So forscht die Uni Bamberg an Retouren für den Müll

11.10.2019, 06:00 Uhr

Fast 20 Millionen zurückgeschickte Artikel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. © Bernd Wüstneck, dpa

Wer online ordert, bestellt gern eine Auswahl. Die Jeans kommt in drei verschiedenen Größen in den Warenkorb, der Pulli in Schwarz und Blau. Was nicht gebraucht wird, wird zurückgeschickt. Kostet schließlich nichts.

Fast 20 Millionen zurückgeschickte Artikel landen deshalb in Deutschland jedes Jahr im Müll. Dabei ist knapp die Hälfte davon überhaupt nicht kaputt. Wirtschaftswissenschaftler der Uni Bamberg haben untersucht, warum Händler Rücksendungen manchmal lieber wegschmeißen als weiterzuverkaufen.

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Fast 20 Millionen zurückgeschickte Artikel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. © Foto: privat

Manches kommt kaputt zurück. Bei anderen Artikeln ist es schlicht zu teuer, sie erneut in Umlauf zu bringen, Kleidung womöglich zu bügeln, zu falten und neu zu verpacken. Wegschmeißen ist billiger – im Schnitt kostet die Entsorgung eines Produkts nur 85 Cent. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg.

"Dass das so günstig ist, hat mich wirklich überrascht", sagt Gruppenleiter Björn Asdecker. Alle vier Jahre geben der Betriebswirtschaftler und seine Kollegen den "Retourentacho" heraus. Die im April veröffentliche Erhebung hat gezeigt: Die Deutschen senden im Schnitt jedes sechste Paket und jeden achten Artikel zurück. Bei Kleidungsstücken sogar jedes zweite. "Die Möglichkeit, alles kostenlos zurückzuschicken, senkt die Hemmschwelle, überhaupt etwas zu bestellen", sagt Asdecker. "Deswegen nehmen die Unternehmen die zahlreichen aufwändigen Retouren billigend in Kauf." Und der Online-Handel wächst – um zehn Prozent jedes Jahr.

Jeder zurückgeschickte Artikel kostet durchschnittlich 11,24 Euro – für Transport, Bearbeitung und Wertverlust. Insgesamt entstehen den Händlern so Kosten in Höhe von rund 5,5 Milliarden Euro pro Jahr, haben die Wissenschaftler berechnet. Kosten, die sie durch höhere Preise an ihre Kunden zurückgeben.

Teuer für Handel und Umwelt

Auch die Umwelt kommt das teuer zu stehen: Schätzungsweise 238.000 Tonnen CO2 pro Jahr gehen auf das Konto der Rücksendungen. Das entspricht in etwa 2200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau pro Tag.

Die meisten Waren, 80 Prozent, können anschließend normal wieder verkauft werden. 13 Prozent gehen als reduzierte B-Ware in den Handel. Nur vier Prozent werden entsorgt und verschrottet. "Das klingt zunächst wenig, aber durch die hohen Gesamtzahlen reden wir hier von 20 Millionen Produkten pro Jahr", erklärt Asdecker. "Nach der Veröffentlichung der Studie wollten wir mehr über die Hintergründe der Entsorgung wissen." 139 Unternehmen haben sich an der Nachfolgeuntersuchung beteiligt.

Ihre Antworten zeigen: Die Hälfte der zurückgeschickten Artikel ist kaputt. "Hier habe ich auch als Verbraucher eine Verantwortung", sagt Asdecker. "Wie packe ich die Ware aus? Schicke ich empfindliche Sachen ausreichend gut verpackt wieder zurück?" Vor allem billige Dekorationsartikel und Möbel, die probehalber aufgebaut wurden, würden den erneuten Versand oft nicht überstehen. Aber die Daten offenbaren auch, dass in 40 Prozent der Fälle eine Weiterverwendung möglich wäre – und trotzdem nicht passiert. Damit werden 7,5 Millionen Produkte jedes Jahr unnötig weggeworfen. "Das ist in der heutigen Zeit – bei Ressourcenknappheit und Nachhaltigkeitsdebatten – nicht akzeptabel", sagt der Wissenschaftler.

Als Gründe nennen die Händler, dass kein Markt dafür vorhanden sei, eine Weiterverwertung unwirtschaftlich und spenden zu aufwendig wäre. Besonders erschreckt hat den Wissenschaftler, dass fünf Prozent der Artikel, also immer noch eine Million, verschrottet oder zerschreddert wird, weil die "Marken- und Patentinhaber, das so vorschreiben". Bevor also ein neues, teures Smartphone mit Kratzer durch den Versand billiger verkauft wird, wird es lieber gar nicht verkauft.

Weil Wegwerfen so billig ist und die Kunden meist nicht erfahren, was mit ihren Retouren passiert, lohnt es sich für die Händler bislang nicht, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. "Unsere Daten bieten jetzt eine Grundlage, um darüber zu diskutieren", sagt Asdecker. Seit August ist etwa der Entwurf eines neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Umlauf. Damit will Deutschland unterem anderem die Forderung der EU nach einem besseren Ressourcenschutz umsetzen. Bis Juli 2020 soll das neue Gesetz fertig sein.