Ignis Fatuu: Renaissance-Rock mit Dürer im Gepäck

16.3.2017, 17:59 Uhr

Seit Sommer 2012 singt Andreas "P.G." Haensel bei den Nürnberger Mittelalter-Rockern. Zwischenzeitlich hat es bei Ignis Fatuu (küchenlateinisch für Irrlicht) personell ein weiteres Mal ordentlich in der Kiste gerappelt. Von der Gründungsbesetzung ist heute nur noch Flötistin Irene übrig. Als P.G., den Mittelalterfans noch von den Bands Merlons Of Nehemiah und Merlons Lichter kennen, und zwischenzeitlich sogar Peter Pathos (ex-Fiddler’s Green) bei Ignis Fatuu einstiegen, wirkte das von außen wie eine feindliche Übernahme.

"In Wahrheit läuft sowas ja immer viel organischer ab", lacht P.G. "Da gibt es keinen Masterplan. Peter hatte die CD produziert und wurde gleich als Gitarrist für die anschließende Tour dabehalten – weil er die Songs eh schon kannte. Mich kannte die Band, weil ich den Proberaum neben ihnen hatte. Beim letzten Besetzungswechsel war es hingegen so, dass die ,Unendlich viele Wege’-CD fertig war und die Tour anstand, als plötzlich die halbe Band ausstieg. Wir haben dann in rasender Geschwindigkeit Ersatz gesucht und gefunden."

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Rockstars und Familienleben

Mit den Neuzugängen Max Vogel an der E-Gitarre, Fabi am Bass, Carsten Muhl hinterm Schlagzeug und Nico Niederlich an Drehleier und Dudelsack sind Ignis Fatuu nun wieder solide aufgestellt – und kriegen den Spagat zwischen Rockstar- und Familienleben gut hin.

Nach dem Ende seiner alten Band Merlons Lichter hatte P.G. sechs lange Jahre kaum noch Musik gemacht. Nach der Pause genießt der Sänger, der im Brotjob Geigenbaumeister und mit seinen 42 Jahren der Senior in der Band ist, seinen Neustart umso mehr. Hegte er in den 1990er Jahren mit den Merlons noch große und vor allem ambitionierte Pläne, so ist heute der Druck raus und hat einer neuen Form von Lockerheit Platz gemacht.

So ganz kann P.G. es trotzdem nicht lassen, sich kreativ einzubringen. "Das Thema Dürer habe ich schon lange mit mir herumgetragen. Dann hatte ich auf Tour diese Biographie dabei, in der unter anderem sein Kupferstich ,Die wunderbare Sau von Landser’ abgebildet war. Peter Pathos meinte, dass das doch einen großartigen Titel für einen Rocksong hergeben würde. Ebenso ,Ritter, Tod und Teufel‘". So kam eines zum anderen. Als die ersten Nummern standen, beschlossen wir, ein komplettes Konzeptalbum über Dürer zu machen."

Auswahl aus Stichen

Das Ergebnis nennt sich "Meisterstich" und ist mit seiner metallischen Lackierung ein ganzes Stück härter und rockiger als die alten Ignis Fatuu-Alben ausgefallen. Nürnberger Band, Nürnberger Künstler – das geht nicht nur in der Theorie prima zusammen. Schnell wurde den Musikern jedoch klar, dass das Schaffen des größten Sohns der Stadt viel zu umfangreich ist. So beschränkten sie sich bei ihren Vertonungen zum einen auf eine Auswahl an Stichen und Drucken und zum anderen auf die weniger christlichen Themen. Von den Museen der Stadt Nürnberg kam die Freigabe, dass Ignis Fatuu die Dürer-Bilder im CD-Booklet zeigen dürfen.

Wichtig sind P.G. die Gegenwartsbezüge. "Dürer lebte in einer Zeit großer Umbrüche. Die Reformation kam auf, Amerika wurde entdeckt, das Weltbild erweitert. Plötzlich tauchten Papageien und ein Nashorn auf seinen Bildern auf. All diese Umstürze und Veränderungen, aber auch die Unsicherheiten, die damit einher gingen, haben die künstlerische Seite damals sehr befeuert. Vieles von dem, was im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit passiert ist, ist gar nicht so weit weg von uns. Ich sehe da viele Parallelen, gerade auch, wie die Menschen sich damals und heute gefühlt haben."

Andere Sehgewohnheiten

Für die Fans ist das Albumkonzept ein zusätzliches Angebot, wenngleich die 13 nach Dürer-Arbeiten benannten Nummern auf "Meisterstich" auch funktionieren, wenn man nur Tanzen und Toben will. Bei ihrem Konzert am Samstag in Nürnberg wollen Ignis Fatuu die Renaissance-Bilder erstmals zeigen und erklären. "Unsere Sehgewohnheiten sind heute komplett andere, doch man darf einen Dürer-Stich nicht wie ein Foto betrachten. Damals war kein Detail dem Zufall überlassen. Wenn da eine Tasse im Hintergrund stand, dann mit voller Absicht. Hier hat alles eine Bedeutung, das ist für mich etwas ganz Spannendes."

Aktuelle CD: Ignis Fatuu "Meisterstich" (Trollzorn Records). Live am Samstag, 18. März, ab 20 Uhr in der Luise, Scharrerstraße 15 in Nürnberg, und am 1. Juli auf dem Mittelaltermarkt in Schwanstetten.