Messe ITB: Der Tourismus wird total digital

18.3.2017, 08:00 Uhr

Die Digitalisierung, die nun auch mit voller Wucht die Reisebranche erreicht hat, ist für viele noch derart abstrakt, dass kleine Helferlein den Megatrend veranschaulichen müssen. Schon auf der vergangenen Reisemesse ITB vor einem Jahr wurde eine sprechende Frauenpuppe aus Japan präsentiert, die etwa an der Hotelrezeption Kunden empfangen soll. Das tat sie noch reichlich hölzern und ungelenk, viele taten das Thema daher als Spinnerei ab. Doch heuer steht "Pepper" auf der Messe, eine niedliche weiße Puppe in Menschengestalt, die Urlauber anspricht und sie auf ihrem Display mit Reiseinformationen versorgt.

Digitalisierung in der Reisewelt bedeutet also, dass künftig sichtbare oder unsichtbare Roboter Aufgaben übernehmen, für die man nicht mehr unbedingt einen Angestellten aus Fleisch und Blut bezahlen muss. Doch in Berlin zeigen sich neben der Robotik noch mehr Megatrends, die die Branche wohl bald durcheinanderwirbeln. Die Schlagworte sind: Augmented Reality, Individualisierung, das Internet der Dinge und sogenanntes Seamless Travel.

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In Berlin an einem Strand umschauen

Touristikunternehmen tun gut daran, diese Trends nicht zu verschlafen, um ihre Existenz zu retten. Experten wie der touristische Trendforscher Oliver Puhe sind sich einig, dass die Digitalisierung helfen wird, Produkte und Dienstleistungen noch besser zu machen, weil sie dem Kunden jederzeit und an jedem Ort nur für ihn relevante Informationen bietet. So werden auch maßgeschneiderte Zusatzangebote zu moderaten Kosten möglich, denen die Gäste möglichst nicht widerstehen sollen. Denn schließlich geht es darum, einen Wettbewerbsvorteil zu haben und Geld zu verdienen. Große IT-Konzerne oder soziale Plattformen sind da die erfolgreichen Vorreiter.

Zögerlich tauchten die ersten Vorboten der Digitalisierung auf der Berliner Reisemesse auf: Wurden in den vergangenen Jahren sogenannte Virtual-Reality-Brillen an wenigen Ständen vorgestellt, mit denen man sich in den Berliner Hallen zum Beispiel an einem karibischen Strand umschauen konnte, ist nun vor allem von "Augmented Reality" (erweiterte Realität) die Rede, die den Betrachter nicht an einen anderen Ort beamt, sondern reale und virtuelle Welt verschmilzt.

Information zur Umgebung

Das Smartphone etwa ermittelt via GPS-Koordinaten den Standort, und das Gerät spielt dem Besitzer zum Ort passende Zusatzinfos als Bilder, Videos oder Ansage aufs Display, ins Brillenglas oder ins Ohr. Die Umwelt wird also nicht ausgeblendet, sondern etwa mit Wissenswertem zum betrachteten Gebäude oder mit Bewertungen eines Restaurants angereichert. Denkbar ist auch, dass die Technik durch den Flughafen zum Gate führt. Zum Massentrend wurde Augmented Realitiy übrigens durch das Spiel Pokémon Go, die technischen Standards stehen also schon zur Verfügung, und die Datenmengen sind im Gegensatz zur virtuellen Realität überschaubar.

Wer ins Reisebüro geht, tut das aus verschiedenen Gründen: Er kennt vielleicht schon seinen Berater, dieser kennt die Vorlieben des Kunden und nimmt ihm viel Arbeit bei der Zusammenstellung der Reise ab. Diese Fähigkeit des Reisebüromitarbeiters hätte die digitale Reisewirtschaft auch gerne und arbeitet mit Hochdruck daran. Voraussetzung: Ein eventueller Verkaufsroboter muss so viel wie möglich über seinen Kunden wissen.

Die Quellen dafür gibt es schon: Facebook, Google oder Amazon verkaufen die Daten ihrer Nutzer, die bereitwillig ihre Vorlieben in Kundenprofilen preisgeben. Analysesoftware zapft die Daten an und macht in Internetportalen gezielte Angebote. Um mit der Software kommunizieren zu können, werden sogenannte Chat-Bots oder Sprachroboter zwischengeschaltet. Der Kunde hat das Gefühl, eine maßgeschneiderte Reise zu bekommen, der Reiseverkäufer spart viel Geld.

Ein echtes Sprachtalent

Die Digitalisierung macht künftig auch präzisere Kundenbetreuung möglich. Ein Beispiel für das Internet der Dinge wird schon im Disney Park in Paris eingesetzt: Jeder Gast bekommt ein Armband, das ihn von besonders überlasteten Attraktionen fernhält und so die Besucherströme steuert. Und auf Kreuzfahrtschiffen bestellen schon heute Passagiere ihr Menü im Voraus per App, während ihnen bald per Armband, das ihren Aufenthaltsort an Bord lokalisiert, zubuchbare Angebote gemacht werden.

Roboter "Pepper", der auf der ITB vorgestellt wurde, hat einen großen Vorteil: Er ist ein echtes Sprachtalent und spricht 20 Idiome. Gerade auf Kreuzfahrtschiffen könnte er viele Verständigungsprobleme lösen. Weil der Passagier aber nicht mit einem Kasten wichtige Dinge besprechen will, gibt man ihm das Gefühl menschlicher Wärme, indem die Roboter eine humanoide Gestalt bekommen und sogar Gesten und Gefühle erkennen.

Die Technik kommt zwar nicht so recht aus den Kinderschuhen heraus, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis man mit ihrer Hilfe Flüge reservieren, an der Rezeption ein Zimmer buchen oder sich auf der Suche nach dem richtigen Weg im Freizeitpark mit einer Frage an Roboter wenden kann.

Wer dennoch den Weg nicht findet, kann "Seamless Travel", das nahtlose Reisen nutzen. Diese Technik soll stressfreies Reisen möglich machen - der Urvater ist etwa das Navigationsgerät im Auto. Weiterentwicklungen führen Passagiere per App und Smartphone von ihrer Haustür bis zum Flughafengate, indem sie zum Beispiel genau sagen, wann man am besten das Haus verlässt und auf Wunsch automatisch ein Taxi bestellen. Dabei berücksichtigen sie etwa, ob auf dem Weg ein Stau und wie lange die Schlange vor den Sicherheitskontrollen ist.

Beim nahtlosen Reisen bekommt man also eine Art Butler an die Seite gestellt, der aufpasst, dass nichts schiefgeht - und wenn doch, dann hilft er mit Rat und Tat weiter. Derart umsorgt bleiben die Kunden treuer als früher, so die große Hoffnung.