfrei geladen werden. Auf dem Campus des Unternehmens gebe es zudem kostenfreie Mietfahrräder für die Mitarbeiter.