Nürnbergs IHK-Chef: "Ich habe das Club-Gen"

6.10.2020, 07:57 Uhr

Herr Zitzmann, Sie führen mit der Nürnberger Versicherung seit Jahren einen großen Konzern, engagieren sich in diversen Verbänden und Organisationen, im März wurden Sie zum Präsidenten der IHK Nürnberg für Mittelfranken gewählt, kurz: Sie sind ein waschechter Manager. Was wollten Sie eigentlich als Kind werden?

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Zitzmann: Fußball-Profi, weil ich nichts lieber gemacht habe, als Fußball zu spielen. Ich bin sogar in der mittelfränkischen Jugendauswahl des Bayerischen Fußball-Verbandes gewesen. Dort war auf meiner Position allerdings dann einer besser – der hieß Lothar.

Der Lothar? Matthäus?

Zitzmann: Genau der.

Was reizt Sie eigentlich am IHK-Präsidentenamt?

Zitzmann: Die Selbstverwaltung, das Kammerwesen, ist ein wesentlicher Baustein für den Erfolg der mittelfränkischen Wirtschaft. Es hat mich gereizt, hier mitzuwirken und meinen Beitrag zu leisten. Als ich gefragt wurde, ob ich für das Amt des IHK-Präsidenten kandidieren wolle, habe ich Rücksprache mit dem Aufsichtsrat der Nürnberger Versicherung gehalten. Denn natürlich kosten Ehrenämter auch Zeit. Aus meiner Sicht ist das jedoch sehr gut investierte Zeit. Klar ist aber, dass meine Arbeit im Nürnberger-Konzern an erster Stelle steht und wichtige Termine dort vorgehen. Die Kammer hat ja auch einen Hauptgeschäftsführer und mehrere Vizepräsidenten, die mich bei IHK-Terminen gut vertreten können. Und es gibt eine exquisite Mannschaft. Ohne Teamwork geht es sowieso nicht.

Corona hat sich in den vergangenen Monaten zu einem Riesenproblem für die Wirtschaft ausgewachsen, auch für die exportstarke mittelfränkische Industrie. Hand aufs Herz: Haben Sie bei Ihrem Amtsantritt im März damit gerechnet, dass das Virus solche Kreise ziehen wird?

Zitzmann: Es gibt zwar Versicherungsmodelle, in denen berücksichtigt wird, dass ein Virus weit um sich greifen kann. Ein Lockdown, wie wir ihn erlebt haben, ist allerdings in keinem Modell vorgekommen. Die Wirtschaft in Deutschland und in der Region ist durch den Lockdown zum Glück nicht zum Erliegen gekommen, die Arbeit ging in vielen Unternehmen weiter, auch in der Nürnberger Versicherung: Wir haben sofort die Homeoffice-Möglichkeiten ausgebaut. Was mich bei der Corona-Pandemie erstaunt hat, ist, dass sie in der Welt so unterschiedlich verläuft, was die Zahl der Infektionen und Todesfälle betrifft. Mir hat das mit Blick auf Deutschland nicht zuletzt gezeigt, dass wir ein tolles Gesundheitssystem haben.

Experten gehen davon aus, dass wegen der Coronakrise eine Pleitewelle auf uns zurollt. Wie schätzen Sie die Lage in Mittelfranken ein?

Zitzmann: Es wird Pleiten geben – in welchem Ausmaß, ist seriös noch nicht abzuschätzen. Es gab und gibt alle möglichen Hilfen, damit an sich gesunde Firmen, die wegen Corona massiv unter Druck sind, überleben. Wenn Unternehmen allerdings quasi im Dauer-Lockdown sind, weil – Beispiel Hotellerie, Gastronomie und die Touristikbranche – keine Gäste kommen und kaum einer in ein Flugzeug steigt, dann stellt sich die Frage: Wie lange kann eine Firma, ein Selbstständiger das durchhalten? Und in diesem Zusammenhang auch: Wie schnell gelingt es, dass zum Beispiel in Nürnberg wieder Messen stattfinden? Die Aussteller und Besucher sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region.

