Buchvorstellung

Ehemaliger Gymnasiallehrer veröffentlicht "Alterswerk"

20.10.2021, 05:10 Uhr

Eine Einschätzung des Treuchtlinger Autors, die eine weite Schau verspricht: Nach innen in Form von Reflexionen über das eigene Wirken auf dieser Erde. Und nach außen über einen Glauben in Auseinandersetzung mit geistigen Strömungen der Zeiten.

Solche Erwartungen werden beim Lesen des 272 Seiten umfassenden Buches (29,80 Euro, LIT-Verlag, ISBN 9783643149152) denn auch mehr als erfüllt. Sehr sympathisch etwa lässt der 80-Jährige seine Erfahrungen aus 35 Jahren Religionsunterricht mit einfließen.

Hier ist niemand, der wie Moses das Diktum Gottes den Zeitgenossen und der Nachwelt präsentieren will. Im Gegenteil: Gerade in der Auseinandersetzung mit den bohrenden und existenziellen Fragen der Schüler hat Hochmuths eigener Glaube eine Weiterreifung erfahren. Und eine solche fordert er kühn auch für das Christentum selbst. Das Beruhigende: Er findet sie dort auch! "Ich stehe auf den Schultern einer 2000 Jahre währenden Entwicklung des christlichen Glaubens", so der Autor im Gespräch mit unserer Zeitung. Das, was Jesus Christus ins Leben gerufen habe, sei eben keine versteinerte und noch nicht einmal eine Buchreligion.

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Über Leben und Tod

Es zähle die persönliche Hinwendung an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Und eine solche Beziehung entwickelt sich eben – im eigenen Leben wie in der Glaubensgemeinschaft. Hochmuth verweist etwa auf das erste Apostelkonzil in den Anfangsjahren der Kirche: "Das war eigentlich schon eine gewisse Evolution." Eine, die bis heute andauert und keine Begegnung mit Ideen scheut.

Zum Beispiel mit der Aufklärung, die der Buchverfasser mitnichten als eine Infragestellung christlicher Glaubenswelt versteht. Vielmehr "hat sich beides gegenseitig befruchtet". Auch auf sehr existenzielle Weise – wenn es um Leben und Tod geht. So habe etwa einst sogar der Philosoph und Aufklärer Immanuel Kant "die Todesstrafe verteidigt", weil der Mensch als an sich verantwortungsvolles Subjekt ernst genommen werden müsse.

Unter Papst Franziskus wurde sie aus dem Weltkatechismus gelöscht und abgelehnt: "Auch ein Mörder bleibt als Mensch Ebenbild Gottes", führt Hochmuth an. Die Chance auf Besserung dürfe nicht genommen werden. Das ohnehin verbreitete Narrativ, welches der Aufklärung geradezu ein moralisches Korrektiv kirchlicher Entwicklungen zuschreibt, blendet der Schreiber freilich nicht aus.

Eine Kernfrage der Ethik

Dabei ist sie nur eines von vielen Phänomenen in der Wechselwirkung mit dem Glauben an sich. Der Treuchtlinger spürt noch vielen weiteren nach: Was ist mit der Parapsychologie? Was ist mit der Tierwürde? Was ist mit der Theodizee? Und warum soll sich der Mensch wie verhalten?

Diese Kernfrage der Ethik beantwortet der Autor gleich in den Überschriften zweier korrespondierender Kapitel. Es gäbe "keine wissenschaftliche Verpflichtung zur Solidarität", behauptet er. "Warum handeln wir dennoch sozial? Wir tun es im Horizont der göttlichen Weltvernunft", heißt es direkt hinterher. Und die hat ihren konkreten Ausdruck in Form einer Person bekommen: Jesus Christus. Doch er stehe selbst genau für jene Entwicklung, die Hochmuth in seinem Buch nachzeichnen will.

Meint sie doch im Kern das Festhalten an unumstößlichen Grundwahrheiten in einer Kontinuität, die dem Wandel des Weltgeschehens und der -geschichte standhalten kann. Der Autor erinnert an das Gleichnis vom Senfkorn als Bild für das Reich Gottes, das erst unscheinbar und klein sei, dann aber soweit wachse, "bis es omniversell übergreifend und nicht übersehbar ist", so steht es etwa ganz nach dem Geschmack Hochmuths auch bei Wikipedia zu lesen. Die innere Kraft und die äußeren Einflüsse (Wahrheit und Auseinandersetzung) sorgen hier für das Wachstum. Eines, das niemals endet. Bis es die Gesamtheit des Seins durchdringt und Gott einmal "alles in allem sein" wird, wie es in der Bibel heißt. Von daher sei eines nur logisch: "Das Christentum muss immer mehr zu einer kosmischen Weitung kommen."

Sie habe schon begonnen – mit dem "Senfkorn Jesus", das in die Erde fiel. Sie ziehe weitere Kreise mit der Auferstehung Christi als dem "Eintritt in eine neue Wirklichkeitsebene". Und von dort weiter hin zu den Menschen und den Völkern. Denn die stellten in dem Gleichnis die Vögel des Himmels dar, die in den Zweigen des stattlichen Baums des Christentums ihre Nester bauen.

Das Wirken Jesu selbst sei "ein evolutiver Sprung" in der Geschichte des Glaubens gewesen. Was Hochmuth unter anderem am Vergleich vom alttestamentarischen "Auge um Auge" (die Verhältnismäßigkeit der Rache) hin zu Christi Gebot der Feindesliebe (das Aushebeln der Rache im Lichte der goldenen Regel) festmacht: "Das war ein Quantensprung im religiösen Denken!" Eigentlich sei so "die Evolution schon im Christentum angelegt", widersteht der römisch-katholische Christ dem Dogmatismus. Auch im Alten Testament fänden sich bedeutsame Schritte der Weiterentwicklung wie etwa der Bau des ersten Tempels durch Salomo. Ein Blick auf Anfang und Ende der Bibel lässt den evolutiven Gedanken ebenso zu, ist doch auf den ersten Seiten vom "Garten Eden" die Rede und auf den letzten von einer "heiligen Stadt". Es bleibt das Aufwachsen hin zu größeren Strukturen – innerlich und äußerlich.

"Wir wachsen auf Christus zu", ist Hochmuth überzeugt. Manchmal brauche es auch eine gewisse "Nachreifung". Für jene Menschen, die im Erdenleben "Christus als Erlöser noch nicht ganz erkennen konnten," schwingt in den Gedanken des Autors die Idee der Aussöhnung Gottes mit allen Menschen und der Schöpfung mit – die Wiederherstellung aller Dinge.

Ein größerer Rundumschlag lässt sich eigentlich gar nicht vollbringen. Mit ihm spricht der Verfasser alle an: die theologische Fachwelt ebenso wie den Suchenden und Fragenden. Aber auch der Agnostiker möge "das Buch mit einem kleinen Gewinn lesen. So hoffe ich." Heißt es im Vorwort Hochmuths.

Im Nachwort übrigens zählt er die positiven Auswirkungen auf, die das Christentum gebracht habe. Sie handeln von der Wiederbringung der menschlichen Würde durch Christus.