Cyber-"Tatort" aus Kiel: Das Erste lehrt das Darknet

19.3.2017, 21:46 Uhr

Mit "Borowski und das dunkle Netz" zeigt Das Erste zum dritten Mal einen "Tatort", der sich rund ums Thema Internet dreht. Ging es in den Vorgängerkrimis aus Stuttgart und Bremen vorwiegend um künstliche Intelligenz, beschäftigt sich der Kieler Fall voll und ganz mit Cyber-Kriminalität. Schlagworte wie Darknet, Bitcoins und Tor-Browser dominieren diesen bildgewaltigen Film von Kino-Regisseur David Wnendt. Der hat sich in den vergangenen Jahren mit Produktionen wie "Kriegerin", "Ich bin wieder da" und "Feuchtgebiete" mindestens nationales Renommee erarbeitet.

Trotz des düsteren Klangs ist "Borowski und das dunkle Netz" kein bierernster Problem-"Tatort". Wnendt – nicht nur Regisseur, sondern obendrein Co-Autor – erzählt seine Geschichte mit großer Leichtigkeit und einer gehörigen Portion Humor. Stellvertretend sei hier die satirische Darstellung des neu geschaffenen Cybercrime-Dezernats genannt. Sie ist in einer riesigen Halle untergebracht, wo nur zwei Menschen arbeiten. Damit will Wnendt veranschaulichen, wie sehr die Polizei noch am Anfang und unterbesetzt ist. Klar, dass die zwei Mitarbeiter Hornbrille und ausgewaschene Teenagerklamotten tragen. Gag gelungen.

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Das Darknet - was ist das eigentlich?

Das Darknet selbst wird keinesfalls verteufelt oder gar als magische Horror-Blackbox in Szene gesetzt. Dieses verrauchte, abgedunkelte Hinterstübchen des Internets hat schließlich auch seine guten Eigenschaften. Es fungiert nicht nur als Tummelplatz für Kriminelle, damit die dort ungestört Handel betreiben können. Über das Tor-Netzwerk haben beispielsweise auch Journalisten oder Dissidenten die Chance auf Kommunikation, ohne dabei ihr Leben oder ihre Freiheit aufs Spiel setzen zu müssen.

Weil wir hier jedoch im Ersten sind und das Darknet womöglich nicht jedem geübten "Tatort"-Zuschauer bekannt ist, muss Wnendt mit seinem Film einige Aufklärungsarbeit leisten. Kleine Comic-Einspieler mit einem animierten Klaus Borowski in einem schicken Jackett erklären Begrifflichkeiten wie diese. Für die jüngere Generation mag das zuweilen etwas grotesk wirken. Aber nett anzuschauen sind die Einspieler mit dem Charme einer Sendung auf dem Kinderkanal trotzdem. Vor allem, weil sie sich gut in das Gesamtbild einfügen. Außerdem sind bewegte Bilder allzu infolastigen Dialogszenen stets vorzuziehen. Sie können einem Film sonst gerne mal jedweden Wind aus den Flügeln pusten.

Turbulentes zu Beginn

Apropos Wind. "Borowski und das dunkle Netz" beginnt ziemlich turbulent. Gleich in der Eröffnungssequenz zeigt Bildgestalter Benedict Neuenfels, welch kreativer Geist in seinem Oberstübchen wohnt. So erlebt man den Mord an den Leiter der Cybercrime-Abteilung hautnah mit, weil die Kamera im Ego-Shooter-Modus läuft. Toll und mitreißend ist auch die Verfolgungsjagd mit Wackel-Cam durch halb Kiel, die letztendlich in der prall gefüllten Arena des THW Kiel endet. Für diese Szene hatten Neuenfels und sein zweiter Kameramann ein Zeitfenster von gerade einmal 45 Minuten. Das war sehr sportlich und nicht ungefährlich wegen der steilen Treppen und der hohen Geschwindigkeit, mit der sie den Schauspielern hinterherrannten.

Von derartigen Verfolgungsjagden bleibt Borowski (Axel Milberg) diesmal verschont. Stattdessen erhält der oftmals besserwisserische Kommissar innerhalb der knapp anderthalb Stunden einer Lektion in Sachen moderner Technik und Internet nach der anderen. Abgesehen davon nutzt Borowski nun ein Smartphone. Der üblichen Skepsis folgt eine Art Sympathie für die kleine Kiste. Er tauft es auf den Namen einer Verflossenen und spricht damit in einem derart milden Ton, dass man meinen könnte, er habe sich ein wenig in die Stimme verguckt, mit der das Gerät Fahranweisungen und Wettervorhersagen von sich gibt.

Kommissarin Brandt ist keine Kaffeetasse

Borowski menschelt und wirkt im Gegensatz zu früheren Episoden körperlich und seelisch weitestgehend intakt. Das mag auch an seiner, wie eine Löwin kämpfenden Kollegin liegen. Sarah Brandt setzt sich in diesem Cyber-"Tatort" wirklich gegen alles zur Wehr. Sie liefert gute Konter auf flache Macho-Anmachen. Sie rennt. Rennt weiter und täuscht mal schnell einen Epilepsie-Anfall vor, wenn's denn dienlich ist. Dann legt sie zuerst dem Mörder die Handschellen um und überführt anschließend dessen Auftraggeber in einem gruseligen Showdown.

Damit beweist sie eindrucksvoll, dass sie keineswegs Borowskis Kaffeetasse ist, wie ihr LKA-Leiter Eisenberg zu Beginn unterstellt. Trotzdem ändert das nichts an der Tatsache, dass Sibel Kekilli in Kürze ihren Dienst quittieren wird. Nach sieben Jahren Dasein als Kommissarin ist mit der kommenden Folge Schluss. Angeblich für immer. Irgendwie schade.