Baerbock als Kanzlerkandidatin: Der Abspann folgt erst noch

19.4.2021, 12:14 Uhr

Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen. © Kay Nietfeld, dpa

Sie haben die Premiere des Stücks "Die grüne Kanzlerkandidatur" bis ins Detail vorbereitet, nichts dem Zufall überlassen, den Höhepunkt nur mit jenen besprochen, die an ihm beteiligt sein werden - also die beiden Hauptrolleninhaber selbst - und bis zum Beginn der Bühnenshow gestern um 11 Uhr keinem anderen irgendetwas gesagt. Und, vielleicht am erstaunlichsten vor allem für die Grünen selbst: an der Basis, zwischen den Realos und den Fundis, die es auch noch gibt, hat es nicht gegrummelt. Nicht grundsätzlich jedenfalls.


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Der eine oder die andere mag die Befürchtung hegen, dass bei den Grünen, wenn sie nicht nur wieder an einer Bundesregierung beteiligt sein, sondern diese womöglich sogar anführen könnten, eherne programmatische Grundsätze leiden würden. Der Zwang zum Kompromiss könnte dem eigenen Profil schaden - deshalb aber auf den Schlüssel zur Macht verzichten, nein, über dieses Stadium sind sie bei den Grünen hinaus. "Opposition ist Mist", diese wegweisende politiktheoretische Erkenntnis des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, ist auch zur Geisteshaltung der Grünen geworden.

Eine neue Art von Politik und Macht

Robert Habeck, der Philosoph im Grünen-Vorsitzendenduo, wusste das Präludium zur Premiere denn auch in die passenden Worte zu kleiden, indem er zurecht konstatierte, dass die Art und Weise, wie er er mit seiner Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock die Kanzlerkandidatinnen-Frage behandelte, ein Angebot für eine neue Art von Politik und Macht für die von politischem Personalstreit überdrüssigen Bürgerinnen und Bürgern sei. Das klingt einnehmend und soll es auch sein. Eine vertrauensbildende Maßnahme für all jene, die den Grünen noch immer nicht über den Weg trauen. Ganz pragmatisch betrachtet haben die beiden damit aber auch eine Klippe umschifft, die im Wahlkampf gefährlich hätte werden können. Denn in den Statuten der Grünen ist vorgesehen, dass bei Personalentscheidungen zwischen Frau und Mann die Frau den Vorzug bekommen soll; hätte Habeck auf der Kanzlerkandidatur bestanden, hätte er bis zur Bundestagswahl beständig erklären müssen, warum er und nicht sie den Job macht.

Wenn Annalena Baerbock den Wahlkampf prägen will, wird sie sich nicht darauf beschränken können, diesen mit einer weiblichen Note zu versehen, auch wenn die Konkurrenz mit Olaf Scholz und dem noch zu findenden Unionsmann sich in ziemlich allem von ihr unterscheidet. Sie wird auf die sogenannte Mitte der Gesellschaft zielen, wo sich schon jetzt alles rechts von den Linken und links von der AfD tummelt. Sie wird mit nichts weniger als die Rettung der Welt vor dem Klimauntergang argumentieren und versprechen, dass auf dem Weg zum leider notwendigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft alle mitgenommen werden sollen. Was sie nicht sagen wird: dass klimafreundliches Leben sich vor allem die Wohlhabenden leisten können. Die anderen müssen sehen, was der Geldbeutel für Lebensmittel, Mobilität und die Notwendigkeiten des Lebens hergibt.

Bis zum Abspann des Premierenstücks dauert es noch.