Umsatzeinbußen im Weihnachtsgeschäft

"Regelungsirrsinn" im Handel wegen 2G: "Dagegen werden wir klagen"

3.12.2021, 19:18 Uhr

Ein Schild am Eingang eines Modegeschäfts weist auf die 2G-Regel hin. © Carsten Koall, dpa

Timm Homann ist sauer. Er spricht von "Regelungsirrsinn", einer "Bananenrepublik" und "undemokratischen" Entscheidungen. Was Homann, Chef der Bekleidungskette Ernsting's Family, so aufbringt, sind die neuen Corona-Maßnahmen. Bund und Länder haben am Donnerstag eine 2G-Pflicht für den Einzelhandel beschlossen. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen nur noch Geimpfte und Genesene einkaufen, allein Geschäfte des täglichen Bedarfs sind weiterhin für alle zugänglich.

Für Homann ein Unding. "Die Maßnahmen der Politik gegenüber dem Handel sind reine Symbolpolitik und haben keinerlei Sachbezug", zitiert der Spiegel den Manager, basierend auf einer von einem Unternehmenssprecher verschickten Stellungnahme. Der Konzern sieht sich ungerecht behandelt, verweist auf Zuwächse im Geschäft bei Supermärkten und Drogerien, die bereits in den vergangenen Shutdowns vermehrt Mode angeboten hätten. "Glauben Sie, dass irgendwo eine Socke oder ein T-Shirt weniger verkauft wurde?"

"Es ist brutal"

Werbung
Werbung

Ernsting's Family ist nicht das einzige Unternehmen, das die 2G-Regel kritisch sieht. Auch Deutschlands größter Schuhhändler Deichmann hält weitere Einschränkungen im Einzelhandel angesichts der vorhandenen Hygienekonzepte "nicht für notwendig". Patrick Zahn, der Chef des Textil-Discounters Kik, sieht in der 2G-Regelung nur eine "Show-Maßnahme" der Politik, sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "In den drei Bundesländern wo 2G schon praktiziert wird, machen wir 30 Prozent weniger Umsatz - und das bei vollen Kosten, weil wir niemanden in Kurzarbeit schicken können", klagt der Manager. "Es ist brutal."

Gleichzeitig bekämen die Mitarbeiter die Aggressionen vieler Kunden zu spüren, wenn sie die Einhaltung der 2G-Regel überprüften. "Die Kunden verstehen nicht, dass sie im Drogeriemarkt nebenan problemlos einkaufen können, bei uns aber Impfausweis und Personalausweis rausholen müssen", sagte Zahn. Im April war der Textil-Discounter in die Schlagzeilen geraten, weil er seine Filialen trotz Lockdown offen hielt. Auch damals duften nur Geschäfte des täglichen Bedarfs öffnen - Kik sah sich aufgrund seines Sortiments als ein solches Geschäft.

Weihnachtsgeschäft lief schlecht an

Die Einschränkung trifft die Geschäfte in einer ohnehin schon wenig rosigen Lage. Eine Umfrage des Handelsverbandes unter seinen Mitgliedern zeigte am Wochenende, "dass nur 20 Prozent der 350 befragten Unternehmen mit den Umsätzen im bisherigen Weihnachtsgeschäft zufrieden sind". Denn die vierte Corona-Welle trübt die Stimmung der Verbraucher, wie die Konsumforscher der Nürnberger GfK feststellten. Die Neigung zu Anschaffungen sei auf ein Neun-Monats-Tief gesunken.

Der Präsident des Handelsverbandes Deutschlands, Josef Sanktjohanser, hatte bereits einen Tag vor der Entscheidung des Bund-Länder-Gipfels in einem Brief an die noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren wahrscheinlichen Nachfolger Olaf Scholz vor möglichen Folgen gewarnt. 2G könne "zu erheblichen Umsatzrückgängen von bis zu 50 Prozent führen und für die Einzelhändler daher existenzgefährdende Auswirkungen haben". Eine solche Einschränkung in weiten Teilen des Handels einzuführen, sei "unverhältnismäßig und daher rechtswidrig".

Der Verband hat dafür sogar eigens ein Rechtsgutachten anfertigen lassen. Die dafür beauftragte Kanzlei Noerr kommt dabei zu dem Ergebnis, dass "2G-Einschränkungen für den Einzelhandel unter den derzeitigen Voraussetzungen rechtswidrig sind".

Juristisch gegen "Regelungsirrsinn" vorgehen

Auch Homann will kämpfen. Ernsting's Family werde juristisch gegen "diesen Regelungsirrsinn" vorgehen. "Dagegen werden wir klagen, bis zum letzten Euro." Zumindest die entstandenen Schäden sollten "fair und mit Anstand" ausgeglichen werden. Das "staatspolitische Versagen" müsse adressiert, Gerichte "aktiv werden gegen diesen unfassbaren Dilettantismus".

Zumindest in Bayern bekommt der Handel dabei Schützenhilfe von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Der sieht die 2G-Regel kritisch, wie er gegenüber BR24 ausführte. Die Einschränkungen würden dazu führen, dass sich das Geschäft auf die Online-Riesen verlagere. Mehr als nochmals verlängerten Überbrückungshilfen, die nun bis Ende März 2022 laufen sollen, kann er allerdings auch nicht in Aussicht stellen.