Kurzarbeit gilt als probates Mittel, Arbeitsplätze zu sichern, ist aber auch eine teure Sache für die Bundesagentur für Arbeit und den Steuerzahler. Was halten Sie von der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2021?

Zitzmann: Eine Verlängerung halte ich prinzipiell für gut – wenn die Bundesagentur für Arbeit die Möglichkeit hat zu prüfen, ob die Kurzarbeit in den Firmen, die sie in Anspruch nehmen, auch gerechtfertigt ist. Es wird bei staatlichen Maßnahmen dieser Art immer Mitnahmeeffekte geben. Ich glaube zwar nicht, dass diese in Deutschland überbordend groß sind. Allerdings besteht grundsätzlich die Gefahr, dass Unternehmen mit dem Instrument Kurzarbeit schmerzhafte, aber notwendige strukturelle Anpassungen noch länger hinauszögern – und das ist nicht gut, weder für die Firmen noch für den Steuerzahler.

Apropos Geld: Die Europäische Zentralbank betreibt seit etlichen Jahren eine extrem lockere Geldpolitik, um die Wirtschaft im Euroraum zu stimulieren – was für die Sparer hierzulande mickrigste Zinsen bedeutet und viele Vorsorgeprodukte wie etwa Lebensversicherungen wenig attraktiv macht. Was sagen Sie zum Agieren der EZB: Richtig - oder könnten Sie in den Tisch beißen?

Zitzmann: Ja, ich könnte in den Tisch beißen. In Sonderfällen wie der Finanzmarktkrise vor gut zehn Jahren oder jetzt der Corona-Pandemie ist die lockere Geldpolitik richtig – aber nicht in den Jahren dazwischen. Die extreme Niedrigzinspolitik erleichtert eine ständig steigende Neuverschulung von Staaten – ich denke da vor allem an südeuropäische Mitgliedsländer -, gleichzeitig fehlt durch das billige Geld der notwendige Druck zu strukturellen Reformen. Und für die jüngere Generation wird es durch die EZB-Politik immer schwieriger, sich ein finanzielles Polster aufzubauen und für später vorzusorgen.

Mit Durststrecken kennt sich auch der 1. FC Nürnberg aus. Die Nürnberger Versicherung ist seit 2016 Hauptsponsor des Vereins – was sagt das über Sie aus, sind Sie ein "Clubberer"?

Zitzmann: Mein erstes Fußballtrikot war 1966 das der E-Jugend des 1. FCN. Danach habe ich auch das von Vestenbergsgreuth getragen. Ich freue mich immer, wenn die Fürther gewinnen – außer, es geht gegen Nürnberg. Meine erste FCN-Dauerkarte hatte ich übrigens 1968. Also, ich habe schon das Club-Gen in mir (schmunzelt).

Und wie halten Sie sich fit?

Zitzmann: Ich spiele Golf, laufe, fahre Rad. Auf Anraten meiner besseren Hälfte mache ich seit einiger Zeit auch Yoga – dabei habe ich erfahren, dass meinem Körper Dehnfähigkeit fehlt.

Yoga soll ja auch für den Geist sehr gut sein und zu innerer Ruhe verhelfen. . .

Zitzmann: Ich bin früher durchaus explosiv gewesen. Ruhig werde ich zwar nie werden – aber Yoga hilft.


Zur Person:

Armin Zitzmann, Jahrgang 1960, hat seit 1993 leitende Funktionen bei der Nürnberger Versicherung inne, seit 2013 steht er als Vorstandsvorsitzender an der Spitze des 1884 gegründeten Konzerns. Der promovierte Diplom-Kaufmann, der an der Universität Erlangen-Nürnberg studiert hat, wurde im Dezember 2017 zum Vizepräsidenten der IHK Nürnberg für Mittelfranken gewählt. Seit März bekleidet der gebürtige Nürnberger das Präsidentenamt der Kammer. Zitzmann ist verheiratet und hat drei Töchter.