Wiener-"Tatort": Spurensuche im Hinterland

27.8.2017, 21:45 Uhr

Vier Monate nach "Wehrlos" zeigt Das Erste einen weiteren Fall der österreichischen Kommissare und beendet damit die gut achtwöchige "Tatort"-Sommerpause. Im Gegensatz zum Vorläufer, als eine neue Frau an Eisners Seite einen tiefen Keil zwischen die beiden Ermittler trieb, präsentieren sich die zwei Cops in "Virus" wieder als echtes Team. Abgesehen von den üblichen kleinen Scharmützeln, die sich die Fahnder auch bei dieser unterhaltsamen Spurensuche im Unterholz von Zeit zu Zeit liefern, herrscht im und um das Kommissariat herum ein durchweg gutes Betriebsklima.

Der Auftrag, einen ermittlungstechnischen Ausflug in die Provinz zu unternehmen, ereilt Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser), als sie im Büro von Oberst Rauter (Hubert Kramar) sitzen und die Ergebnisse einer Nahkampf-Übung und eines Routine-Checks besprechen. Die körperlich schlechte Konstitution der beiden Beamten kommentiert Rauter trocken und unmissverständlich als "erschütternd". Gut, dass gerade jetzt das Telefon klingelt und die zwei Kommissare zu einem Einsatz gerufen werden.

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Alle unter Quarantäne!

Der Weg der Städter führt sie in die Oststeiermark. In einem Steinbruch unweit der kleinen Ortschaft Pöllau, die vor pittoresken Kulissen nur so strotzt, wurde ein Afrikaner tot aufgefunden. Es gibt keine Papiere oder Hinweise darauf, wer das Opfer ist. Die ersten Eindrücke lassen darauf schließen, dass die Leiche dort offenbar beseitigt werden sollte. Das Wiener Aufklärungsgeschwader knöpft sich direkt Betreiber Thomas Reuss (Martin Niedermair) und dessen Bruder Albert (Andreas Kiendl) vor, der als Arzt für Hilfsorganisationen in Westafrika arbeitete und nun in der Nähe des Steinbruchs einen Fluchthof betreibt.

Zunächst stoßen die Ermittler auf eine Mauer des Schweigens. Keiner will etwas gewusst oder gesehen haben. Weder die Reuss-Brüder, noch die Bewohner des Fluchthofs. Als der herrlich selbstverliebte, auf junge Frauen fixierte, Gerichtsmediziner in Wien herausfindet, dass der Tote mit Ebola infiziert ist, kommt Bewegung in die Sache. Das Seuchenkommando marschiert auf. Hektik dominiert die Szenerie. Ein leicht psychopathisch wirkender Virologe (Markus Schleinzer) will die gesamte Ortschaft unverzüglich unter Quarantäne stellen. Auch Bibi und Moritz sollen in einen "Schneewittchensarg". Sogar Pöllau selbst verwandelt sich. Vom süßen, kleinen Örtchen, wo die Welt noch in Ordnung ist, in einen Platz des Schreckens, an dem die Angst regiert und Menschen beginnen, dem Nachbarn oder wahlweise des Nachbarn Vierbeiner zu unterstellen, er trage das Virus ebenfalls in sich.

Cops mit Konjunktiv-Allergie

Rupert Henning leistet auch mit seinem dritten Drehbuch für einen Wiener "Tatort" gute Arbeit. Nach "Grenzfall" und "Schock" behandelt der Autor ein weiteres Mal politisch und gesellschaftlich aktuellen Stoff. Er thematisiert die Furcht und Flucht der Menschen vor einer tödlichen Epidemie im Allgemeinen und die Angst vor Ebola im Besonderen. So zeigt Henning mit "Virus", dass ein einziger Infizierter genügen kann, die Krankheit von Afrika nach Europa zu transportieren. Der Gefahr, hieraus nun eine all zu moralisch erscheinende, bleiern wirkende Geschichte zu konzipieren, erliegt der Autor aber nicht.

Der brisanten Thematik begegnet Henning mit einer angemessenen Prise österreichischem Humor und verpasst dem Drehbuch so ein gewisses Maß an Lockerheit, ohne aber die Story selbst jemals ins Lächerliche zu ziehen. Eben das und Hennings klug ausgedachte Charaktere, tolle Typen, die in kleinen und großen Rollen zu überzeugen wissen, wie der gutmütige Dorfwirt, der bereits erwähnte Wissenschaftler oder der schüchterne Kleinstadtbulle, der gerne im Konjunktiv redet und damit bei Bibi Fellner eine Konjunktiv-Allergie auslöst, machen "Virus" zu einem gelungenen "Tatort", der nicht nur unterhält, sondern auch ein aktuelles Thema leger in die Handlung integriert.